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Kraftklub wollen nicht nach Berlin und Fabian Schuetze alias Me And Oceans kehrt der Hauptstadt ebenfalls den Rücken zu. Warum Leipzig für ihn die Kulturhauptstadt dieses Landes ist, erklärt er im motor.de-Interview.
(Foto: analogsoul)
Fabian Schuetze kann die Finger einfach nicht still halten. Der 27-jährige Wahlleipziger kocht an diversen Projekt-Töpfen mit, neben der Band Jaara sowie dem Kammerpop-Trio A Forest musiziert der Autodidakt auch solo unter dem Namen Me And Oceans. Unter diesem Pseudonym veröffentlichte er 2010 den ersten Langspieler “Lakes” und zu Beginn des Jahres die Platte “The Pond“. Das zweite Album verzichtet mit Vorbehalt auf unnötige Phrasierungen und konzentriert sich stattdessen auf die wesentlichen Merkmale der Popmusik. Entstanden sind dabei sieben introvertierte Stücke, die zumeist auf einer sich wiederholenden Grundfigur aufbauen und vom warmen Bassgesang Schuetzes getragen werden. Zusätzlich ergänzt der gebürtige Jenenser diesen Klang mithilfe des Computers noch um ein paar Loops und rhythmische Samples.
Nebenbei ist er noch Mitbegründer des Leipziger Labels analogsoul, das mit Künstlern wie Mud Mahaka, Klinke Auf Cinch und Wooden Peak bewusst Musik außerhalb des Mainstreams unterstützt. Und, weil der Komponist sich mit diesem Potpourri an Aufgabenfelden nicht zufrieden stellen kann, gibt er mehrmals im Jahr zusätzlich Songschreibe-Workshops an Schulen. Diese Tätikeit macht laut eigenen Aussagen großen Spaß und erdet ihn innerhalb der schwammigen Musikbranche.
motor.de: Du bist Mitbegründer von analogsoul und hast dich mit “The Pond” auch sehr dem Analogen verschrieben. Was ist für dich das Faszinierende daran?
Fabian Schuetze: Ich glaub da sagen alle Leute, die dafür sind, dasselbe. Dass Maschinen etwas anderes sind als Einsen und Nullen, weil sie Seele haben. Sie können kaputt gehen, man muss sich um sie kümmern und kann sie anfassen. Bei “The Pond” gibt es zusätzlich eine limitierte Kassettenauflage und bald erscheint das Album auch auf Vinyl – das sind einfach Medien, die ich schon aufgrund ihrer Haptik sehr mag.
motor.de: Wie spiegelt sich das im Schaffensprozess der Platte wider?
Fabian: Ich arbeite viel mit dem Rechner, bin also kein “Analog-Fetischst”, der die ganze Platte so produzieren muss. Aber meistens sind die Schlüsselelemente in jedem Lied etwas Kleines, was vorher akustisch vorhanden war — das stellt den Startpunkt der Songs dar. Außerdem bedeutet das ja auch, mit dem Stift auf Papier zu schreiben. (lacht)
motor.de: Gibt es aus diesem Grund auch die Miniauflage im Kassettenformat?
Fabian: Ich selber benutze so etwas total selten, aber es gibt viele Leute, denen ich damit eine große Freude gemacht habe. Es gibt ja neben Walkmans auch noch viele Autoradios mit Kassettendecks und die erste Auflage davon ist jetzt fast weg. Das war auf jeden Fall eine gute Idee. (grinst)
motor.de: Wie konsumierst du Musik persönlich am liebsten?
Fabian: Ich kann eigentlich nur Musik hören, wenn ich unterwegs bin. Deswegen hör ich dann meistens mit einem mp3-Player über Kopfhörer oder CDs im Auto. Ich hab aber auch einen Spotify-Account, einen Plattenspieler und gehe total gerne auf Konzerte – also sehr vielfältig eigentlich. Mir geht’s vorrangig um die Musik und darum, die Künstler zu unterstützen. Welches Medium ich dann letztendlich benutze, ist mir relativ egal.
Me And Oceans – “Another Weekend”
motor.de: Warum ist es dir so wichtig, das ganze Paket der Musik selbst zu fabrizieren, sprich vom Artwork der Flyer über das Merchandise bis hin zu den CDs?
Fabian: Wir sind bei analogsoul, glaube ich, ziemliche Kontroll-Freaks, die alles selber machen wollen. Wobei ich natürlich auch gerne mit anderen Musikern zusammenarbeite – also das Coverfoto hab ich zum Beispiel nicht per Selbstauslöser gemacht. Ich denke mir aber meistens nicht so viel dabei. (lacht) Die eine Gehirnhälfte denkt bei mir immer schon in Bildern, weil ich eben vom Visuellen herkomme. Deswegen mache ich auch gerne meine Videos selbst und muss mich da in irgendeiner Art und Weise ausdrücken. Denn ich denke, meine bildlichen Ideen sind wahrscheinlich die besten für meine Musik. Trotzdem wollen wir eben selbst entscheiden, mit wem wir zusammenarbeiten.
motor.de: Du bist ja schon so eine Art Hans Dampf in allen Gassen, betrachtet man dein Arbeitspensum – wie sieht so eine Woche im Leben des Fabian Schuetze aus?
Fabian: Zum Glück besteht die Arbeit nur aus Sachen, für die ich mich interessiere und die ich mir selbst ausgesucht habe — da bin ich auf jeden Fall sehr strapazierfähig. Eine typische Woche wäre: Montag / Dienstag analogsoul und Mails bearbeiten. Außerdem ein wenig Tagesgeschäft, also schauen, dass nicht zu viel schief läuft. Da gibt’s dann to-do’s von anderen Labelkünstlern oder Leuten, die ich buche. Das arbeite ich so ab – viele Mails, Telefonate und Postkram. Ein weiterer Tag in der Woche ist auf jeden Fall dafür reserviert, Musik zu machen, zu proben oder Songs zu schreiben. Und Donnerstag steig ich dann ins Auto und spiele bis Sonntag Konzerte. Unterwegs sitze ich an jedem Ort mit Internetanschluss da und organisiere Dinge. Das ist jetzt natürlich nicht immer exakt so, aber das wäre eine exemplarische Woche von mir.
motor.de: Was muss ein Künstler haben, um dich zu faszinieren?
Fabian: Das kann man nicht konkret benennen. Wir sagen immer, dass es uns vom Hocker hauen muss. Und meistens findet man das dann krasser, als die eigene Musik. (lacht) Wichtig ist uns auf jeden Fall auch, dass wir die Künstler live gesehen haben, um den perfomativen Aspekt erfassen zu können. Ansonsten muss uns das irgendwie berühren, aber es ist schwer zu sagen was das genau ist.
motor.de: Was unterscheidet Me And Oceans denn von deinen anderen Projekten wie A Forest oder Jaara?
Fabian: Der offensichtlichste Unterschied ist, dass ich alleine als Me And Oceans keine Kompromisse eingehen muss, was nicht bedeuten soll, dass Kompromisse schlecht sind, auch das Format Band hat ganz klar seine Vorteile. Aber ich setze mich nicht hin und sage, dass ich jetzt einen Song für Me And Oceans oder explizit für A Forest schreibe. Das passiert einfach und ich merke dann relativ schnell, was das Stück von mir will und wo es hingeht. Me And Oceans ist halt ziemlich in sich gekehrt, während A Forest beispielsweise so einen Hang zum Überschwang oder Extrovertierten hat.
Me And Oceans – “Walking Home”
motor.de: Deine Musikprojekte setzen sich immer mit einem Motiv aus der Natur auseinander. Bei Jaara inspiriert dich der Schnee, bei A Forest logischerweise der Wald, bei Me And Oceans das Element Wasser. Wieso dieser Hang zur Natur?
Fabian: Meistens ist der Name sogar eher da, als das Projekt an sich. Warum dieser große Naturbezug da ist, weiß ich auch nicht. Ich bin auf jeden Fall ein Stadtkind, dass in einer kleinen, feinen Umgebung aufgewachsen ist und jetzt lebe ich auch schon eine ganze Weile in Leipzig. Es ist auch nicht so, dass ich jeden Tag in den Auwald spazieren gehen muss oder raus aufs Land fahre, um dort mein Wochenende zu verbringen. (lacht) Mein Alltag spielt sich schon massiv urban ab, vielleicht ist das so eine unterbewusste Sehnsucht. Es ist aber auf jeden Fall etwas, das viel mit Geräuschen zu tun hat. Mir gefällt vornehmlich die Stimmung von Wald und Wasser. Mich fasziniert das, was es mit einem macht, wenn man sich an diesen Orten aufhält und nicht so sehr die Bäume an sich.
motor.de: Und das möchtest du sozusagen auf die Musik übertragen?
Fabian: Joa, mit dieser Erklärung könnte ich zumindest gut leben. (lacht)
motor.de: Du ordnest Me And Oceans ganz klar in die Riege der Popmusik ein. Wie definierst du das?
Fabian: Wir versuchen auf jeden Fall den Begriff wieder stark zu machen. Vor allem definiere ich Popmusik als barrierefrei. Dass man eben keine intellektuelle oder genrebedingte Vorbildung braucht, um bestimmte Sachen zu verstehen. Pop ist irgendwie auch Zugänglichkeit und bedeutet für mich auch viel Bauchgefühl. Die Musik lässt auch mal große Gesten zu und versucht dabei, auf der richtigen Seite zu stehen. Und nicht in Richtung Mainstream-Pop abzudriften.
motor.de: Zu deinen Produktionen kommen mir die Begriffe Entschleunigung, Reduktion und Einfachheit in den Sinn. Inwiefern sind das wichtige Aspekte für dein musikalisches Schaffen?
Fabian: Für mich ist weniger immer mehr. Beim Liederschreiben entwickle ich anfangs beispielsweise immer sehr viel, um davon einen Großteil nachher wieder herauszustreichen. Weiterhin mache ich – das hat mir auch schon jemand anderes gesagt – einen Song lieber zu langsam, als zu schnell. (lacht) Das fällt mir dann immer mal wieder negativ auf, aber anscheinend ist das so eine Eigenart von mir.
motor.de: Ist es eine bewusste Entscheidung von dir in Leipzig zu wohnen und nicht, wie viele Musiker, in der deutschen Hauptstadt?
Fabian: Ja, Berlin ist mir zu stressig. Ich bin da gerne mal, spiele Konzerte und kauf mir CDs. Aber Leipzig ist für mich von den Bedingungen her traumhaft, auch, wenn alle immer jammern. Für mich ist Leipzig der künstlerfreundlichste Ort in Deutschland – nicht, weil die Stadt etwas dafür tut, eher aufgrund anderer Faktoren. Die Mieten sind sehr gut, Lebens- und Kulturqualität sind hoch und es gibt Raum, den man sich nehmen kann. Zudem bin ich auch so viel unterwegs, dass ich mich immer wieder freue, hier zu sein. Ich bin hier zu Hause und geh hier nicht weg, das ist meine Heimat.
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