Die Lostprophets über ihre Tour, den langen Weg zum aktuellen Album und welche unmoralischen Angebote man nicht so machen muss, um heute überhaupt noch seine Platten loszuwerden.
Auf den ersten Blick sind die Lostprophets eine dieser typisch-britischen Indielabel-Bands, die der Wust an Neuerscheinungen eh in Kürze wieder verdrängen wird. Auf den zweiten Blick aber stellt man fest: Die Band gibt es seit zehn Jahren und sie haben vier Alben veröffentlicht. Das sind ja gar keine One-Hit-Wonder-Losers. Die Waliser aus dem verschlafenen Working-Class-Städtchen Pontypridd haben ihre aktuelle Platte „The Betrayed“, nach vier Jahren harter Studioarbeit, im Februar auf den Markt geworfen. Momentan tourt die Band durch die schönen Städte der Bundesrepublik und fand bei allem Tour-Stress kurz Zeit uns ein ziemlich kaffeegeschwängertes Interview zu geben. motor.de bat den Bassisten Stuart Richardson und den Keyboarder Jamie Oliver zum Plausch, da sich der Rest der Band irgendwie verkrümelt hatte.
Die Bilder vom Berlin-Konzert gibt’s »Hier.
motor.de: Ihr habt ja schon ein paar Coversongs gemacht, z.B. auch ein Jay-Z-Cover für die BBC. Habt Ihr für diese Tour einen Song gecovert?
Stuart Richardson: Das liegt daran, dass es im UK eine Radiosendung gibt, die nur Coversongs spielt. Wir haben über die Jahre Prodigy gecovert, Jay-Z, Justin Timberlake. Nur um in die Show zu kommen.
Jamie Oliver: Außerdem bedeutet covern immer eine Menge Spaß, da wir uns meist Sachen aus anderen Genres suchen. Phil Collins und Duran Duran auf unsere Art zu spielen ist schon eine Herausforderung. Ob wir für diese Tour was gemacht haben sieht man nur, wenn man zum Konzert kommt.
motor.de: Was liegt Euch mehr, das Touren, oder das Plattenmachen?
Jamie Oliver: Ich bin mehr so der Tour-Typ.
Stuart Richardson: Ich mag das Aufnehmen, da ich ohnehin nebenher viel im Studio arbeite.
motor.de: Schreibt Ihr die Songs immer schon im Gedanken an die Live-Auftritte und wie sie dabei ankommen sollen?
Jamie Oliver: Ich wünschte, wir könnten das.
Stuart Richardson: Immer wenn wir uns das vornehmen werden die Songs total scheiße. Wir haben ziemlich früh festgestellt, dass das nicht funktioniert. Man kann nie vorher wissen, was die Leute mögen werden.
motor.de: Im Laufe der Zeit habt Ihr verschiedene Wechsel innerhalb Eurer Band gehabt. Denkt ihr, dass das problematisch für Eure Arbeit war?
Jamie Oliver: Es waren es ja keine großen Wechsel in der Band, sondern immer nur der Drummer.
Stuart Richardson: Irgendwie zerstören wir jeden Drummer, den wir haben.
Jamie Oliver: Beim ersten Wechsel unseres Drummers war das ja mehr eine familiäre Geschichte. Wir kannten uns unser ganzes Leben und irgendwann sagte er halt, dass er mit der Band nicht weitermachen könne, da er sich mehr um seine Familie kümmern möchte. Das haben wir voll verstanden. Schwieriger war’s dann bei unserem zweiten Drummer. Er war ein brillianter Musiker, aber hat sich nicht so gut bei uns eingefügt. Mit Luke ist es was anderes: Er ist aus Birmingham und wir sind Waliser, da gab’s nur am Anfang viele Reibepunkte und wir haben ihn oft verarscht. Jetzt respektieren wir uns und kennen einanders Grenzen…
Stuart Richardson: …überschreiten sie aber trotzdem oft genug.(lacht)
The Lostprophets – “It’s Not The End Of The World”
motor.de: Wie war der Dreh zur ersten Single „It’s Not The End Of The World“?
Stuart Richardson: Eigentlich ganz ok…Nachmittags in Los Angeles…
Jamie Oliver: …Leck mich am Arsch, nichts war ok. Es war scheiß anstrengend!
Stuart Richardson: Es waren ungefähr 43 Grad…
Jamie Oliver: …richtig, 43 Grad in Downtown Los Angeles und da wir im Video rüberbringen wollten, dass die Sonne brannte, hatten sie zusätzlich noch einen Haufen Scheinwerfer auf uns gerichtet. Wir sind weggeschmolzen.
Richardson: Ja, ich habe mir vorne einen Sonnenbrand geholt und bin dabei auf dem Rücken kreidebleich geblieben. (lacht)
motor.de: Wie seht ihr die Entwicklung in der Musikindustrie?
Jamie Oliver: Oh Yeah, music industry is fucked!
Stuart Richardson: Vor ein paar Jahren konntest du eine Hitsingle produzieren und das Album bekam Platin, nur wegen diesem einen Song. Das ist heute eben nicht mehr möglich. Aber man sollte aufhören, sich darüber aufzuregen, das ist so ermüdend. Man sollte sich lieber überlegen, warum man angefangen hat Musik zu machen: Da ging’s nicht darum, einen Vertrag zu bekommen, es ging nicht darum Millionen zu scheffeln. Sondern darum, dass man etwas zu sagen hatte. Darauf sollte man sich konzentrieren.
motor.de: Ihr habt das neue Album im Januar veröffentlicht. Wie waren die Reaktionen?
Stuart Richardson: Die Reaktionen waren wirklich gut.
Jamie Oliver: Ja, sie waren großartig. Anfangs waren wir etwa aufgeregt, denn seit dem allerersten Album haben wir wieder alles allein gemacht: eingespielt, produziert, abgemischt. Das war eine Menge Arbeit. Wir waren verdammt stolz, dass wir das hinbekommen haben und dementsprechend gespannt, was die Leute dazu sagen.
Stuart Richardson: Also wenn ihr unsere Platte hört und sie euch gefällt…
Jamie Oliver: …und ihr sie dann kauft, dann freut uns das und wir…lutschen euch den Schwanz. (lacht)
Lostprophets – “Last Train Home“
motor.de: Aus welchem Grund habt ihr entschieden, das Album gänzlich allein zu machen und ist das im ersten Moment nicht erstmal ziemlich abschreckend sich soviel Arbeit aufzuladen?
Stuart Richardson: Wir hatten verschiedene Produzenten, aber keiner verstand, was wir machen wollten. Wir sind seit zehn Jahren eine Band und wissen, dass die Leute unsere Sachen mögen. Warum sollten wir es dann nicht allein in die Hand nehmen?
Jamie Oliver: Außerdem wurde es ja mal Zeit: Wir haben uns als Band gefestigt und mittlerweile auch die Möglichkeiten. Ich erzähl’ dir, was der beschissene Teil beim Plattenmachen ist: Du investierst mit jemandem eine Menge Zeit bei der Arbeit und einen Haufen Geld – um ehrlich zu sein, haben die Produzenten uns eine Menge Geld gekostet – und am Ende stehst du da und denkst dir: ‘Fuck, das können wir nicht bringen. Wir stehen nicht dahinter.’ Außerdem wollten wir zurück zur DIY-Mentalität.
motor.de: Ich hab gehört, dass Ihr neulich in eurer alten Schule gespielt habt. Wie war das?
Stuart Richardson: Der Auftritt war ziemlich cool. Es war wie die Beatle-Mania. Wir haben in der Sporthalle gespielt und die Kids sind ausgeflippt.
Jamie Oliver: Früher war das meine Konkurrenz-Schule, deswegen war ich gar nicht dabei.(lacht)
Stuart Richardson: Er konnte nicht mit, weil sein Kind zu der Zeit auf die Welt kam.
Jamie Oliver: Genau, ich hab die Daten für den Gig auch genau neun Monate vorher bekommen, schnell meine Frau geschwängert und bin so drumrum gekommen.
Stuart Richardson: Das war ziemlich klug, nicht wahr?!
Jamie Oliver: Ich wusste auch anfangs gar nicht, dass das so funktioniert. Ich dachte Babys gibt’s zu Weihnachten.
Interview: David Jacob
Text: Christoph Berger
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