Das Leipziger Werk II kleidet sich in eine spärlich rote Beleuchtung. Eine halbe Stunde nach Einlass herrscht noch wenig Betriebsamkeit in der weitläufigen Halle. Der Abendkassenpreis von geschlagenen 30€ scheint doch den ein oder anderen vom spontanen Konzertbesuch abzuhalten. Das tröpfchenweise eintreffende Publikum gestaltet sich angenehm heterogen. Die Stimmung ist entspannt. Würde man nicht wissen, dass zu späterer Stunde Mogwai auf der Bühne stehen, könnte man auch vermuten, die Leute wären lediglich zum Bier trinken gekommen. Das musikalische Vorprogramm wird gelegentlich vom ein oder anderen Underground-Klassiker durchbrochen, der einen grinsend aufhorchen lässt, darunter Roky Erickson und The Velvet Underground.

(Foto: Steve Gullick)

Gegen halb neun ist schließlich die vordere Hälfte der Halle gut gefüllt und beinahe unbemerkt schleicht sich ein einzelner Herr auf die Bühnenmitte. Die freudige Überraschung der Uninformierten: es ist Gruff Rhys, seines Zeichens exzentrischer Frontmann der Super Furry Animals. Wer ihn kennt, ahnt, dass nun eine gesunde Portion Wahnsinn folgen wird. “Hello, my name is Grüff” sagt er. Soso, mit ü also. Er beginnt verhalten mit akustischer Gitarre. Irgendwann steht er auf, der Gesang läuft jedoch unerwarteter Weise weiter.

Er friemelt in seinem kleinen Sammelsurium an Gerätschaften die sich vor ihm tummeln herum und plötzlich fiept und surrt es, man hört Vogelgezwitscher. Gruff setzt sich und beginnt mitten im klanglichen Wirrwarr in feinstem, für einen Großteil des Publikums jedoch vollends unverständlichen, Walisisch zu singen. Großes Kino. “This is my drummer” erklärt er und stellt ein Metronom auf den Tisch. Das Publikum ist angesichts des mitunter dadaistischen Pop-Ansatzes entweder begeistert oder angewidert. Die Zeit vergeht schnell. Am Ende hält er ein Schild mit der Aufschrift Game Over in die Höhe, bedankt sich und verlässt in einer kurzen Krachkaskade die Bühne. Sehr amüsant, ein Mann mit sympathischem Spleen.

Mogwai – “San Pedro”

Nun ist Kontrastprogramm angesagt. Schon der Soundcheck im Voraus lässt vermuten, dass die Entscheidung, den Gehörschutz einzupacken, nicht jeglicher Berechtigung entbehrt. Nach zwei Minuten und den ersten epischen Klangkaskaden ist klar: Mogwai sind und bleiben eine musikalische Urgewalt. Die Dynamik, mit der das Quintett zu Werke geht ist faszinierend. Im Publikum herrscht kaum Bewegung. Blickt man sich um, sieht man gebannt auf die Bühne starrende Gesichter. Lediglich während der unbändigen Klangeskapaden wogt die Menge langsam im Takt mit. Auch die Licht-Show beeindruckt. Während einiger Titel des neuen Albums “Hardcore Will Never Die But You Will” laufen repetitive Kurzfilme mit, die einen in eine Art Trance versetzen. Es riecht nach Gras.

Das Werk II mausert sich im Laufe des Konzerts zu einer immer passenderen Location, fühlt man sich doch ein wenig wie im Inneren der Arche Noah. Lediglich das vom Blechdach zurückgeworfene Scheppern stört ein wenig. Nach guten 90 Minuten erwacht man, die Füße Schmerzen vom Stehen, doch man kommt nicht umhin zu grinsen. Nach dem obligatorischen frenetischen Applaus kommen die fünf Schotten noch einmal für zwei Titel auf die Bühne. Und die haben es in sich. Der Abschluss kulminiert in einer herrlichen Feedback-Orgie. Doch dann reicht es auch. Zeit den Becher zurückzugeben, den man schon seit einer Stunde in der Hand vergessen hatte und den Heimweg anzutreten.

Robert Henschel