(Foto: Kate Bellm)

Miss Platnum hat sich verändert. Drei Alben lang hat sich die rumänisch-stämmige Berlinerin im Balkanpop einen Namen erspielt, nur um nun erneut zu neuen Ufern aufzubrechen. Das heute erscheinende neue Album „Glück und Benzin“ wird Neuanfang und konsequente Weiterentwicklung zugleich. Mit ihrem Produzententeam den Krauts könnte sie ein modernes und gleichzeitig zeitloses Werk geschaffen haben. Die erste Single „99 Probleme“ kündigte schon vor einigen Monaten einen radikalen Wechsel im Sound an. Auf Kosten einiger Balkaneinflüsse findet man auf „Glück und Benzin“ ein brachiales Bassgewitter im elektronisch-synthetischen Gewand, bei dem an keiner Ecke gespart wurde.  Wir haben Ruth Renner, die Frau die sich hinter dem Pseudonym verbirgt, zu ihrem neuen Werk ausgequetscht.

 

Du hattest 2010 schon ein Interview für motor.de gegeben, was da aus heutiger Sicht besonders auffällt war, dass du dir nicht vorstellen konntest, eine eigene Platte auf Deutsch einzusingen.

Ich weiß, ich hatte damals gesagt, ich mache nie ne R’n’B Platte auf Deutsch! Ich hatte einfach wahnsinnig großen Respekt davor, den habe ich auch immer noch. Ich habe riesigen Wert darauf gelegt, dass die Texte wirklich gut sind, deswegen habe ich die Platte auch nicht ganz alleine geschrieben, wie bei meinen vorherigen Alben. Das war für mich die größte Gefahr, weil ich deutschen R’n’B oft zu abgedroschen, zu kitschig oder schnulzig finde. Für mich war es wichtig, eine eigene Sprachlichkeit für diese Platte zu entwickeln. Das hat ein Weilchen gedauert, aber es hat sich gelohnt!

Bei dem 2010er Interview wurdest du gefragt, ob du eine bestimmte Message rüberbringen möchtest und du meintest „Nein, eigentlich nicht wirklich, ich möchte aber wahrhaftig und authentisch sein, das ist mein Anspruch!“ Bei deiner neuen Platte spielt aber schon die eine oder andere Message rein, oder? Wenn ihr beispielsweise starke Frauen im Video zu „99 Probleme“ inszeniert und jetzt wieder nur Frauen im Video vorkommen, dann könnte das schon einen emanzipatorischen Anstrich haben…

Ja, aber die Emanzipation steckt hier eher im Detail, ich würde jetzt nicht groß Emanzipation drüber schreiben. Das versteht sich glaub ich von selbst: dass ich als Frau groß und stark bin und sozusagen emanzipiert, aber eben nicht so wie Alice Schwarzer. So will ich mir das nicht auf die Stirn schreiben. Ich finde es wichtig, als Frau sein Ding zu machen und sich durchzusetzen, aber es hilft auch durchaus, nicht darüber nachzudenken, dass man eine Frau ist, sondern darüber, was man machen will und das dann durchzuziehen. Es macht es nicht leichter zu denken: „Ich bin eine Frau, ich habe alles schwerer“. Es gibt Gegenden auf der Welt, wo das noch viel krasser ist, aber in meinem Umfeld kann ich sagen, dass so was wie Emanzipation und Gleichberechtigung schon angekommen ist. Ich lebe natürlich in so einer Art Mikrokosmos, mit vielen Musikern und Kollegen, das ist vielleicht noch mal ein anderer Lebensstil. Ich glaube einfach, dass man viel schaffen kann im Leben, egal ob man ein Mann oder eine Frau ist, es geht nur darum, das auch durchzusetzen. Aber ich freue mich natürlich, wenn ich als Vorbild fungieren kann, das ist eine große Ehre!

Auf einem Track deiner neuen Platte ist Nico von K.I.Z. zu Gast und gibt sich ungewohnt unironisch. Wie hast du ihn zu dieser Ernsthaftigkeit hinreißen können?

Ich kenne ihn ganz anders, privat ist er ein guter Freund. Wir albern natürlich auch viel rum, aber er ist auch ein Künstler und kann sich auf verschiedenen Ebenen ausdrücken.

Miss Platnum – Letzter Tanz on MUZU.TV.

Obwohl du schon länger bekannt bist, hast du in letzter Zeit vor allem durch Kollaborationen (zB. Lila Wolken) mehr Aufmerksamkeit denn je bekommen. Ist es nun schwieriger, wieder Solopfade zu betreten?

Nein, das hatte ich ja schon immer gemacht, für mich selbst hat sich ja gar nichts verändert, nur die Wahrnehmung von außen ist eine andere. Ich hab schon immer Alben mit den Krauts gemacht, ich hab schon immer mit Marten und Yasha gearbeitet. Wir sind nach wie vor gute Freunde und helfen uns. Dass mich nach dem Lila Wolken-Erfolg mehr Leute kennen ist ja nichts Negatives.

Du würdest dich nicht ärgern, wenn dein Name ständig in Zusammenhang mit zum Beispiel Lila Wolken oder Marteria fällt?

Das ist ja nichts, wofür ich mich schäme! Es sind ja meine Freunde und Lila Wolken ist ja auch ein Hit, warum sollte ich mich davon distanzieren? Jeder der sich mit meiner Musik auseinandersetzt, wird feststellen, dass ich schon immer eine eigenständige Künstlerin war. Als Marten uns kennenlernte, hat er uns erzählt, wie krass er die Platte von Moabeat damals fand und was für ein Miss Platnum-Fan er ist. Jetzt ist halt alles größer geworden und es ist schön, das als Freunde zusammen zu erleben.

Bei „99 Probleme“ fällt mir auf, dass du explizit auf diese Außenwahrnehmung eingehst, fast als würdest du Kommentaren direkt antworten.

Ich mache jetzt halt Musik auf Deutsch und bin dadurch natürlich angreifbarer, da gibt es schon den einen oder anderen Spruch. Aber das ist ja irgendwo normal. Trotzdem ist das jetzt  nichts, womit ich mich Tag und Nacht beschäftige. Dieses Zitat ist ja auch ziemlich ironisch gemeint und spiegelt meinen Humor wider, oder eben die Art und Weise, wie ich mit dieser Wahrnehmung meiner selbst umgehe. Ich nehme das einfach nicht so ernst. Mir ist wichtig, wie meine Freunde mich finden und wie mein Umfeld reagiert. Ich kann ja nicht erwarten, dass mich alle toll finden, ich find ja auch nicht alle toll. Aber heutzutage gehört es dank Facebook, Youtube usw. ja fast zum guten Ton, zynische Kommentare zu schreiben. Das finde ich in Bezug auf Musik ein bisschen ambivalent, weil ich mir wünsche, dass sich die Leute etwas länger mit meiner Musik beschäftigen als 30 Sekunden und dann ein Kommentar reinhacken.

Kurze Frage zum Songwriting: schreibst du die Songs und dann werden die krassen Beats darauf gemacht, oder andersrum?

Unterschiedlich, Es gab Stücke, die als Song komplett fertig geschrieben waren und wo die Musik drum herum gebaut wurde.

Geschrieben von dir?

Ich habe mit mehreren Leuten an dieser Platte geschrieben, mit Marten, mit Marlo und Monk, beide ehemals Moabeat. Jeder hat ein paar Ideen beigesteuert, manchmal gab‘s einen ganzen Song, der da war, mal nur eine einzelne Zeile, eine Melodie, oder einen Beat. Das lief ziemlich kollektiv ab.

Miss Platnum – 99 Probleme on MUZU.TV.

Bist du eigentlich ganz dolle aufgeregt, jetzt bevor das Album kommt?

Auf jeden Fall! Das Album ist gerade aus dem Presswerk gekommen und es ist echt wie ein Baby, das man in der Hand hält. Wir haben mit der Veröffentlichungskampagne sehr früh angefangen, denn für mich war auch gerade wichtig, dass auch meine alten Fans früh genug mitkriegen, was ich jetzt mache. Die wollte ich alle mitnehmen und erklären, warum ich jetzt auf Deutsch singe und nicht so: „Zack, hier ist die Platte und friss oder stirb!“ Jetzt bin ich natürlich sehr gespannt.

Du sagtest, dass das Singen auf Deutsch eine Herausforderung für dich war: bist du ein Workaholic, der ständig neue Herausforderungen sucht? Hast du schon eine neue Aufgabe für dich selbst angepeilt?

Daran will ich noch gar nicht denken. Die Herausforderung jetzt ist das Ganze auf die Bühne zu bringen, ich habe damit erst drei Konzerte gespielt. Das wird noch Arbeit, da eine geile Show draus zu machen. Das wird noch einmal spannend. Wenn man die Leute auf Tour trifft, dann bekommt man auch noch mal ein ganz anderes Feedback, als zum Beispiel auf Facebook, dann kann ich mich wirklich mit meinen Fans unterhalten.

Du hast in Vorfreude auf die Tour auf Facebook geschrieben: „Wer hat Bock zu kiffen, saufen, feiern?“  Wusstest du, dass Forscher heute das erste Mal bei zwei Toten die Ursache Cannabis nachweisen konnten? Also Bild.de sagt das, dementsprechend kann ja nicht so viel dran sein… Darf man jetzt etwa kein Gras mehr rauchen, wenn das wirklich stimmt?

Jetzt erst? Also ich kiffe ja selber nicht, aber jeder soll selber entscheiden, was er sich zumuten möchte. Ich denke, dass man schon sehr aufpassen muss mit Drogen, aber vor allem auch mit Alkohol! Das ist ja auch ne Droge, nur wird darüber nicht so richtig geredet. Ich finde es auch schwierig, solche Sachen zu verbieten, denn sie sind halt einfach da. Und alles was verboten ist, das kennt man ja aus der Kindererziehung, macht die Sache meist nur interessanter oder man holt es sich dann auf anderem Wege. Ich jedenfalls habe einen großen Respekt vor Drogen im Allgemeinen, da sollte man schon sehr aufpassen!

(Marc Augustat)