Eigentlich erfüllen die sechs Schweden, die sich unter dem Bandnamen The Majority Says in dem kleinen schwedischen Ort Linköping zusammengefunden haben, so ziemlich jedes stereotypische Vorurteil, das sich zu den schönen Menschen im hohen Norden über etliche Zeiten hinweg nur so in die Großhirnrinden hat einbrennen können. Daher fiel es nach dem Betreten des Michelberger Hotels auch gar nicht schwer, die Bandmitglieder von The Majority Says von der restlichen Masse in der Hotellobby zu unterscheiden. Ganz offensichtlich stieß einem dort das sichere Stilgefühl sowie die offene Haltung der kreativen Freigeister entgegen. Und als uns nach einem kurzen Austausch an deutsch-schwedischen Begrüßungsphrasen der Weg durch eine, man möchte meinen, Geheimtür im Narniastil in eine gemütlichen Wohlfühlatmosphäre geboten wurde, durften wir die drei Bandmitglieder Jonathan Lennerbrant, Axel Engström und Hanna Antonsson gespannt über schwedische Genderfragen, Bandleben und ihr erstes internationales Album "The Majority Says", das ab heute im Handel ist, zum Frage-Antwort-Spiel bitten. 

 

motor.de: Ihr kennt euch alle schon seit einer ziemlich langen Zeit (uns ist klar, dass dieser Fakt bei so ziemlich jedem Interview hervorgehoben wird), aber wann genau kam die Idee auf, gemeinsam Musik zu machen? War es etwas, was schon von klein auf als Plan geschmiedet wurde oder erst, als ihr einander besser kennengelernt habt.

Jonathan: Ich habe Matthias in der vierten Klasse kennengelernt. Angefangen, Musik zu machen, haben wir, als ein Mädchen, das Luisa heißt, dazu gekommen ist. Gemeinsam haben wir eigentlich den Beginn der Band gegründet und das kann man auch als den Zeitpunkt bezeichnen, als der Traum, die Idee oder Inspiration aufkam. In der darauffolgenden Zeit haben wir ein paar Bandmitglieder gewechselt. Es ist ein großes Projekt, sodass man wirklich motiviert sein muss und das nicht zuletzt, weil man ziemlich eng zusammenarbeitet. Und ich denke, dass wir das nun tun in der Sechserkonstellation – in der sechsköpfigen Familie, wie es sie heute gibt.

 

 

motor.de: Und wann stand für euch fest, dass ihr wirklich als professionelle Musiker in das Musikbusiness einsteigen wollt?

Jonathan: Wahrscheinlich, als Hanna und Axel in die Band kamen, denn dann hatten wir ziemlich große Pläne mit der ganzen Geschichte, wie beispielsweise das Aufnehmen von Alben und Tracks. Und das war irgendwie der Punkt, als es etwas anderes wurde als bloß ein Hobby.

 

motor.de: In einer kleinen Dokumentation zu eurer Band hieß es bezüglich eures Bandnamens „The Majority Says“, dass ihr euch damit auf gesellschaftliche Themen beziehen würdet. So zum Beispiel auf die Thematik, innerhalb oder gegebenenfalls auch außerhalb einer großen Masse zu stehen. Trifft das so zu? 

Axel: Also, eigentlich ist es so, dass Hanna und ich eher weniger Einfluss auf die Wahl des Bandnamens hatten, da darüber schon entschieden wurde, bevor wir in die Band eingestiegen sind. Irgendwie ist es nur ein Name, aber man versucht natürlich im Nachhinein einen Grund zu finden, warum wir nun genau diesen Namen gewählt haben.

Jonathan: Einen Bandnamen auszuwählen, ist fast so, als müsstest Du deinem Kind einen Namen geben. Du musst den Namen irgendwie mögen und manchmal weiß man einfach nicht, warum einem einer gefällt. Und wir wissen eigentlich immer noch nicht, warum uns dieser Name gefällt.

 

motor.de: Ich habe aufgeschnappt, dass ihr nicht versucht, über politische Themen zu singen oder Revolte zu betreiben. Es ginge euch vielmehr um die Frage der Identität, die wahrscheinlich besonders unsere Generation beschäftigt, sowie die der Bedeutung des Großwerdens. Wie würdet ihr die Identität eurer Band beschreiben? Fühlt ihr euch als Band in dieser bereits gefestigt?

Jonathan: Das ist schwierig. Wir sind sechs Leute und wir alle machen etwas zusammen. Und das macht es schwer, eine (!) Identität der Band hervorzuheben. Deshalb denke ich, dass wir immer sechs verschiedene Images, sechs unterschiedliche Identitäten in uns als Gruppe tragen werden.

 

motor.de: Wie sechs Teile, die ineinander gefügt sind?

Jonathan: Ja, irgendwie schon. Und man versucht, diese in Eines zu packen. Jedoch ist das schon ziemlich schwer.

 

motor.de: Und wenn wir schon über Identität und dessen Findung sprechen: Ihr hört doch mit Sicherheit nicht alle die gleiche Musik, die euch in gewisser Weise beeinflusst, oder?

Jonathan: Doch, schon.

Hanna: Nein, nein, das tun wir mit Sicherheit nicht!

Jonathan: Die Band besteht schon irgendwie aus unterschiedlichen Soundeinflüssen. So machst Du (auf Axel zeigend) teils Hiphop Sachen und ich höre auch mal in kommerzielle Radiogeschichten rein. Wieder ein anderer interessiert sich dann für folkige Dinge und Du (auf Hanna zeigend) hast vorher was in die Jazz Richtung gemacht. Doch, wir hören immer noch viel unterschiedliche Musik.

 

motor.de: Außerdem meintet ihr mal, dass es euch weniger um die Perfektion der gespielten Akkorde, sondern vielmehr um die Energie ginge, die mit den Liedern fließt. Woher nehmt ihr eure Energie hierfür?

Hanna: Wir haben live recorded – das bringt dann die Energie und den passenden Flow auf der Platte, wenn wir alle zusammenspielen.

Axel: Ich bekomme meine Energie immer daher, dass ich mich kurz, wenn wir live vor vielen Zuschauern spielen, einmal zu Matthias umdrehe. Das gibt mir dann das Gefühl, dass wir das hier gerade zusammen machen.

 

motor.de: Ihr würdet somit sagen, dass ihr einfach grundsätzlich eine gute Gruppenenergie habt?

Jonathan: Ja, genau. Wobei ich denke, dass es etwas vollkommen anderes wäre, wenn einer von uns im Vordergrund stehen würde und "die Band" wäre.

 

motor.de: Eure Band wirkt sehr einheitlich dadurch, dass ihr keinen Bandleader habt. Würdet ihr dennoch sagen, dass sich eure Freundschaft durch die gemeinsame Arbeit und das Herumtouren in den vergangenen Jahren verändert hat?

Axel: Nicht so viel. Ich habe andere Freundschaften oder Jobs kennengelernt, die Beziehungen von Menschen in vielerlei Hinsicht stark beeinflusst haben. Wir haben miteinander immer noch eine Menge Spaß.

Hanna: Wir machen unter anderem auch viele andere Dinge, die nichts mit Musik zu tun haben und unsere Freundschaft beleben. Außerdem sprechen wir auch einfach viel und teilen Dinge miteinander, was sehr hilft.

Jonathan: Trotzdem haben wir auch manchmal zu viel voneinander (lacht). Ja klar, aber das ist doch auch ganz normal.

Axel: Aber insgesamt kommen wir sehr gut miteinander aus. Ich kenne nämlich andere Bands, die das nicht so gut hinbekommen und oft aufeinander rumhacken. Wir sind tatsächlich Freunde!

 

motor.de: Wenn nun jemand käme und sagen würde: "Hej, ihr habt den Tag heute frei!", was würdet ihr als Erstes machen?

Axel: Ich würde Skateboarden, wenn das Wetter gut wäre (lacht). Ansonsten würde ich in eine kleine Hütte fahren oder Schwimmen gehen.

 

motor.de: Dir liegt die Natur..

Axel: Ja, die Natur ist wichtig! Doch vielleicht mag ich auch einfach Szenarien in besonderen Umgebungen im Allgemeinen sehr. Ich lebe außerhalb einer kleinen Stadt, in der es in der Nacht vollkommen still ist. Dann kann man einfach sein Board schnappen und die kleinen Straßenhügel runterfahren (lächelt).

 

motor.de: Braucht ihr diese Ruhe auch für die Inspirationen eurer Texte oder entstehen diese eher, wenn ihr unterwegs seid?

Axel: Das letzte Album, das diesen Freitag erscheint, ist in absoluter Ruhe entstanden. Aber was das Nächste betrifft, kann man nur schwer sagen, ob das wieder möglich sein wird. Wir hoffen jetzt natürlich sehr darauf, viele Möglichkeiten für Auftritte zu bekommen und ein weiteres Album zu produzieren. Das würde jedoch auch bedeuten, dass wir das nächste Album vielleicht im Tourbus schreiben müssten. Manchmal kommen einem spontan Inspirationen im Bus, wie beispielsweise erst gestern zu einem besonderen Beatmix. 

Jonathan: Ich glaube einfach, dass wenn man Dinge immer und immer wieder macht, man einfach besser darin wird. Es wird einfacher, in die richtige Stimmung zu kommen, in der es zunehmend leichter wird, Lieder zu schreiben. Und das auch, wenn Du nicht bereit dafür bist. Denn am Anfang brauchst Du für das Schreiben einfach eine bestimmte Stimmung, die passende Inspiration. Wir sind jedoch zunehmend in der Lage, uns hinzusetzen und unser Bestes zu geben. So wie Du sagst, wenn wir unterwegs sind, dann müssen wir wohl oder übel in der Lage sein, dort auch Lieder komponieren zu können. Und dann nimmst Du die Inspiration einfach von überall.

 

motor.de: Könnt ihr für die Leute, die euch noch nicht so gut kennen, kurz den Sound eurer neuen Platte beschreiben?

Axel: Da ist nicht nur "der eine" Sound auf der Platte. Wenn wir zum Beispiel ein Lied machen wollen, das punkinspiriert sein soll, dann hauen wir einfach voll rein. Und dann ist da beispielsweise noch ein Balladensong und ein folkiger Song. Wir haben versucht, ein weitreichendes Album zu machen. Es fällt nur schwer, ein Album, an dem man schon so lange Zeit gearbeitet hat, in kurzen Worten zusammenzufassen.

 

motor.de: Und nun eine Frage an Hanna, die sie vermutlich immer und immer wieder gestellt bekommt: Wie fühlt es sich an, unentwegt von fünf Jungs umgeben zu sein?

Hanna: (lacht) Das werde ich tatsächlich immer wieder gefragt. Es ist schon anders von Männern umgeben zu sein als von Frauen, denn wir sind irgendwie unterschiedlich. Aber ich denke nicht so sehr darüber nach. Es ist nicht allzu wichtig. Wir behandeln einander nicht, wie „Oh, Du bist ein Mädchen. Oh, Du bist ein Junge.“.

 

motor.de: Ich verstehe, was Du meinst. Es ist hierbei auch eher weniger eine Gender-Frage, was im Übrigen ein großes Thema in Schweden zu sein scheint. Ihr habt nämlich diese spannende "Hen"-Diskussion. Was ich mit meiner Frage eigentlich ausdrücken wollte war vielmehr, dass Männer in der Regel schon etwas rauborstiger im Umgang untereinander sind, ohne es direkt zu merken.

Jonathan: Ich denke, so ist es mal gewesen, oder vielleicht ist es auch manchmal noch so. Aber das ist nicht, wie wir es gerne hätten. Wir versuchen, einen Wandel zu vollziehen. Das jetzt ist die Zeit, wenn alte Menschen, mit den alten Verhaltensweisen und Ansichten, die Welt betrachten. Und wir versuchen, Neues zu schaffen und den Leuten zu zeigen, wie es eigentlich ist.

motor.de: Wenn ihr euch in eine Reihe mit anderen Künstlern stellen müsstet, wer wäre das?

Axel: Jemand meinte mal, dass… puh, wer nur.

Hanna: Ich denke, dass wir schon mal The Cardigans als Vergleich gehört haben.

Axel: Ja, genau The Cardigans. Und irgendeine andere Band.

Jonathan: Ich denke, dass es Monsters Of Men gewesen sind. Aber ich würde nicht gerne mit denen zusammenspielen. Ich bin ein großer Fan von Queen. Eigentlich habe ich mit denen auch angefangen, zur Musik zu finden. Bereits als Kind hab ich begonnen deren Musik zu hören. Ich vermisse Freddie Mercury so sehr. Zwar kannte ich ihn nicht, aber ich vermisse ihn einfach so sehr!

 

motor.de: Habt ihr irgendwelche großen Hoffnungen oder Träume, die mit der Erscheinung eurer neuen Platte zusammenhängen?

Axel: Ja, ich will das hier öfter machen. Mehr Interviews und mehr Auftritte.

 

motor.de: Also, kein Problem. Ruft uns gerne jederzeit an, wenn ihr in Berlin seid – Wir sind gerne wieder für ein Interview mit euch zu haben!

Axel: Großartig! Es ist seltsam darauf zu warten, dass das Album erscheint. Es kommt mir schon so vor, als sei es draußen, weil wir schon so lange daran basteln. Eigentlich will ich einfach nur noch mehr Musik mit all den Leuten hier machen. Oder, wie seht ihr das? (zeigt auf Hannah und Jonathan)

Jonathan: Dieses Wochenende ist übrigens der erste Part von unserer Herbsttour.

 

Also, live vor einer große Masse an Leuten zu stehen ist das, was euch am meisten mundet?

Axel: Ja, eigentlich ist das der beste Part von allem. Ich hatte am Anfang, um ehrlich zu sein, ein wenig Angst davor, als ich in die Band gekommen bin. Denn ich habe davor schon in einer Band gespielt, die irgendwie etwas seltsam war, wenn es zu Dingen auf der Bühne kam. Und ich habe zu mir selbst gesagt, dass ich nie wieder auf die Bühne gehen werde. "Ich kündige!" Aber dann hat Timo mich angerufen und…

Jonathan: Zu Beginn hat er „Nein!“ gesagt! (lacht)

Axel: Ja (lacht), zu Beginn habe ich noch gesagt: ‚Nein, ich kann keinen Bass spielen.‘ Und irgendwie bin ich jetzt doch hier.

Jonathan: Timo kann jeden überzeugen!

(Alle lachen)

 

motor.de: Und wo seht ihr euch in ein paar Jahren? Könntet ihr euch sogar eventuell vorstellen, nach Berlin zu ziehen?

Axel: Wir haben darüber gesprochen.Vor einem Jahr hatten wir vor, nach Berlin zu gehen.

Jonathan: Es fühlt sich zum Teil schon so an, als lebten wir hier.

Axel: Ja, manchmal. Wir kommen rum und kennen die Straßen. Eigentlich würde ich nirgendwo fest leben wollen, sondern einfach im Bus.

Jonathan (lacht): Du würdest gerne überall leben!

Axel: Ja, irgendwie schon. Überall. Daher sehe ich mein Leben vermutlich genau dort in zehn Jahren: Auf Tour.

Jonathan: Aber ich würde gerne das Gleiche machen, was wir gerade tun. Ich mache das eher weniger, um ein weiteres Level zu erreichen. Das hier ist ein Teil von allem.

 

motor.de: Aber habt ihr dann mehr die Angst, dass wenn eure Platte durch alle Decken schießt und ihr euch plötzlich vor all der Berühmtheit nicht mehr frei auf den Straßen von Berlin bewegen könnt?

Hanna: Ich denke, dass wir zum Teil darüber sprechen. Es fühlt sich an, als könnte es irgendwann so sein. Aber wir halten uns an den lustigen Dingen fest und versuchen, es nicht zu ernst zu nehmen.

Jonathan: Vielleicht ist es das Beste… ich spiele bereits seit zehn Jahren. Deshalb fühlen sich jetzt zehn Jahre wie nichts an. Ich denke, dass wir uns einfach Zeit nehmen, um zu wachsen. Und das Leben als Musiker genießen.

Axel: Es ist einfach so ein langer Weg. Wir spielen nun schon seit vier Jahre zusammen, immer mit dem Traum, große Bühnen zu bespielen und viele Platten zu veröffentlichen.

Jonathan: Ich habe auch irgendwie Mitleid mit den Bands, die direkt durch die Decke schießen.

 

motor.de: Vielen lieben Dank für das Interview! Gibt es noch etwas, das ihr teilen wollt?

Axel: Ja. Friede, Liebe und Verständnis.

 

motor.de: Ja, das ist in der Tat eine wichtige Botschaft.

Axel: Ja, das liebe ich. Und Sex. Aber das schließt Liebe vielleicht schon mit ein?!

Hanna: Ja, das tut sie!

 

(Foto: vonWELT // Interview: Hannah Ziegler)