Er hat mit den Großen der Popwelt zusammengearbeitet. Nach musikalischen Kollaborationen mit Michael Jackson, Britney Spears und den Pet Shop Boys, ist Moby mit seinem neuen Album “Wait For Me” endlich wieder bei sich selbst angekommen.
Seinen ersten TopTen-Hit hatte Moby 1991 mit “Go”. Es folgten Remix-Aufträge für Michael Jackson, Depeche Mode oder die Pet Shop Boys und schließlich – mit ein wenig Abstand von der Techno- und House-Szene – der ganz große Durchbruch mit dem Album “Play”. Drei weitere Alben und rund 20 Millionen verkaufte Platten später, macht der New Yorker Musiker, DJ und Produzent nun noch einmal eine kleine Kehrtwende und legt mit “Wait For Me” sein persönlichstes Album seit Jahren vor.
motor.de: Moby, zu deinem neuen Album hat dich angeblich eine Rede inspiriert, die Regisseur David Lynch bei einer Preisverleihung gehalten hat…
Moby: Das stimmt, wobei Davids Worte verglichen mit seinen komplizierten Filmen eigentlich schlicht und unspektakulär waren. Jedenfalls sprach er über den Zauber von Kreativität und dass deren Erfolg nicht an marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten gemessen werden soll. Das klingt zwar einleuchtend, öffnete mir aber trotzdem die Augen.
motor.de: Was war denn daran neu für dich?
Moby: Prinzipiell natürlich nichts, aber es musste mir mal wieder gesagt werden. Ich komme ursprünglich aus der experimentellen Underground-Musikszene, sah mich dann aber eines Tages eher zufällig mit kommerziellem Erfolg konfrontiert. Eigentlich wusste ich gar nicht, wie ich damit umgehen soll, aber so peinlich es ist, das zuzugeben: Nach dem Erfolg von “Play” wurde ich hungrig auf mehr Ruhm und Erfolg. Plötzlich fand ich Gefallen an Promipartys und roten Teppichen, wollte mit Schauspielerinnen ins Bett und Drogen nehmen. Irgendwann hatte ich mich da aber in einem Netz verfangen, das mit Kreativität nichts mehr zu tun hatte – und schließlich auch kaum noch Spaß machte. Dank David Lynch wurde mir wieder klar, dass ich meine Kunst auch ohne dieses ganze Drumherum machen kann. Jetzt weiß ich wieder, dass ich mich nur noch mit Musik, nicht mehr mit Verkaufszahlen und Champagner beschäftigen will.
Moby – Shot In The Back Of The Head
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motor.de: Der Erfolg ist dir jetzt also egal?
Moby: Hoffentlich! Natürlich habe ich nichts dagegen, wenn sich meine Platten auch weiterhin gut verkaufen. Aber ich werde künftig nicht mehr alles daran setzen, Erfolg zu haben. Wer als Künstler versucht, unbedingt die Masse zu erreichen und den Anforderungen des kommerziellen Marktes gerecht zu werden, wird sich fast immer irgendwann verbiegen und Kompromisse eingehen. Diese Fehler möchte ich nicht mehr machen.
motor.de: Das klingt, als würdest du deine letzten Alben bereuen…
Moby: Das einzige Album, das ich im Rückblick tatsächlich als unauthentisch und faulen Kompromiss bezeichnen würde, ist “Hotel“. Ich will gar nicht sagen, dass das eine schlechte CD war, denn tatsächlich mag ich die meisten Songs darauf. Aber damals habe ich wirklich unglaublich stark versucht, so professionell wie möglich zu klingen, mittels riesiger Studios und aufwändigster Produktionen. Stattdessen hätte ich lieber etwas aufnehmen sollen, was ich selbst gerne hören möchte, denn das Persönliche ging dabei total verloren. Bei “Wait For Me” habe ich mich deswegen ganz auf mich selbst konzentriert, auch Unperfektes zugelassen und alle Songs im ganz intimen Schlafzimmer-Rahmen aufgenommen.
motor.de: Fehlen deshalb auf “Wait For Me” auch prominente Gastsänger? Eigentlich bist du ja bestens vernetzt, deswegen macht der Mangel an großen Namen direkt stutzig…
Moby: Es stimmt schon, ich habe in meiner Karriere mit wahnsinnig vielen, sehr bekannten Leuten zusammengearbeitet. Und vor allem mit einer sehr kuriosen Mischung, von Britney Spears über Metallica und Freddie Mercury bis zu den Beastie Boys und Public Enemy. Ich habe jedes Mal ein klein wenig von denen gelernt, aber wenn man mal ehrlich ist, ist die Arbeit mit Stars fast immer unglaublich anstrengend. Einfach weil man sich automatisch mit ihren Anwälten und Managern auseinandersetzen und ständig irgendwelche Forderungen erfüllen muss. Einfach mit ein paar Freunden zuhause etwas aufzunehmen macht viel mehr Spaß. Deswegen sind dieses Mal tatsächlich keine Stars mit an Bord. Außer natürlich, man zählt meine Freundin Emilia mit, die den Song “Pale Horses” singt. Die ist nämlich eine große Nummer in der New Yorker Burlesk-Szene.
motor.de: Die neuen Songs sind dominiert von melancholischen, ruhigen Momenten. Entspricht das deinem Gemütszustand?
Moby: So würde ich das nicht sagen, denn ich bin im Moment eigentlich gut drauf. Überhaupt hoffe ich, dass ich emotional ganz normal bin und mich da nicht groß von anderen Leuten unterscheide, die auch ihre Höhen und Tiefen haben. Der Grund, warum “Wait For Me” so klingt wie es klingt, ist ganz einfach: Ich liebe einfach traurige Musik. Natürlich stehe ich auch total auf Pantera oder Donna Summer. Aber wenn ich mich entscheiden müsste, würde ich mich doch immer für Nick Drake oder Joy Division entscheiden.
motor.de: Von dir kennt man nicht nur die Musik, sondern weiß auch private Details, wie etwa, dass du Veganer bist und gerne über Spiritualität sprichst. Wie angenehm ist dir dieses Interesse an Privatem?
Moby: Alles in allem finde ich das eher seltsam. Sicherlich bin ich auf gewisse Weise davon geschmeichelt. In meiner Jugend habe ich noch nicht einmal davon geträumt, einen Plattenvertrag zu bekommen, deswegen bin ich begeistert, dass es überhaupt Leute gibt, die wissen, wer ich bin. Aber trotzdem sollte eigentlich alles außer meiner Musik unwichtig sein und nicht so viel Aufmerksamkeit bekommen. Deswegen hätte ich Großmaul vermutlich manchmal besser die Klappe gehalten, statt wirklich zu allem meine Meinung zu sagen, von Politik über Ernährung bis hin zur Frage, ob Britney Spears in jungen Jahren sexier war. Durch meine Gesprächigkeit sind seltsam unterschiedliche Bilder von mir entstanden. Für die einen bin ich ein nerviger Öko-Hippie, der sich selbst zu ernst nimmt, für die anderen bin ich ein zugedröhnter Partyheld, der vor irgendwelchen Bars in der Lower Eastside kollabiert. Eigentlich müsste sich das widersprechen, aber vermutlich stimmt beides!
Moby – Pale Horses
motor.de: Worüber du dich allerdings immer ziemlich ausgeschwiegen hast, waren Beziehungen und Bettgeschichten…
Moby: Mir gefiel einfach der Gedanke nie, andere Menschen da mit reinzuziehen. Es ist eine Sache, ob ich in den Medien offenherzig Auskunft über mich selber gebe. Aber meine Freunde und Sexpartner will ich dieser Öffentlichkeit nicht aussetzen. Deswegen wird es dazu auch weiterhin keine Stellungnahme von mir geben.
motor.de: Es ist gut 20 Jahre her, dass du angefangen hast, als DJ aufzulegen, was du auch heute noch hin und wieder tust. Hat sich das Nachtleben, das Partyverhalten der Menschen in all der Zeit verändert?
Moby: Auf jeden Fall, vor allem in New York. Da fand damals fast das gesamte Nachtleben unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Da gab es Platten, die riesige Hits waren in den Schwulen- und House-Clubs, von denen aber außerhalb New Yorks kein Mensch je gehört hatte. Außerdem war New York in den Achtzigern sehr gebeutelt von der Crack-Epidemie, enormer Kriminalität und natürlich auch von Aids. Die Stadt war ein sehr düsterer, letztlich deprimierender Ort. Aber das hatte eben auch zur Folge, dass die Leute – solange sie sich in der Sicherheit des Clubs befanden – feierten, als gäbe es kein Morgen. Das war wie in Sarajevo zwischen den Kriegen: Die Menschen feierten die Tatsache, dass sie noch am Leben waren. Diese Euphorie sehe ich heute nicht mehr. Außerdem ist die Clubszene heute viel weniger Underground. Trotzdem ist New York natürlich noch immer ein Sündenpfuhl: Auch 2009 gehen die Leute aus, um zu tanzen, Drogen zu nehmen und Sex zu haben. Das ist nicht anders als vor 20 Jahren.
motor.de: Gibt es nach all den Jahren eigentlich noch Momente, die dir besonders in Erinnerung sind?
Moby: Natürlich! Die schönste ist vermutlich die an meine Tour mit David Bowie. Bevor es losging, verabredeten wir uns zu einer Probe, im ganz kleinen, akustischen Rahmen. Eines Tages kam er also an einem Samstagmorgen bei mir in der Wohnung vorbei, ich packte meine Gitarre aus und spielte “Heroes”, während er dazu sang. Bowie und ich musizieren in meinem Wohnzimmer – das war sicher das Größte, was ich in meinem Job bisher erleben durfte. Wobei die Tour mit New Order auch nicht schlecht war. Da habe ich die Jungs am letzten Abend dazu überredet, einen Joy Division-Song mit mir zu spielen. Das hatte auch etwas Surreales!
Interview: Patrick Heidmann
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