(Foto: www.mogwai.co.uk)

Mogwai sind längst Postrockkoryphäen, auch wenn sie das Wort Postrock eigentlich gar nicht leiden können. Lässt man die Genrediskussion mal außen vor, kann man wohl festhalten, dass es sich bei den Glasgowern um die bedeutendste aktive Postrockband handelt. Und wie aktiv sie sind! Mit „Rave Tapes“ kommt am 17. Januar das mittlerweile achte Studioalbum in die Plattenläden. Nicht nur wenn es um den Genrestempel geht zeigt sich die Band etwas kauzig. Die Titel der Songs und Alben haben keine Bedeutung, Texte gibt es nur selten und richtig Lust über ihre Musik zu sprechen haben Mogwai eigentlich auch nie. Schwierige Voraussetzung also für ein Interview. Motor.de hat dennoch versucht, etwas aus dem Keyboarder Barry und dem Gitarristen Stuart herauszukitzeln. Von Kauzigkeit hat sich dann wenig bestätigt, eher von pubertärem Humor, der sich einstellt, sobald man die beiden in einen Raum setzt. Man muss sich das so vorstellen: Die Hälfte der Antworten versteht man kaum vor Lachen (und schottischem Hardcore-Akzent). 

 

 

Mogwai – The Lord Is Out Of Control (Official Video) from PIASGermany on Vimeo.

 

Wie geht’s euch?

Stuart Braithwaite: Ganz Okay.

Barry Burns: Ganz schön verkatert.

 

 

Barry, wir sitzen gerade in deinem Pub, du lebst in Berlin. Wie macht ihr denn noch Musik zusammen?

Stuart: Er fliegt ständig nach Glasgow zum Üben und Aufnehmen. Es ist wirklich nicht so problematisch.

Barry: Ich erinnere mich, dass wir uns schon damals, als wir noch in der gleichen Stadt wohnten, viel über unsere Computer schickten und CD’s brannten. Es hat sich also nicht so viel geändert.

 

 

Welche essentiellen Unterschiede sehr ihr in eurer neuen Platte Rave Tapes zu den Vorgängern.

Stuart: Sie ist etwas dunkler als die davor. Nicht so viele poppige Tunes. Es ist einfach, was es ist.

Barry: Sie ist etwas ruhiger, vielleicht deswegen, weil wir in letzter Zeit immer Probleme mit den Anwohnern unseres Proberaums hatten.

 

Und was hat es mit dem Artwork auf sich?

Barry: Wir haben einfach einen befreundeten Künstler angerufen und ihm ein paar Filme und Bilder von Filmen aus den Siebzigern, die wir mögen, geschickt. Dann kam er mit diesen geometrischen Formen an und fragte, ob er es pink gestalten könne.

Stuart: Er hat zu viel Miami Vice geguckt, das kommt da durch.

Barry: Ich mag pink! Wenn wir selbst ein Albumcover entwerfen müssten, dann wären da auf jeden Fall…

Stuart: …Katzen und Raketen…

Barry: … und Explosionen! Oder es würde so aussehen! (zeigt auf ein Bild, das eine putzig-dumm guckende Katze zeigt und zentral an der Wand von Barrys Pub hängt. An dieser Stelle sei dem geneigten Leser ein Besuch im Gift, der Schankstube des Mogwai-Keyboarders ans Herz gelegt. Donaustr .119, Neukölln) Ich hab es auf dem Hof gefunden. Jemand hat dieses Kunstwerk einfach weggeworfen! Kannst du das glauben?

 

Ihr redet bekanntlich nicht gern über eure Musik, ihr habt in den meisten Fällen keinen Gesang und somit keine Texte. Die Songtitel haben auch keine Bedeutung. Ihr wollt also erreichen, dass eure Musik für sich selbst steht?

Beide: Ja!

 

Haltet ihr denn jegliches Gerede über Musik für unnötig?

Stuart: Ich denke die Musik kann in ihrer eigenen kleinen Welt existieren und die Leute sollen sich daraus nehmen, was sie möchten. Einer der unserer Meinung nach positivsten Songs des Albums wurde zum Beispiel von einer Journalistin als satanisch empfunden. Daher sollte man die Leute einfach ihre eigenen Gedanken machen lassen.

 

Aber bei Popmusik geht es doch so sehr ums darüber Reden. Oft wirkt es, als sei der kleinste Anteil der Popmusik die eigentliche Musik. Ist das eine bewusste Strategie von euch, um den Leuten eine eigene Meinung zu eurer Kunst zu bewahren und dass das, was ihr ihnen an Interpretationen vorlegen würdet, nur die eigenen einengt?

Stuart: Ach, ehrlich gesagt wäre das zu weit gegangen. Die Wahrheit ist, wir haben keine Ahnung. Wir machen die Musik einfach.

Barry: Und das Problem ist: Das war’s!

Stuart: Ich weiß, das ist das ultimative Musikinterviewklischee, aber wir machen es einfach, weil wir es mögen. Und dann gibt es da gar nicht mehr so viel, worüber man reden könnte. Wir können über die Instrumentation sprechen, die Umstände, aber ansonsten…

Barry: Und das ist es, was deinen Job nicht so leicht macht.

 

Das klingt als sei Musikjournalismus an sich überflüssig.

Stuart: Nein, natürlich nicht alles daran. Ich bin ein großer Fan von Musikjournalismus, es gibt immer noch Geschichten zu erzählen. Und die Kritiken. Ich meine, nur weil wir keine große Geschichte erzählen, könnt ihr unser Album ja gut oder schlecht finden.

 

Was ist denn guter Musikjournalismus für euch?

Barry: Lester Bangs! Bei ihm hatte ich das erste Mal die Ahnung, warum Musikjournalismus existiert.

Stuart: Als ich aufwuchs und Joy Division-Fan wurde, habe ich Paul Morley für seine Beschreibungen und Rezensionen bewundert.  Du hast ein Gespür dafür bekommen, worum es bei Joy Division ging.

 

Seht ihr eure Alben als Konzeptalben, in dem Sinne, dass man es als Ganzes durchhören sollte, um es zu verstehen?

Barry: Nein.

Stuart: Naja, die Leute sollten sich die Platte schon ganz anhören, sie sollten es zumindest können. Ich denke, dass sich so erst eine bestimmte Atmosphäre aufbaut. Bei diesem Album haben wir besonders darauf geachtet, dass die Songs zueinander passen.

Barry: Normalerweise schreiben wir um die 20 Songs und wählen dann aus.

 

Habt ihr dieses Mal mit Gastmusikern gearbeitet?

Stuart: Nein, gar nicht, nur wir fünf, die fünf Musketiere.

 

Und es war sofort perfekt, ganz ohne Hilfe?

Barry: Es war billiger! Nein, wir haben niemanden gefragt, dieses Mal haben wir uns gereicht, ohne das Anderen gegenüber böse zu meinen.

 

Hattet ihr die Parts für die Gastmusiker auf den vorherigen Alben vorgegeben oder hatten sie völlige Freiheit?

Barry: Wir haben das, was wir uns vorgestellt hatten, immer schon angedeutet, dann hatte der jeweilige Gastmusiker Improvisationsfreiheit. Es hatte den Geist einer Kooperation, sie haben im Prinzip gemacht, was sie wollten.

 

Ihr released mit Rave Tapes das zweite eigene Album auf eurem Label Rock Action.

Stuart: Auf Rock Action haben wir Ten Rapid released, was eine Single Collection unserer Anfangsjahre ist, das erste Studioalbum war Hardcore will never die… . Dazu das Live Album (Anm. d. Red.: Special Moves, 2010) und der Les Revenants Soundtrack.

 

Selbst zu veröffentlichen klingt nach einer Menge Papierkram.

Stuart: Unser Buchhalter hat uns das empfohlen. „Ich habe mir die Zahlen angesehen, ihr könnt euch das leisten, ihr solltet das selber tun!“ Nein, wir hatten das Label ja ohnedem und haben Alben anderer Künstler veröffentlicht. Da lag es quasi auf der Hand. Alle Bands sollten ihre Musik selbst rausbringen. Und alle Leute von den Labels sollten selber Musik machen!

 

Rave Tapes ist, neben den Soundtracks und weiteren Veröffentlichungen, euer achtes Album.

Barry: Oh, ist es? Jesus. Haben wir schon mehr Songs als die Beatles geschrieben? Mehr als 200?

Stuart: Wahrscheinlich. Wie viele hatten die?

Barry: So 200. Das kannst du schreiben: „Besser als die Beatles!“

 

Hat sich euer Verhältnis zur Musik über die Jahre verändert, was das Hören als auch das Machen angeht, unabhängig von der Routine, die sich sicherlich einstellt.

Stuart: Wir verstehen das Business mittlerweile besser. Als wir anfingen dachten wir der Rider wäre ein Geschenk, weißt du, die Getränke, die Künstler für den Auftritt bekommen. Die werden allerdings von der Gage abgezogen. Dann hieß es erst mal nur noch: „Ein kleines Bier bitte.“ Das Musikmachen an sich und die Gründe sind so ziemlich die Gleichen.

 

Vier von euch schreiben die Songs.

Barry: Bei diesem Album sogar nur drei. Dominic ist Vater geworden und somit beschäftigt.

 

Gibt es so etwas wie Handschriften des Einzelnen von euch in den Songs?

Barry: Ich weiß nicht …

Stuart: Also ich kann sie hören!

Barry: Du bist ja auch in der Band!

Stuart: Nein, ganz offensichtlich meine ich. Aber wir arbeiten immer zusammen. Es gibt einen neuen Song Master Card, der zwar ursprünglich von John kommt, zu dem wir aber alle so viel beigesteuert haben, dass er das Resultat unserer aller Arbeit ist.

Barry: Für uns ist es schwierig die Frage zu beantworten, weil wir die Songs ja geschrieben haben.

Stuart: Auf der anderen Seite ist es meist so, dass derjenige den Song geschrieben hat, der den ersten Ton spielt.

Barry: Haben wir eigentlich ein Lied, das mit den Drums beginnt?

 

Ihr seid bekannt für die Vielzahl der technischen Geräte, die bei euch auf der Bühne steht. Seid ihr die Technikfreaks für die man euch hält?

Barry: Wir haben zwar viele Geräte und versuchen verschiedene Sounds zu kreieren…

Stuart: Aber es ist bei der Lautstärke auch egal. Wir probieren gerne neue Möglichkeiten aus, aber es ist keine Obsession oder so was. Die Musik selbst ist tausend Mal wichtiger.

Barry: Wenn wir neue Geräte ausprobieren und nach 20 Minuten nichts besonderes herausgekommen ist, dann stellen wir es wieder in die Ecke.

Stuart: John ist, was das angeht, verrückter als ich, er verbringt eine Unmenge Zeit mit solchen Geschichten.

 

Ihr habt zwei Soundtracks veröffentlicht (Anm. d. Red.: Zidane, A 21st Century Portrait und Les Revenants). Werdet ihr in Zukunft weiterhin Songs für Filme oder Serien schreiben?

Barry: Von uns aus gerne.

Stuart: Wir würden gerne an Les Revenants weiterarbeiten, daneben machen wir die Musik für einen Film von unserem Freund Anthony, The Hudson River Project, wenn’s denn soweit ist. Es geht darum, dass sich dieser Freund von uns in New York ein Boot bauen will, den Hudson River damit 300 Meilen entlang fahren und wieder herunter segeln möchte.

Barry: 300 Meilen, holy shit!

Stuart: Der ist echt wahnsinnig! Aber wir freuen uns sehr drauf. Nächstes Jahr geht es los.

 

Wo liegen denn die grundsätzlichen Unterschiede zum Schreiben einer regulären Platte? Bekommt ihr die Szenen und sollt diese dann passend untermalen?

Stuart: Manchmal, aber nicht immer. Bei Zidane war der Film schon fertig, bei Les Revenants hatten wir….

Barry: … die Stories.

Stuart: … genau, und Fotos von den Drehorten, daneben noch ein paar Referenzen. Wir mussten mit dem Soundtrack vor dem Film anfangen, weil zu diesem Zeitpunkt für uns schon eine Tour anstand.

 

Also musstet ihr die Musik zu diesen Fotos schreiben?

Barry: Wir mussten uns dann den Rest vorstellen.

 

Das muss doch ungewohnt sein!

Stuart: Ja, das stimmt, aber sie kannten unsere Musik gut und wussten, woran wir interessiert sind. Wir brauchten uns nicht verstellen, oder etwas großartig anderes als sonst schreiben.

 

Was macht einen guten Soundtrack aus?

Barry: Wenn die Musik nicht dem Film im Weg steht. Ich hab so viele Filme gesehen, in denen es in wichtigen Momenten DADAAAM macht und ich nur denke „Come on!

Stuart: Die schlimmste filmmusikalische Phase sind die Neunziger. Auch bei Filmen, die ich mag, sind die Soundtracks oft total daneben, übertrieben orchestriertes Zeug. In den Siebzigern – und vielleicht mittlerweile wieder – ging und geht es viel subtiler zu, viel mehr Einklang mit der Story.

Barry: Ja, die Siebziger waren gut, John Carpenter und Morricone. Klaustrophobische Filme mit klaustrophobischen Soundtracks.

(Marc Augustat)