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Sebastian Madsen über aufgeregte Ärzte im Krankenhaus, das neue Album “Labyrinth” und warum er lieber Regionalbahn als ICE fährt.
Seit 2004 sind Madsen in Sachen Deutschrock nicht mehr wegzudenken. Am kommenden Freitag erscheint ihr mittlerweile viertes Werk „Labyrinth“. Ohne es zu wollen, geriet die Band aus Niedersachsen schon vor dem Release in die Schlagzeilen. Frontmann und Sänger Sebastian zog sich während des Videodrehs zur ersten Single „Lass Die Liebe Regieren“ einen komplizierten Trümmerbruch im Handgelenk zu, woraufhin die geplante Tour in den Winter verschoben werden musste. Nach dem Austritt ihres Keyboardes Folkert Ende vergangenen Jahres, ist mit Niko Maurer und den drei Madsen-Geschwister Johannes, Sebastian und Sascha zumindest auf den Festivals in diesem Sommer zu rechnen. Frisch aus dem Krankenhaus entlassen, sprach motor.de mit Sebastian über den Unfall und seinen anschließenden Aufenthalt im Krankenhaus. Natürlich aber stand der Sänger auch Frage und Antwort zum neuen Album.
motor.de: Nach dem Unfall natürlich erstmal die Frage: Wie geht’s dir?
Sebastian: Ganz gut. Ich humple noch ein bisschen, aber meine Hand tut nicht mehr weh. Ich bin nicht mehr voll auf Schmerzmitteln und eigentlich wieder ganz fidel. Das Handgelenk ist natürlich noch nicht voll belastbar, aber da muss ich einfach noch ein bisschen geduldig sein. Im Mai werde ich mich auf meine Reha konzentrieren. Die bisherigen Prognosen sind aber ganz gut, so dass ich im Sommer hoffentlich wieder komplett fit bin. Es kann zwar sein, dass es minimale Einschränkungen gibt, aber ich bin ja kein Konzert-, sondern nur ein Power-Chord-Gitarrist.
motor.de: Man liest ja viel, aber könntest du denn noch einmal in aller Ausführlichkeit beschreiben, wie sich das zugetragen hat?
Sebastian: Wir hatten das Video zu „Lass Die Liebe Regieren“ eigentlich schon fast ganz abgedreht. Es stand noch die berüchtigte Stunt-Szene aus. Ich sollte an ein Seil gehängt werden, damit es eine Art Schwebeeffekt im Video gibt. Wir haben es erst mit einem recht seriös aussehenden Stuntman von einer renommierten Firma geprobt und danach hatte niemand daran gezweifelt, dass da irgendwas passieren könnte. Als es dann soweit war, ist das Teil gerissen und ich sah plötzlich den Boden auf mich zurasen. Ich hatte zwar Blut an meinen Händen und im Gesicht, hätte aber nie gedacht, dass da irgendwas Schlimmes passiert sei. Dass mein Handgelenk gebrochen war, habe ich zuerst gar nicht gemerkt. Klar, man steht ja unter Schock in solchen Momenten.
motor.de: Damit war der Tag aber gelaufen, oder?
Sebastian: Ich habe mich nur kurz aufgestellt, bin dann aber gleich wieder umgefallen. Das haben mir auch nur die Anderen erzählt, ich selbst kann mich gar nicht mehr daran erinnern. Ich war ein paar Minuten einfach raus, glaub ich. Erst im Krankenwagen kam ich wieder zu mir und realisierte das Ganze. Im Krankenhaus war dann das Erste, was ich gefragt hab: „Wann kann ich wieder Gitarre spielen?“ Dann sagte der Arzt nur: „Herr Madsen, das ist ungefähr so, wie wenn’s anfängt zu regnen und sie mich fragen, wann’s wieder aufhört! Ich kann‘s ihnen nicht sagen.“ Ab da war ich zwei Wochen im Krankenhaus.
motor.de: Wie war denn der Aufenthalt im Krankenhaus? Wollten die jungen Krankenschwestern Autogramme?
Sebastian: Naja, es gab dort ein paar junge aufgeregte Ärzte. Einer wollte mir eine Spritze geben, hat dann aber meine Ader nicht getroffen, weil er so aufgeregt war. Viele von den älteren Ärzten kannten Madsen gar nicht, haben sich dann aber informiert und schließlich hatte ich dann, glaube ich, einen kleinen Sonderstatus. Ich war auf jeden Fall in richtig guten Händen dort.
motor.de: Schön, das hört man gern. Nun aber zurück zum Geschäft! Am kommenden Freitag erscheint euer Album “Labyrinth”. Könntest du das mal kurz zusammenfassen?
Sebastian: Das ist natürlich schwierig, da es ja zwölf ganz eigenständige Songs sind. Ich denke aber, dass wir dieses Mal ein bisschen was gewagt haben. Die letzten drei Alben sprachen ja schon in etwa die gleiche Sprache. Dieses Mal hatten wir die Absicht, alles ein bisschen differenzierter und größer klingen zu lassen. Wir haben unsere Türen sicherlich geöffnet, also viel mehr zugelassen: mehr Pop, mehr Punk und uns auch mit der Soundästhetik genauer beschäftigt. Von daher fühlt es sich so ein bisschen wie ein Newcomer-Album an!
motor.de: Steht der Titel “Labyrinth” denn für diesen neuen Weg, den ihr nach etlichen Umwegen gefunden habt?
Sebastian: Nein, der Name steht eher dafür, dass meiner Meinung nach, Madsen eine unberechenbare Band ist. Es kann sich bei uns alles überall hin entwickeln – naja nicht ganz überall hin – aber es kann sein, dass das nächste Album im Gegensatz zu diesem wieder ganz klein und schraddelig wird. Vielleicht wird’s auch ein Soul-Album.
motor.de: Dass ihr dieses Mal etwas Anderes ausprobieren wolltet, war aber nicht der Grund für den Austritt von eurem Keyboarder Folkert, oder?
Sebastian: Nein, eigentlich gar nicht. Der Plan zum Album stand ja schon bevor Folkert im letzten Herbst ausstieg. Für uns kam das total überraschend. Zwar hatte man ihm angesehen, dass irgendwas nicht stimmt, aber das hätte keiner gedacht. Er hatte einfach genug von dem – naja Stress würde ich nicht sagen – aber es ist ja doch ziemlich viel los, wenn man ein Album rausbringt. Er hat sich einfach nach ein bisschen Alltag gesehnt und ist jetzt ganz glücklich dort im Wendland. Er macht seinen alten Job wieder, als Pädagoge und ist gerade mit etwas weniger sehr zufrieden.
motor.de: Eure Platte beginnt mit einem überhaupt nicht nach Madsen klingenden Intro. Erst denkt man an Queen, dann an die Wise Guys und vielleicht sogar an Andrew Lloyd Webbers „Tanz der Vampire“. Wer kam denn auf die Idee so etwas Ungewöhnliches an den Anfang zu stellen?
Sebastian: Das war dann wohl ich. Ich hatte mir vor zwei Jahren mal in den Kopf gesetzt eine Rockoper zu schreiben.
motor.de: Dann war ich ja gar nicht so schlecht mit „Tanz der Vampire“.
Sebastian: Richtig. (lacht) Ich hatte das Gefühl, dass eine deutsche Band so etwas schon lange nicht oder noch nie so richtig gemacht hat. Man kennt das zwar von Green Days „American Idiot“ [motor.de berichtete], aber für mich persönlich war das einfach eine Herausforderung. Dass sich der Anfang dann wirklich so nach Queen angehört hat, erstaunte mich auch selbst. Unser Produzent Olaf Opal setzte dann noch einen drauf und sagte: „Wenn schon Queen, dann richtig! Dann verbeugen wir uns jetzt auch vor der Band!“ Daraufhin haben wir nochmals Chöre mit Klavier eingespielt und letztendlich möchte man ja wirklich mit „Mama!“ einsteigen.
motor.de: Eines eurer Hauptmotive ist, wie in so vielen Songs, die Liebe. Wie kam es denn dazu, dass abermals dieses Allerweltsthema einen so zentralen Stellenwert in eurem Album eingenahm?
Sebastian: Liebe ist als Thema einfach total interessant und vielseitig. Ich habe es nochmal für mich entdeckt. Es gibt ja die verschiedensten Themen die Liebe betreffend auf diesem Album: „Das muss Liebe sein“ ist eine Art Ode an Livekonzerte. Wie es sich anfühlen kann, wenn man in einem Saal steht und die Band seiner Träume auf die Bühne kommt. Ich wollte das unbedingt in einem Stück festhalten, weil der Moment etwas ist, was mich schon lange beeindruckt. „Lass die Liebe regieren“, unser kleiner Schlager auf der Platte, dreht sich um die Liebe im Allgemeinen. Darum, dass man die Liebe einfach in sein Leben lassen soll. Bei „Labyrinth“ geht es um die Liebe, an die man sich erinnern sollte, wenn‘s einem gerade schlecht geht. Ich mag auch das naive Schreiben, wenn einfach mal unverkrampft über Liebe gesprochen wird. Es ging uns ja selbst auch oft so, dass wir uns hinter irgendwelchen Metaphern versteckten. Es gibt viele Bands, die es super beherrschen ein Wort zu umschreiben – wir wollten einfach über Liebe im Klartext reden.
motor.de: Aber mittlerweile seid ihr auch alle schon an die 30. Wollt ihr denn nicht irgendwann mal weg von dem „Bravo-/Teenie-Thema“?
Sebastian: Nein! Es kommt ja immer darauf an, wie man es angeht. Natürlich ist das Thema vorbelastet, aber gerade das war eine Herausforderung für uns, das Ganze cleverer anzugehen. Und das ist auch als Typ, der so knapp 30 ist, schwierig. Ich finde es also durchaus unserem Alter angemessen.
motor.de: Seit längerem wohnst du ja in Berlin. In eurem Song „Berlin“ steckt allerdings eine Art negative Kritik an der Stadt. Was stört dich denn an der Hauptstadt, deinem Wohnort?
Sebastian: Naja, eigentlich ist es ja gar keine richtige Kritik. Natürlich beschwere ich mich darüber, dass es in Berlin keinen Sternenhimmel gibt oder dass es manchmal einfach zu überlaufen ist. Aber es geht ja vor allem auch um die „Faszination Berlin“. Ich wohne da jetzt seit drei/vier Jahren und habe davor einige Jahre mit der Stadt geflirtet. Nach einer Weile fühl‘ ich mich jetzt sogar total wohl dort. Als Landei bin ich allerdings auch regelmäßig mit der Größe überfordert. Das Lied sollte eigentlich so eine Art “Hymne für Hinzugezogene” sein, wie ich es bin, die manchmal mit der Größe nicht klar kommen.
motor.de: In „Mein Herz Bleibt Hier“ fällt der Satz „Auf den billigen Plätzen sind die netteren Leute“. Hast du das an einer speziellen Erfahrung deinerseits festgemacht?
Sebastian: Nein. Im Grunde genommen ist das doch überall so. Fahr’ doch mal mit dem ICE. Die, die in der 1.Klasse sitzen, beäugen dich immer so merkwürdig und denken sich: „Geh‘ doch bloß hier weg! Das ist mein Bereich!” Ich bin jedes Mal echt froh, nicht bei diesen Idioten sitzen zu müssen! Das zum Beispiel ist so eine alltägliche Situation, auf die ich damit anspiele.
motor.de: Du fährst also lieber Regionalbahn als ICE?
Sebastian: Absolut! Und wenn ICE, dann nicht 1.Klasse! Ich war letztens mit „Band Of The Week“ unterwegs, bin früh morgens von Köln nach Berlin zu einem Foto-Shooting für Madsen gefahren und dachte mir: „Wenn ich schon so ‘Rockstar-Termine’ habe, dann fahre ich auch Mal 1.Klasse!“ Letztendlich fand ich‘s gar nicht so toll! Ich beobachte immer gern die Leute und das konnte man dort nicht. Es gab auch nicht so tolle Vorzüge dort oder nur Dinge, auf die ich gut verzichten kann. Ich brauch zum Beispiel keinen Strom. Wenn ich ICE fahre, sitz’ ich mit einer Apfelschorle oder einem Kaffee im Bordrestaurant – schön vor sich hinschlürfen. Da ist es am gemütlichsten.
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