Es gibt einiges zu erzählen über Mark Ronson, den britischen Star-Produzenten mit Wohnsitz in New York City. Er ist einer der bekanntesten DJs des Planeten, die Opinion-Leader der Modeszene verehren ihn, die HipHop-Elite und die In-Crowd in den Clubs sowieso. Im anglophonen Sprachraum nennt man ihn respektvoll den “Über-Producer”, er ist Solokünstler, Bandchef, Labelboss und liebevoller Vater eines wunderhübschen schwarzen Bordercollie-Weibchens namens Maude, also mehr als sich in der Regel in ein durchschnittliches Jet-Set-Leben hineinpacken lässt, in dem der Tag auch nur vierundzwanzig Stunden hat.
Vielleicht kennen Sie ja seine Version des Radiohead-Stückes “Just”, die einmal ordentlich durchgeschüttelte und mit HipHop-Beats und Soul- und Funk-Elementen angereicherte Version, auf der Alex Greenwald von Phantom Planet singt und die Clubs und Radiosender rund um den Globus in Aufruhr versetzt hat? “Just” war eine Art Testballon für Mark Ronsons neues Album “Version”. “Version” ist ein Meisterwerk, für das Mark seine Lieblingssongs kongenial neu interpretiert hat. Mark Ronson ist ein Pop-Voyeur und ein Experimentalist, er bewundert die Originale und er arbeitet mit ihnen, er huldigt ihrer Einzigartigkeit und Brillanz und er verpasst ihnen ein atemberaubendes neues Gewand – und spart dabei nicht an lebensbejahend schmetternden Bläserarrangements.
Das Album vereinigt einige der verehrungswürdigsten Pop-Sängerinnen und -Sänger unserer Zeit, darunter posthum DirtMcGirt, besser bekannt als ODB, dessen knallharte Reime mit Britneys Hochgeschwindigkeits-Hit “Toxic” vermischt wurden, Robbie Williams, der “The Only One I Know” der Charlatans mit einer Inbrunst singt, als wäre es schon immer sein Lied gewesen und Ronson-Buddy Lily Allen, die eine phänomenale Version von “Oh My God” der Kaiser Chiefs abgeliefert hat.
Es gibt eine in Funk getauchte Neu-Interpretation von “Pretty Green” von The Jam, donnernde Remixe von “Amy” von Ryan Adams, “God Put A Smile On My Face” von Coldplay voll aufbrausender Crescendos und Euphorie, die einen tollen Kontrast bilden zur eigentlich herzzerreißenden Melancholie der Originale und “LSF” von Kasabian. Dazu natürlich die erste Single “Stop Me”, die Ronson-Variante der Smiths-Hymne “Stop Me If You’ve Heard This One Before” (gemischt mit “You Keep Me Hanging On” der Supremes).
“Ich war mir nie bewusst, wie sehr es meinen Geschmack beeinflusst hat, dass ich in England aufgewachsen bin”, sagt Ronson. “Als ich jünger war, habe ich HipHop aus den späten Achtzigern und frühen Neunzigern gehört, den Def-Jam-Katalog rauf und runter, ‚Mama Said Knock You Out’ von LL Cool J und so was, aber Blur und Wonder Stuff und The Brand New Heavies waren genauso wichtig. Auf meinem ersten Album hatte ich Künstler wie Mos Def und M.O.P. als Gäste. Diesmal geht es um etwas anderes, trotz der großen Namen. Auf dieser Platte sind die Songs selbst meine Gaststars.”
“Als DJ versucht man doch immer, die Genregrenzen zu überwinden und verschiedene Stile spielerisch zusammenzubringen. Für ‚Version’ sind die Songs, die mir am meisten am Herzen liegen, in ein maßgeschneidertes Siebziger Jahre Motown/Stax-Kostüm geschlüpft. Ich habe viel Respekt vor diesen Stücken, ich versuche, etwas hinzuzufügen oder einen Groove zu verändern, ohne die Seele der Songs zu berühren. Ich denke nicht: ‚So ein lumpiges Stück, dass kriegt jetzt von mir eine Runderneuerung.’ Ich versuche vielmehr, einem perfekten Song etwas zu schenken, das ihn noch schillernder erscheinen lässt.”
“’93 habe ich als DJ in Downtown New York angefangen und für jeden aufgelegt, der mir fünf Dollar gegeben hat”, erzählt Ronson. “Irgendwann fing ich an, gut zu werden und habe mir einen hübschen Ruf aufgebaut. Das war kurz bevor HipHop endgültig den kommerziellen Durchbruch geschafft hat. Die Fashionwelt fand HipHop dann auch supercool, das habe ich ein bisschen ausgenutzt. Mache ich jetzt nicht mehr so. Die Musik ist mir zu wichtig, als dass ich für immer der super-hotte Lieblings-DJ der Promis bleiben will. … Ich liebe Auflegen immer noch, keine Frage. Freitags läuft meine East-Village-Radiosendung und dann bin ich auch oft mit meinen Jungs im YOYO in London, ein Spitzenclub.”
Marks Debütalbum “Here Comes The Fuzz” erschien 2003 bei Elektra Records, unglücklicherweise quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit, kurz bevor das Label dichtmachen musste. Das Album enthielt den Single-Hit “Ooh Wee” mit Ghostface Killah und Nate Dogg und Ronson war kurz vor Schluss zu Gast bei Top Of The Pops, ein anderes Kapitel Musikgeschichte, das inzwischen abgeschlossen ist.
Ronsons Terminkalender als Produzent war in den vergangenen zwölf Monaten üppig gefüllt- von der Arbeit an seinem eigenen Album ganz abgesehen. Er hat Stücke produziert für Christina Aguilera, Robbie Williams, Lily Allen, Amy Winehouse, Domino (die beste Dubby-Indie-Band mit weiblicher Frontperson der Welt – die müssen Sie hören) und seine Protégés Rhymefest und Daniel Merriweather von seinem Label Allido. In der Vergangenheit war er außerdem als Produzent beteiligt am Soundtrack des Jay-Z-Films “Fade To Black” und an ODBs letzten Studioaufnahmen, machte Remixe für Air und “99 Problems” von Jiggaman und arbeitete mit Outkast, De La Soul und M.O.P.
Die Geschäfte laufen gut bei Mister Ronson. Sein Label Allido Records, das er zusammen mit Rich Kleimann betreibt, veröffentlichte “Blue Collar”, das Debütalbum des Grammy-Gewinners Rhymefest, in den nächsten Monaten folgt das Album des jungen Australiers Daniel Merriweather (der auf “Stop Me” zu hören ist und klingt wie Otis Reding auf E während er mit Johnny Marr und den Bar-Kays jammt) und der Soundtrack zum Film “Half Nelson”.
Ohne “Version” geht in diesem Sommer gar nichts. Mark Ronson ist leider der ganz heiße Scheiß, ob ihm das passt oder nicht.
promo@sony
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