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Was wir eigentlich noch auf dem Melt! wollen? Wissen wir auch nicht. Aber irgendwie kriegen es die Veranstalter Jahr für Jahr hin, eine Menge gradioser Acts ins tiefste Sachsen-Anhalt zu locken. Applaus!
Mal wieder Melt!, mal wieder prangt ein Schriftzug des Casanovas unter den Festivals über der Bench-Mainstage. Aus “Melt My Heart” hatte man “You Melt! My Heart!” gemacht. “Sehr einfallsreich” murmelten wir noch im Vorbeigehen und mussten kurz an Tarzan und Jane denken.
Doch was soll man von diesem gefährlich routinierten und erschreckend kostanten Festival noch halten? “What’s the story?” Wie immer gab es diesen einen warmen Tag und diesen einen kalten. Und wie immer waren die Burger eher lauwarm und das Bier schon schal. Viel lieber als das Wetter präsentieren wir euch aber das, was wir am vergangenen Wochenende vor den Bühnen erlebt haben. Denn darum geht es ja, beim Melt! — um Musik, nicht wahr?
Markus Kavka
Anstatt zu seinem Set abzuhotten, das tradiotionell die dreitägige Sause eröffnet, standen wir zunächst lieber im Stau, vor unseren Zelt-Bauplänen und in einer Schlange voller akkreditierter, hibbeliger und mehr oder weniger arbeitswütiger Journalisten, die es gar nicht erwarten konnten, im Pressezelt ihre MacBooks totzustarren. Als wir bei Markus ankamen, empfing uns die neue Big Wheel Stage mit einem höllischen Geruch, der wie ein fieser Schlag in die Magengrube nicht genauer zu definieren war und uns das ganze Festival über mit froher Beständigkeit begleiten sollte.
Dass die fürchterliche Note des Grauens möglicherweise Kavka selbst entfleucht sein sollte, das dachte vielleicht der ein oder andere Schelm im Publikum. Dass er in Wirklichkeit ganz hervorragend duftete und rein gar nichts damit zu tun hatte, davon konnten wir uns aber selbst überzeugen, als wir ihn kurz nachdem er die Bühne verlassen durfte, mit unserem Motor-Mikro auf den Pelz rückten. Und ihn einer Befragung unterzogen, die vielleicht noch höllischer war, als der niemals enden wollende Gestank, der sich von Brise zu Brise immer wieder bemerkbar zu machen wusste.
Caribou
All das pseudo-popkulturelle Geplänkel um Daniel Snaith aka Caribou war endlich für einen wunderschönen Moment vergessen, als der Londoner im abschließenden Song “Sun” eine derartig brachiale Masse an Licht auf uns jagte, dass uns nicht nur die Iris wegschmolz, sondern auch noch alles was sich dahinter befindet. Oder damals befand.
Bloc Party
Die neuen Bloc Party Songs kann man ehrlich gesagt aus der Flasche trinken — Verzeihung! — in der Pfeife rauchen. Zu langsam, zu amerikanisch, zu Not-Bloc-Party war das ganze Theater und klang auch noch nach einer abgespeckten RHCP-Variante. Furchtbar also. Jetzt fällt mir auch wieder ein, warum ich erst auf die Flasche gekommen bin: das neue Cover der Londoner steht für eins der saucoolen, neuen Beck’s-Designs Pate. Ob man jetzt doch wieder Beck’s trinken sollte? Oder doch wieder Bloc Party hören? Oder erst Recht nicht beides gleichzeitig? Ach, wer könnte das schon entscheiden.
Phon.o
Phon.os Album “Black Boulder” hat ja einer unserer Redakteure in den absoluten Himmel gelobt und als “Neuauflage der Evolution” bezeichnet. Erst live wurde mir aber klar, was damit gemeint war. Und dass es sich bei dem Rezensenten um mich selbst handelte. Phon.o stieg geschickterweise mit jenen Vocals ein, die ihm Bodi Bills Fabian Fenk geliehen hatte. Die ikonische Stimme sorgte dafür, dass der ganze Desperados Strand innerhalb von Sekunden voller Sinnbus-Junkies und melancholischer Future-Pop-Fans war. Erst dann legte Phon.o seine teils virtuosen, teils ziemlich anstrengenden Techno-Riffs und Beats nach. Was aber selbst uns nach einer halben Stunde zu fad wurde, weshalb wir langsam aber sicher gen See steuerten und uns irgendwann kniehoch im Wasser wiederfanden. Neuauflage der Evolution und so. Schon klar. Und wen interessierte dann noch Beth Dito?
Lana Del Rey
Wollte ja irgendwie jeder sehen. Konnte aber kaum jemand, weil die vordersten 20 Reihen von arbeitswütigen Smartphonevertretern besetzt waren, die ihr neuestes Gerät zu Präsentierzwecken in die Luft hielten. So schien das Instagram-Spekatakel zumindest. Und wir echte Journalisten kamen mit unseren Dingern nicht mal nah genug ran, was irgendwie ärgerlich war. Was soll man noch über Lana sagen? Ihr Live-Gesang ist tatsächlich ganz in Ordnung, obwohl sie ständig diese weißen Nuttenstengel raucht. Ihr Träger rutschte nicht nur gefühlte, sondern exakt 50 Mal runter. Sie modelt jetzt für H&M.
Nina Kraviz
Ghetto Nina war die eigentliche Lana del Rey des Tages — eine sexy Diva mit Schmollmund, die allerdings ziemlich zeitgemäße Musik auflegte. Mit ihrem Walt-Disney-Sweater machte sie noch ganz nebenbei Azealia Banks Konkurrenz. Was wir schon wieder blöd fanden, weil Azealia ihre 15 Minuten irgendwie schon hatte. Nina legte jedenfalls ein Set vor, das sie locker auch im Berghain hätte spielen können, ohne ihr kritisches Stammpublikum unbefriedigt zurückzulassen. Vor der Bühne versammelten sich auch noch die schönsten und feierwütigsten Menschen des gesamten Festivals. Was unter Umständen auch daran liegen könnte, dass die (zugegeben überaus sympathischen!) Emo-Rocker The Jezabels paralell auf der Hauptbühne spielten.
Twin Shadow / Justice
Als mein Chef schon längst zum selbstverständlich viel cooleren und auch noch spektakuläreren Twin Shadow rübergedüst war, musste ich mir Justice ansehen. Aber was soll man schon machen, wenn die eigene Jugend von zwei dauerbekifften Franzosen dominiert wurde, die ich heute nicht mal sehen konnte, weil mir ein leuchtendes Kreuz (war das früher nicht größer?) die Sicht nahm. Mit einem Fotografen von der Intro verlor ich mich schließlich in einer besoffenen Diskussion darüber, ob Gaspard und Xavier bloß eine CD auflegten, was meine Stimmung dann noch viel weiter auf den Boden zog. Als dann auch noch als “spontane” Zugabe das vier Jahre alte “NY Excuse” gespielt wurde, waren wir uns schließlich sicher: Gaspard hatte einen alten USB-Stick in seiner Innentasche gefunden, mit der Aufschrift “2008 Crap, Putain!”, den er gleich mal an seinen Laptop schloss. Die Melt!-Crowd feierte natürlich unwissend weiter darauf ab. Als einzig logische Schlussfolgerung nahmen auch der Intro-Fotograf und ich unsere USB-Sticks aus den Innentaschen — die allerdings mit Teleport ausgestattet waren — und beamten uns zurück in die Heimat, weit weg von Ferropolis, wo die harte Erkenntnis aber nicht lange auf sich warten ließ: nächstes Jahr müssen wir ja doch wieder hin. Scheiße.
Fotos: Sebastian Weiß & Josa Valentin Mania-Schlegel
Text: Josa Valentin Mania-Schlegel
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