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Too old to rave but too young to die

Eigentlich zu früh für’s Alterswerk – der Rave-Altheld legt es mit  „Destroyed“ aber darauf an.

Auch der kleine Mann wird älter, sein Stoppelbart ist deutlich grau durchsetzt, sein neues Album ist eher eine Sinfonie denn eine Sammlung von Popsongs und so langsam, wenn es jetzt doch auf die 50 zugeht, scheint es irgendwie existenziell zu werden mit dem Verblühen der Jugend, dem Altern, gar dem Sterben. In seinem neuesten Video schickt er eine Erzengelin zu den Siechen – es ist immerhin Heather Graham, alles an ihr schimmert in einer güldenen Aura, während sie durch das menschliche Elend zu ihren Füßen schwebt und das Böse hinrichtet. Ein Moby-typischer, wunderschöner Song ist das, der melancholisch dahinflutet auf eine Art, die gleichzeitig Verzweiflung und Trost spendet, was man sonst vielleicht von einem Johnny Cash-Song erwartet, nicht jedoch von einem Helden der Rave-Generation, jedenfalls nicht von einem anderen als Moby. 

Moby – „The Day“

Es war aber natürlich schon die Traurigkeit, die Moby richtig berühmt gemacht hat. Ein Pianoloop hat es dazu nur gebraucht, eine wabernde Synthiefläche, ein wehmütiges Vocalsample und diesen „Little Idiot“, ein gezeichnetes Alter Ego, das im zugehörigen Video durch eine seltsam-unverständliche – unsere – Welt irrt. „Why Does My Heart Feel So Bad“ war die Electro-Ballade, mit der aus Moby zur Jahrtausendwende erst ein richtiger Weltstar wurde. Es ist ein Karrieresprung, den man einer ab dahin schnöden Publikumsmehrheit nie wirklich verzeihen konnte, wenn man denn schon zehn Jahre vorher verfolgt hatte, was den umtriebigen New Yorker zu einer Art Kultstar gemacht hatte.

Moby – „That’s When I Reach For My Revolver“

Es war der Zeitpunkt, in dem aus beglückend herzlichen Konzerten vor einigen Hundert notgedrungen eine Entertainment-Produktion für mehrere Tausend werden musste. Ab dem auch ein Moby nicht mehr einfach so gegen die Regeln spielen konnte, schon deshalb natürlich, weil er selbst einige von ihnen eigenhändig abgerissen hatte. Mitten im Konzert vor einem geschlossen tanzenden Rave-Publikum eine Gitarre herauszuholen, war 1995 noch lange keine Selbstverständlichkeit. Man konnte den Schock an den herunterklappenden Kinnladen der Kids sehen, die gerade Techno für sich entdeckt hatten und nun plötzlich laut demonstriert bekamen, wo Moby seine musikalischen Wurzeln hatte – nämlich im rüde prügelnden New York Hardcore der Endachtziger. Er griff den noch einmal auf, mit „Animal Rights“, 1996, einem hochenergetischen Ausbund an Krach und Melodie, Verzweiflung und Liebe, Zorn und Hoffnung, für das er mit „That’s When I Reach For My Revolver“ sogar einen Song der Post Punk-Legende Mission Of Burma coverte.

Moby – „Go“

Bis dahin kannte man Moby als denjenigen, der mit „Go“ den ersten Techno-„Welthit“ abgeliefert hatte. Heute ist das bearbeitete „Twin Peaks“-Score-Motiv ein Klassiker der Rave-Kultur, ebenso wie die immer noch unglaublich mitreißende Hymne „Feeling So Real“ mit ihrer überdrehten Künstlichkeit, den wild losrasenden Happy-Hardcore-Beats und einem anarchistisch durchhauchten Gefühl von absoluter Freiheit auf dem Floor, von nie endenden Wochenenden und immerwährender Jugend. Als dieser Traum vorbei war, begraben von den Loveparades dieser Welt, oder im Älterwerden irgendwo auf der Strecke geblieben, gab es immer noch den Musiker Moby, der schnell als einer der credibelsten Musiker unter der Sonne galt: Tierfreund, vegan, freundlich, „echt“; einer, den man als Zyniker gern „Gutmensch“ nennt, und den man nach seinen Konzerten in irgendeiner stinknormalen Szenekneipe der gerade aktuellen Stadt dabei beobachten konnte, wie er ruhig dasaß und seinen Saft trank.

Moby – „Feeling So Real“

Es gab dann schnell den parallelen Moby, den James Bond-Vertoner, den Olympia-Musiker, den omnipräsenten Soundtrack-Befüller, sogar noch den „DJ“. Den Megaerfolg seines „Play“-Albums konnte er sowieso nie mehr toppen, die Zeiten hatten sich auch geändert, so richtig ruhig wurde es nie um ihn, immer mal wieder gab es ein Album, so richtig schlecht war keines, auch, wenn die Magie nicht mehr dieselbe war.

45 ist Moby heute und wenn es nicht sogar nach Techno-Zeitrechnung ein wenig verfrüht anmutete, könnte man „Destroyer“ fast schon als eine Art Alterswerk ansehen – „When You Are Old“ ist denn auch der Ausklang benannt. Elegisch ergießen sich die Tracks dahin, mit der typischen Verschmelzung von Melodieflächen und Vocal-Fragmenten, die nur ein Moby hinbekommt in all dieser Schönheit und anrührenden Verletzlichkeit. Moby selbst hört man nur noch einmal so richtig, eben in „The Day“, es ist ein heikles Unterfangen, diese Sinfonie des Sterbens als das Schlüsselwerk dieses Albums zu betrachten, als das es offensichtlich gedacht ist. Denn das Ende kann das eigentlich noch nicht gewesen sein.

Augsburg

Moby „Destroyed“

VÖ: 13.5.2011

Label: EMI

Tracklist:
1. The Broken Places
2. Be The One
3. Sevastopol
4. The Low Hum
5. Rockets
6. The Day
7. The Right Thing
8. After
9. Victoria Lucas
10. Blue Moon
11. Lie Down In Darkness
12. Stella Maris
13. The Violent Bear It Away
14. Lacrimae
15. When You Are Old

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