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Kaum jemand ist so berüchtigt wie die Berliner Türsteher. Einer der bekanntesten ist der ehemalige GI Smiley Baldwin. Gemeinsam mit Kerstin “Aicy” Eisner führt er inzwischen die Baldwin Security Firma. Uns hat er erzählt, wie Corona seine Arbeit als Doorkeeper des Nachtlebens verändert hat und wie Berlins Clubszene nach der Pandemie aussehen wird.
motor.de: Wann war dein letzter „normaler“ Arbeitstag vor Corona?
Smiley: Das war der Samstag an dem entschieden wurde, dass jetzt der Lockdown sein wird. Keiner wusste genau was passieren wird und auch wir hatten dementsprechend für den Abend noch eine Veranstaltung, die GI Disco, geplant. Bevor diese stattgefunden hätte, haben uns schon Leute auf Facebook geschrieben, dass wir unverantwortlich wären, aber für uns war klar, dass solange die Regierung Veranstaltungen noch erlaubt, wir diese auch veranstalten werden. Jeder Mensch kann dann ja selbst abwägen, ob er kommt oder nicht- es wird schließlich niemand gezwungen zu kommen. Aber sobald an dem Tag gesagt wurde, dass alles zu machen muss, war die Party dann natürlich auch abgesagt. Das war mein letzter Arbeitsabend bei einer Veranstaltung. Ansonsten haben wir zum Glück auch ein paar Hotels und Objektschutz Auftraggeber, insofern war nur ein Teil unserer Arbeit von jetzt auf gleich weg.
motor.de: Ist der Arbeitsverlust für euch spürbar?
Smiley: Klar, wir hatten schließlich ansonsten immer viele Veranstaltungen im Nachtleben und in der Kunst betreut. Als dann auch noch die Hotels zugemacht haben…. Also so 97% der Auftragslage war dann weg – aber wenigstens hatten wir noch die drei Prozent Gebäudeschutz, viele hatten ja nicht einmal mehr das. Aber vor Corona hatten wir mit Sub-Unternehmen ungefähr 75 Leute beschäftigt – jetzt haben wir noch zwanzig Leute aktiv im Dienst.
motor.de: Als alles zugemacht hat – wie war da dein Gefühl?
Smiley: Ich hätte nicht gedacht, dass es so lange dauert. Am Anfang dachte ich nur, so ein kurzer Lockdown tut uns bestimmt gut. Ich hatte mich dann auch zurückgezogen. Mir Zeit für mich und meine Familie genommen, sowie Zeit für mein Geschäft, um ein paar Defizite in der Verwaltung aufzuarbeiten. Wir sind in der Zeit sogar mit dem Büro umgezogen, weil unser Mietvertrag kurz nachdem Lockdown erhöht werden sollte. Es war für mich erstmal eine Zeit, um Sachen zu korrigieren. Wir waren zu dem Zeitpunkt finanziell gut situiert und ich dachte mir „gut, ein Jahr können wir gut durchhalten, zwar natürlich mit einem derben Verlust, aber ein Jahr kommen wir durch“ – und naja, jetzt ist das Jahr vorbei und mittlerweile tut es wirklich weh. Aber wir haben durchaus Gespräche mit unseren Auftragsgebern zu den verschiedensten Konzepten geführt und wissen dankenswerterweise, dass sie immer noch zu uns stehen und das sobald all das wieder vorbei ist, wir auch wieder arbeiten können. Aber wir müssen eben einfach bis dahin durchhalten.
motor.de: Wie waren deine Nächte im Sommer?
Smiley: Im Sommer hatten ja die meisten Sachen wieder offen und unsere Aufgabe war es dann vor allem die ganzen Leute in die Hygiene-Listen einzutragen. Das war für uns und unsere zwei Hotels echt gut. Es war auch einfach toll, dass wieder ein paar mehr Leute von uns arbeiten konnten. Aber auch jetzt rufen wir unsere Leute immer an und schauen, wie es ihnen geht, um unseren Kreis zusammen zuhalten und zu unterstützen.
motor.de: Was vermisst du am meisten seit Corona?
Smiley: Ich hatte natürlich Pläne gehabt – und die Pläne sind logischerweise unterbrochen worden und diese verlorene Zeit wird einem nicht zurückgeschenkt. Zum Teil sind das Pläne mit der Familie gewesen, die für mich unfassbar wichtig waren. Ich wollte nach Amerika gehen und dann noch in die Karibik und nach Afrika – solche Sachen halt. Pläne sind immer eine Zeitfrage und dann kommt Corona und es gibt keine Garantie, das man am Ende nicht einer von denen ist, die danach nicht mehr dabei sind. Ich hab im letzten Jahr einige Freunde nicht nur durch Corona sondern auch durch Unfälle verloren. Es ist ein krasser Stillstand, der belastet, aber es ist eine gefährliche Zeit und der Stillstand ist notwendig. Niemand ist an irgendetwas schuld. Es ist einfach eine komplett neue Situation.
Wobei ich auf der anderen Seite sagen muss, dass die Zeit, die ich mit mir selbst und meiner Familie gewonnen habe, mir auch viel wert ist. Mir ist erst durch Corona aufgefallen, dass das Tempo, dass wir im Nachtleben seit den 90ern hatten, einfach der pure Wahnsinn war: Sachen aufbauen, durchziehen, die ganze Zeit erneuern, größer, besser, höher – es war nicht mehr normal. Dadurch ist der slow down auch gut. Zweischneidiges Schwert eben.
Aber ich bin wirklich dankbar, dass ich noch zu den Gewinnern gehöre, denn meine Familie ist gesund, ich kann meine Miete zahlen und auch meine Firma existiert noch. Eigentlich kann ich echt nicht meckern.
motor.de: Hast du ein Ritual gefunden, um nicht durchzudrehen?
Smiley: Zum einen hatte ich meine Firma. Zum anderen bin ich auch ein Gamer und hab vor allem „Last Shelter“ gespielt. Außerdem hab ich angefangen mit meinem Sohn kleine Beträge in Krypto – Währungen zu investieren und das läuft echt gut, wie man ja auch in den Nachrichten hört (lacht).
motor.de: Hat sich dein Kulturbegriff durch Corona geändert?
Smiley: Ich glaub für mich hat sich nicht nur der Kulturbegriff geändert, sondern der Weltbegriff. Es ist mir absolut klar, dass die Welt nach Corona eine vollkommen andere sein wird als die, die wir kannten. Gerade das Nachtleben in Berlin, dieses Paralleluniversum, es wird nicht mehr so existieren. Ich glaube nicht, dass man immer noch mit kleinem Geld was aufbauen kann und das wird dann entdeckt und dann hat man plötzlich mega Veranstaltungen. Man wird riesige Geldbeträge brauchen, um nach Corona irgendwas auf die Beine zu stellen. Die Keller-Zeiten sind vorbei – sie waren es ja eigentlich auch schon vor Corona. Das wird das Stadtbild verändern. Denn die neuen Besitzer werden nicht mehr die coolen Kreativen sein, sondern die uncoolen mit Geld, die es sich eben leisten können. Die Frage ist: Wie werden wir darauf reagieren? Eigentlich hatten wir immer Möglichkeiten, solche Entwicklungen abzulehnen, denn Berlin hat eigentlich immer die Kreativen unterstützt, aber ich denke dieser Gedanke ist jetzt vorbei. Auch die Zeiten, wo du die Hälfte der Leute immer kanntest. Ich denke nicht, dass diese Arbeit mit Menschen noch so frei gestaltet werden kann.
motor.de: Wie sieht die Zukunft des Berliner Nachtlebens generell aus? Wie werden die Menschen nach Corona sein?
Smiley: Die Hoffnung ist natürlich das bald durch das Impfen wieder unsere Normalität eintreten wird. Aber auch nach der Pandemie wird der Impfstoff eine große Frage im Nachtleben sein. Inwieweit wird der Impfstoff zum Freiheitsbringer? Es wird definitiv vorkommen, dass eine Gruppe an Menschen, die immer miteinander gefeiert haben, am Eingang stehen und einer sagt, dass er nicht geimpft ist. Was ist mit diesem Menschen? Ist er dann als Gefährder abzulehnen? Die Meinungen sind da extrem gespalten, aber im Endeffekt ist diese Debatte eine wichtige für meinen Beruf, denn wir wachen dann über die Eingänge und wahrscheinlich werden wir nach Impfpass oder Testergebnis checken müssen, wer rein kann. Es wird getrennt werden und das wird eine ganz andere gesellschaftliche Dynamik sein. Die Frage breitet sich ja auch aus, nicht nur bei Veranstaltungen, sondern auch ins private: Lade ich jemanden zu mir nachhause ein der nicht geimpft oder getestet ist? Aber im selben Moment gibt es einfach keinen anderen Weg. Denn kein Veranstalter kann verantworten, dass jemand auf seiner Veranstaltung für den Tod eines anderen Menschen verantwortlich ist.
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