Joy Denalane macht ein neues Album und Neil Young & James Taylor waren die ersten FK-Allstars – Max Herre im Gespräch mit motor.de.

Max Herre, ehemaliger Freundeskreis-Frontmann und Rapper, ist zur Zeit mit “Ein Geschenkter Tag” auf Tour und hat sich auf seinem zweiten Soloalbum endgültig vom Hip Hop verabschiedet. Im Interview sprach er über die Anfänge seiner musikalischen Karriere, warum das Songwriting besser zu seiner derzeitigen Gefühlswelt passt und ein mögliches neues Allstar Projekt mit Clueso

motor.de: Deine Tour hat gerade angefangen, du hast inzwischen drei Konzerte gespielt…

Max: Ja, aber ich fühl mich eher, als wären es 40 gewesen! Wir haben ein bisschen gefeiert, das macht man am Anfang ja immer, und dann war ich zwischendurch noch bei den EMA’s in Berlin und heute sind wir aus München hergefahren. Aber es macht Spaß, es ist eine tolle Band und die Venues sind auch echt schön.

motor.de: Denkst du, die Leute warten besonders auf deine alten Freundeskreis Hits oder werden die neuen Sachen auch gut aufgenommen?

Max: Klar ist es schön “ANNA” zu hören, weil man da wahrscheinlich auch weniger damit rechnet. Aber die Reaktionen sind wirklich gut, gestern haben die Leute alles mitgesungen. Natürlich nicht alle, aber es gab viele, die sowohl die alten, als auch die neuen Sachen mitsingen konnten. Ich glaube nicht, dass die Leute auf irgendwas warten oder enttäuscht sind, wenn ich die neuen Sachen spiele.

motor.de: Hat sich mit deinem Stilwechsel auch deine Zielgruppe verändert?

Max: Ja klar, die Platte muss sich ihr Publikum natürlich erstmal suchen. Den Leuten muss erst klar werden, dass das nicht mehr Rap ist. Diejenigen, die eher ein Rapalbum erwartet haben, finden das vielleicht nicht so wahnsinnig prickelnd und die anderen wissen noch nicht so richtig, dass es etwas ist, was ihnen gefallen könnte. Es sind schon noch einige von früher dabei, aber es kommen auch immer mehr neue dazu.

Max Herre – Geschenkter Tag


motor.de: Ihr habt vor den Konzerten immer eine Art Schlachtruf, was ist das grade?

Max: Ja! Grade ist das…lass mich überlegen… “Mehr als gestern, weniger als morgen!” – sowas in die Richtung. Es wird also immer besser [lacht].

motor.de: Du hast ja auch früher schon richtiges Songwriting gemacht, z.B. bei “ANNA”. Gab es auch Stücke, die du mit Freundeskreis nicht realisieren konntest, weil es zu wenig Rap war?

Max: Nein, mit Freundeskreis ging alles. So wie immer alles geht. Wer soll einem sagen, dass es nicht geht? Das war das Tolle, dass wir in unserer gesamten musikalischen Karriere das machen konnten, was wir wollten und immer die Unterstützung hatten. Damals von Four Music und jetzt auf meinem eigenen Label. Da gibts niemandem der sagt, ‘das oder das geht nicht’. Es geht immer das, was man fühlt.

motor.de: Also gibt es kein altes Material, das nicht veröffentlicht wurde?

Max: Klar, doch. Vor Freundeskreis habe ich schon acht Jahre lang in Bands gespielt, da gibt es viel Material. Vor allem auf Englisch. Viel Reggae, Soul und Funk. Posthum dürft ihr das dann hören [lacht]. Ich hab Demos von früher, eine Kassette gibt es von Studioaufnahmen mit der Band Seedless Jam, da war ich 16 und das war eine reine Gesangssache. Rap kam erst durch meinen Bruder. Der ist zweieinhalb Jahre jünger als ich, und bis ich 19 war, hat mich das gar nicht interessiert, ich fand Reggae und Soul viel interessanter. Mein Bruder brachte das dann eben nach Hause – De La Soul, A Tribe Called Quest und diese Sachen, dann hab ich das immer mehr eingebaut. Und dann gab es in Stuttgart eben auch diese Szene, das war die Musik der Stunde und man wollte Teil davon sein, sich da ausleben.

motor.de: Warum hast du dich schnell dafür entscheiden, deutsche Texte zu schreiben?

Max: Am Anfang haben alle auf Englisch gesungen und gerappt, damals gab es eigentlich nichts deutschsprachiges, was ein Vorbild hätte sein können. Das kam erst mit Advanced Chemistry oder solchen Bands, da hat man gemerkt, dass man mit dieser Sprache doch was machen kann, was cool ist. Meinen ersten Text hab ich als Hausaufgabe geschrieben. Ich sollte ein Gedicht schreiben und hatte keine Lust drauf, also ist ein Rap daraus geworden. Damals habe ich auch in Clubs gerappt und die Massiven kennen gelernt. Die wenigen deutschen Texte, die ich hatte fanden die am besten, selber hatten sie auch deutsche Sachen. So habe ich gemerkt, dass sich eine ganze Welt auftut. Wenn man was Englisches macht, kopiert man letztendlich. Zum Teil waren das Fragmente von anderen und nicht mal eigene Texte. Mit der Sprache kamen dann auch die eigenen Geschichten und es wurde viel authentischer.

motor.de: Kannst du dir vorstellen, mal wieder was in Richtung Hip Hop zu machen?

Max: Ausschließen kann ich das nicht. Aber als Texter ist es nicht das, was mich grade interessiert. Musikalisch…ja doch, da schon. Ich hab auch für die Platte gesammelt, es liegen sicher an die 60 Beats rum. Aber ich hab mich für was anderes entschieden, weil die Gesangssachen prägnanter waren, und weil das mehr mit dem zu tun hat, was ich gefühlt habe und mit dem, wie ich mich präsentieren will.

motor.de: Liegt das auch ein bisschen daran, dass du diesmal eine in sich stimmigere Platte machen wolltest? Auf der letzten war das ja noch eine bunte Mischung.

Max: Das war Kraut und Rüben, sags ruhig [lacht]! Das war eine Produzenten Platte, die ich zwischen den beiden Joy Alben gemacht hab. Ich bin nach Berlin gezogen, hab in Stuttgart oder Hamburg aufgenommen, und hab Musik gesammelt, bis es irgendwann genug war, um ein Album daraus zu machen. Aber es gab keinen roten Faden, außer mich als Protagonisten. Und natürlich wollte ich dann irgendwas machen, was als Album funktioniert und homogener ist. Etwas, das eine Geschichte verfolgt, das man einlegt und hört und das ist dann eine Welt. Also musste ich mich irgendwann für die eine oder andere Richtung entscheiden. Ich fand die Rap-Sachen weniger gut und hatte zwar angefangen, erste Reime zu schreiben, aber es kam mir aufgesetzt vor. Das war nicht ich, es hatte nichts zu sagen.

Max Herre – Zu elektrisch

motor.de: Bei den Konzerten spielst du aber auch noch alte Sachen…

Max: Ja. Aber eben auch nur die Songs. “ANNA” ist ein richtiger Song, “Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte” auch. Das sind Folk-Samples, die eine ganz klare Instrumentierung haben. Da gibt es dann auch keinen richtigen Bruch für mich, was zeigt, dass das alles nicht so weit von einander entfernt ist.

motor.de: Aber sowas wie “Zu Elektrisch” kannst du dann natürlich nicht spielen.

Max: Nee, das geht in einem akustischen Set natürlich nicht. Aber “Zu Elektrisch” ist auch die größte Ausnahme in den Sachen die ich gemacht habe. Das ist eigentlich ein totales “Stand-Alone Stück”. Das find ich dann auch immer ganz witzig, wenn Leute darauf anspielen und sagen: „Hey, wo ist denn der Typ hin, du hast doch früher was ganz anderes gemacht.“ Und ich denk dann nur: „Ach Leute, das war doch nur ne Laune.“ Das ist ein gutes Stück, aber eines das mit einem Augenzwinkern entstanden ist und sicher nicht für mein musikalisches Schaffen in den letzten 15 Jahren steht.



motor.de: Also war auch das Bild in dem Video von dir eher als Scherz gedacht?

Max: Klar, da ist die Eitelkeit mit mir durchgegangen. Das war so der Showman der alles kann. Das ist jetzt auch anders. “Blick nach vorn” ist das was ich jetzt bin. Das wurde ja in Berlin gedreht, wahrscheinlich das erste Video, das nicht in fünf verschiedenen Städten gedreht wurde. Das ist toll an Berlin, es ist alles sehr urban, man muss einfach nur raus vor die Tür gehen.

motor.de: In deiner Heimatstadt Stuttgart spielst du gleich zwei Konzerte – denkst du, dass du dort immer noch die meisten Fans hast?

Max: Nein, das hat damit eigentlich nichts zu tun. Das war nicht geplant, aber die Tickets haben sich so gut verkauft. Das ist natürlich auch ein Trick: man macht die Venues so klein, dass alle denken es wollen so viele kommen, dass man gleich zwei Mal spielen muss [grinst]. Die Idee war auch, die Konzerte nicht so groß zu machen um die Intimität der Platte besser rüber zu bringen und das so zu machen wie früher die Jazzbands. Ein Gastspiel zu haben, am Abend ins Hotel zu gehen und am nächsten Tag noch mal aufzutreten.

Max Herre – Blick nach vorn
motor.de: Deine neuen Songs sind teilweise sehr persönlich, hast du da manchmal Bedenken, zu viel von dir preiszugeben?

Max: Nein. Für mich gibt es einen großen Unterschied zwischen den Sachen, die persönlich sind, und dem was so intim ist, dass es die Privatsphäre verletzt. Vielleicht war das auch ein Grund – Rap ist sehr sezierend, da will mans bis ins Kleinste wissen. Die Sachen, die ich geschrieben habe, befassen sich eher mit den Emotionen hinter einer Geschichte. Damit sind sie genauso persönlich, ohne jedoch zu privat zu werden. Das schützt natürlich zum einen mich, auf der anderen Seite lässt es aber auch Platz für die Geschichten der Hörer. Ich denke, jeder ist schon durch eine Trennung gegangen und kann mit einem Song wie “Scherben” was anfangen, weil er weiß worum es geht und das Gefühl kennt. Für mich ist es dann ein guter Song, wenn jemand etwas für mich sagt, meiner Geschichte aber trotzdem Platz gibt.

motor.de: Kannst du dir in Zukunft auch wieder ein Projekt wie FK Allstars vorstellen, oder siehst du dich inzwischen ganz als Solokünstler?

Max: Nein, das kann ich mir durchaus vorstellen. Ich bin ja jetzt auch mit einer Band unterwegs und mache nicht alles alleine. Das ist auch gar nicht so weit weg. Ich habe viel mit Clueso gearbeitet und wir denken immer, dass wir so ein Projekt mal starten wollen. Vielleicht nicht mit 12 Leuten auf der Bühne wie bei FK Allstars, aber ich bin auf jeden Fall ein Teamplayer.



motor.de: Wie hast du Clueso denn kennen gelernt?

Max: Erst über das Label. Clueso ist ja auch als ganz junger Künstler zu Four Music gekommen, um 2000, da hatten wir schon “Esperanto” und “Quadratur des Kreises” gemacht. Und er war da auch sehr gut aufgehoben. Four Music kommt aus dem Hip Hop, war aber schon immer offen für anderes. Und das war auch Cluesos Werdegang. Er war ein MC der immer schon gut singen konnte, die Refrains gesungen und mit verschiedenen Instrumenten experimentiert hat, bis dann eben dieses Songwriting immer wichtiger geworden ist und er Rap über Bord warf, weil das andere mehr Freiheit für ihn bedeutete. Wir verstehen uns gut und unsere Stimmen passen gut zusammen. Also haben wir zusammen getextet, für ihn was gemacht und auch für mich. Dieses Konzept ist ja auch nicht neu. Neil Young hat auch schon mit James Taylor zusammen gesungen, das ist im Singer/Songwritertum halt so üblich. Das waren damals schon die FK Allstars der Folkmusik.

motor.de: Gibts auf deinem Label Nesola auch was Neues?

Max: Ja, Joy macht eine neue Platte, die kommt nächstes Jahr. Und Laura Lopez Castro macht auch eine, die kommt im Frühjahr.

motor.de: Produzierst du da auch wieder mit?

Max: Nein, diesmal nicht. Aber ich hätte Lust wieder zu produzieren, mal sehen was sich da ergibt. Das macht mir auf jeden Fall auch Spaß. Kommt natürlich immer auf den Künstler an. Ich kann auch nicht sagen, dass es mir weniger Spaß gemacht hat, für Joy Platten zu machen als meine eigenen. War auch nicht weniger Arbeit.

motor.de: Du coverst auf “Ein Geschenkter Tag” einen Udo Lindenberg Song, in dem es um die Ost-West Trennung geht. Wie hast du den Mauerfall erlebt?

Max: Wahrscheinlich wie jeder Westdeutsche: Vor dem Fernseher. Ich war ja damals in Stuttgart, nicht in Berlin. Aber es hat sich ja angekündigt über die Monate, es gab diese Ausreisewellen, wenn der Zaun mal aufgemacht wurde, die offenen Grenzen in Ungarn und die Montagsdemonstrationen. Und dann war plötzlich diese Mauer unten. Ich war dann immer wieder mal über Silvester in Berlin, 1989 glaube ich auch. Da waren wir natürlich auch in Ost-Berlin. Auf der Oranienburger Straße gab es damals einen Kellerklub neben dem anderen, mit einem Dixie Klo davor und zwei Bierbänken. Das war auf jeden Fall eine aufregende Zeit.

motor.de. Wo wir gerade in Erinnerungen schwelgen- kannst du noch mal erzählen, wie “Halt dich an deiner Liebe fest” damals entstanden ist?

Max: Wir sind angefragt worden, einen Scherben Song zu covern, für den Film “23”. Und wir haben uns dann “Halt dich an deiner Liebe fest” ausgesucht. Ich hab damals mit Dub Dirk zusammen gewohnt, der 7 Inches gesammelt hat und in kleinen Clubs schon vor 15 Jahren Gentleman gebucht hat, so hab ich den auch kennen gelernt. Und da lief halt den ganzen Tag Roots Reggae – einmal hab ich dann den Song “Police & Thieves” gehört und drauf gesungen. Und es hat funktioniert.

motor.de: Haben dich Ton Steine Scherben denn auch sonst beeinflusst?

Max: Nicht so sehr wie Udo. Das ist schon so meine Kindheit. Aber mit 20 hab ich mir dann auch mal “Keine Macht Für Niemand” angehört. Das hab ich dann auch eher intellektuell verstanden, als wirklich gefühlt. Das hat sich in den letzten 10 Jahren dann so entwickelt. Und ich hatte die Band auch für “Ein Geschenkter Tag” im Kopf.

motor.de: Abschließende Frage – was machst du normalerweise nach dem Konzert?

Max: Heute geh ich schlafen. Aber sonst sitzt man noch ein bisschen zusammen und trinkt was, es kommen auch immer wieder Freunde zu Besuch. Und man betreut natürlich die Heerscharen an Groupies [lacht].

Interview: Juliane Sondermeyer