„Musik braucht Luft. Ohne Luft und Raum kann Musik sich nicht entfalten und bleibt in ihrer Wirkung, Größe und Schönheit auf halber Strecke stecken“. Das war der Tenor vieler dieser Musikhör-Spezialisten.

Für diese schöne These (Allgemeinplatz?) haben wir nun den so dermaßen passenden Soundtrack, ich konnte einfach nicht umhin, sie hier anzuführen. Also, Introducing: MENOMENA und ihre tolles Album „Friend and Foe“. Ein Trio aus Portland, Oregon, das genau diese Räumlichkeit, diese Luft in ihrer Musik zelebriert und für sich einfordert. MENOMENA (nein, keine Arznei fürs Klimakterium) geben der Musik Vielschichtigkeit, Spontaneität und Originalität zurück, brechen ihre Songstrukturen auf, ohne dabei gewollt oder zwanghaft zu wirken, und bringen im Grunde genommen das lang vergessene Wort Artrock wieder an den Tisch zurück. Dies tun sie mit soviel Verve und Euphorie, dass es eine Wonne ist, ihnen dabei zuzuhören, wie sie ständig aus Weniger etwas Mehr machen. Perfektes Beispiel, der Album Opener „Muscle’n Flo“: getrieben von den markant donnernden Drums, deren Meister Danny Seim ganz genau weiß, wann er sich zurück zu nehmen hat, punktgenau akzentuiert von Brent Knopf an Keyboards, Gitarren, Bass und vielem Anderen, singt Bariton Saxophonist Justin Harris, der hauptsächlich nebenbei auch noch zwei Gitarren, ein weiteres Saxophon, sowie einen obskuren Moog Fußpedal Basssynthesizer bedient, während er obendrüber mit dieser außerordentlichen Stimme die Lieder veredelt. Ein wilder, musikgewordener Kunstgenuss, der über die nächsten knapp 48 Minuten in hohem Tempo Atmosphären kreirt, die ebenso geräuschvoll dramatisch wie zerbrechlich zurückhaltend daher kommen können und die wir in dieser Form lange nicht mehr hören durften. Die MENOMENA Songs strahlen Humor, Selbstvertrauen und Kunstverständnis aus. Eigentlich sollte diese Band dieses Jahr in Kassel auf der Documenta einen eigenen Raum bekommen!

Wir können kaum noch laufen vor stolzgeschwellter Brust, ob der Tatsache, dass wir dieses komplette Meisterwerk in Europa veröffentlichen dürfen. In den USA bereits im Januar erschienen, war die Band dort seither quasi ununterbrochen auf Tour, und jetzt, im Juli, kriegen wir sie erstmals zu fassen und dürfen sie auch live präsentieren, denn live spielen sie diese Songs unglaublicherweise zu dritt fast noch besser (falls das möglich ist). Wir konnten uns bereits mehrfach davon überzeugen. In den einschlägigen US Medien wurde dieses Album sogleich als das erkannt, was es ist, „the first great indie rock record of the new year“ (Pitchfork), und die Euphorie kannte und kennt nach wie vor keine Grenzen. Es hat geholfen. Seit der Veröffentlichung von „Friend and Foe“ ist aus MENOMENA in ihrer Heimat aus einer relativ obskuren Nordwest Combo mit zwei sehr guten, aber schwer zu findenden Veröffentlichungen eine nationwide amtlich große Band geworden, die in großen Clubs (noch nicht Hallen) vor vollem Hause spielt und frenetisch gefeiert wird. Bei weitem kein Durchbruch in den Mainstream das, aber ein riesiger Schritt für eine Band, die mit ihrem modularen, verschachtelten Popentwurf zeigt, dass Musik mit Anspruch und Herz dem Verfall der musikalischen Sitten, oder auch dem verflachenden Musikkonsum (siehe Einleitung) auf ihre eigene Art Einhalt gebietet. Ähnlich originelle Ansätze verfolgen seit Jahren eigentlich nur (unter anderen Vorzeichen) die Flaming Lips, oder auch Sonic Youth, und zu diesen Titanen werden MENOMENA bald spielend aufschliessen.

Was ich noch gar nicht erwähnt hatte, und was die beiliegende Promo-Pappe auch leider verheimlicht, ist das unglaubliche Packaging dieses Albums. Geadelt vom Artwork des gefeierten Comic-Künstlers Craig Thompson (empfehle seinen feinen Comic Roman „Blankets“ zu suchen) hat auch hier die Band mit Hilfe von präzise und intelligent platzierten Lochungen ein Gesamtkunstwerk geschaffen, das seinesgleichen sucht. Eine vollendete, und wiederum höchst künstlerische Aneignung des Mediums CD, wie es sie lange und schöner nicht gegeben hat.

Sie komplettiert ein Album, das in seiner Vielschichtigkeit eine höchst konzentrierte Annäherung fordert. MENOMENA fordern dem Musikhören wieder die Aufmerksamkeit ab, die so vielen „Konsumenten“ heutzutage einfach abgeht. Doch dafür wird man hier eben erheblich reichlicher belohnt, als es bei den meisten heutigen Pop Produktionen der Fall ist.
MENOMENA live: 2. Juli in Dortmund im FZW – 4. Juli in Berlin im Festsaal Kreuzberg (ein Cooperative Music / City Slang Sommerfest mit Grillparty sowie den irren O’Death und den tollen Beech House)

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