… und dann hat’s Ping gemacht? Zurück in die Zukunft: Bezahlter Musik-Konsum als Statussymbol.


Start in die neue alte Welt?

Die Aufregung war einen Moment lang recht groß. Apple hat seine iTunes-Software um eine „Social Web“-Komponente erweitert. Mit „Ping“ kann man sich jetzt also gegenseitig mitteilen, welche Musik man mag und – vor allem – im iTunes-Shop kauft. Ein logischer Schritt ist das, der aus unternehmerischer Sicht selbstverständlich dazu dient, die Kunden noch gezielter auszuforschen und an sich zu binden. Und auch auf Userseite hat das seinen Reiz, zumindest, wenn man Musik noch allen Ernstes als wichtiges verbindendes Element im privaten sozialen Gefüge betrachtet. Nicht, dass Ping irgendetwas Neues zu bieten hätte. Auch das prinzipielle Genörgel der üblichen Net-Experten über das geschlossene Apple-System entbehrt nicht der Grundlage. Musiker, denen man folgen könnte, sind ein rares Gut. Obendrein krankt das Modell schlicht und einfach daran, dass die geplante Facebook-Anbindung offensichtlich noch im letzten Moment gekappt wurde, was es praktisch unmöglich macht, Leute, denen man einen vernünftigen – also folgenswerten – Musikgeschmack zutraut, einfach zu finden.

Kurz und gut: Der Start ist alles andere als euphorisierend und ob eine kritische Usermasse neben all den last.fm-, Spotify-, Blip-, Soundcloud-, MySpace- und natürlich Facebook-Accounts auch noch Ping nutzen wird, sei dahingestellt. Genau genommen ist Ping sogar ein Schritt zurück in der Evolution des Musikkonsums, zugeschnitten auf eine vergleichsweise unflexible Zielgruppe, die eben nicht ausreizen kann oder will, was die verschiedensten Musik-Plattformen in immer neuen Konstellationen und mit immer neuen Optionen anbieten. Leute, die in Zeiten nahezu unbegrenzter Verfügbarkeit von Musik einfach nur das tun, was sie bis dato sowieso getan haben: Musik, die ihnen gefällt, kaufen. Und das vorzeigen.

Musik zu kaufen ist ein Statussymbol. Das Beharren auf dem grundsätzlichen Prinzip der zu entlohnenden kreativen Leistung, die man in Anspruch nimmt, ist eine neue Art Abgrenzung zur wachsenden Flüchtigkeit musikalischer Begeisterung. Was für eingeschworene Fans einer Band völlig normal ist, nämlich stolz darauf zu sein, deren Output zu bezahlen, um „ihrer Band“ etwas „zurückzugeben“, gilt zunehmend auch im größeren Maßstab der gesamten Musiknutzung. Die alte Regel des „Kost’ nix, taugt nix“ erfährt so eine neue Interpretation: Zur Wertschätzung von Musik gehört, dass man für ihren Gebrauch eine Gegenleistung erbringt, die über die reine Aufmerksamkeit hinaus geht. Die verbissen geführte Diskussion, ob illegales Filesharing denn nun Diebstahl sei oder nicht, oder ob die kostenlose Verbreitung von Musik nicht dem Künstler eigentlich nütze, erübrigt sich unter diesem Blickwinkel. (Mal davon abgesehen, dass die Filesharing-Apologeten bisher eher weniger als Fans oder Kenner von Musik in Erscheinung getreten sind.)


Abschied vom Statussymbol Plattenregal?

Ping hat von allen existierenden Plattformen im Moment am ehesten das Potenzial, dem gerecht zu werden, verknüpft es doch die Aussage über den Geschmack des Users mit dem als Kauf dokumentierten Beweis seines ernsthaften Interesses. Das kann keine last.fm-Playliste leisten, egal, von wie vielen Menschen sie geteilt wird. Perspektivisch wird Ping – oder ein vielleicht besserer Nachfolger eines vielleicht anderen Anbieters – so ausfüllen, was heutzutage mancher vermisst: die Plattensammlung von Bekannten nach Größe und Qualität einzuschätzen und so den musik-sozialen Status zu bewerten. Die notwendige Voraussetzung dafür ist natürlich die Digitalisierung des eigenen Konsums, ein sozialer Quasi-Zwang zum nonphysischen Kauf. Die gute alte Vinylplatte – bisher immer noch ungeschlagenes Statussymbol der Musik(besitzer)szene – hat in Sachen sozialer Beziehung endgültig ausgesorgt.

Augsburg