Das elfte Immergut Festival im Herzen der Mecklenburgischen Seenplatte lieferte beste Unterhaltung mit einem spannenden und vielschichtigen Lineup, gut gelaunten Festivalisten und die wie immer hochgeschätzte, familiäre Atmosphäre. In diesem Jahr haben wir das Veranstalterteam tatkräftig unterstützt und ordentlich die Werbetrommel gerührt. Natürlich wollten wir uns das Spektakel auch live nicht entgehen lassen. Mit der Redaktion und ein paar Freunden haben wir uns ausgiebig für euch umgesehen, uns durch den Pogomob geprügelt und uns einen ausgedehnten Tinnitus eingefangen. Trotzdem, wir kommen im nächsten Jahr wieder! Aber jetzt der Reihe nach.

Am Freitag erreichen wir das Gelände pünktlich zum Opener auf der Hauptbühne: Chuckamuck. Nach einem bunten Sonne- und Regenmix, der uns die Anreise versüßte, konnten wir bei bestem Wetter unsere Zelte aufschlagen. “Habt ihr Schwein, gerade sah das noch ganz anders aus”, begrüßt uns ein Typ in schlabbrigem Pearl Jam-Shirt, der ziemlich durchnässt neben uns aus dem Zelt kriecht. In der einen Hand ein Dosenbier, in der anderen eine Packung Grillwurst, lädt er uns zum Abendessen ein. Im Hintergrund lärmen die vier Herren von Chuckamuck – über den Platz schallen inbrünstig ausgestoßene “äääiiiiyooos” und “eieieieis”. Die Menge scheint begeistert, der Auftakt geglückt. Später erfahren wir, dass uns der noch bessere Auftakt von Mr. Knyphausen leider entgangen ist. Wie sich im weiteren Verlauf des Abends noch herausstellen wird, werden wir jedoch noch reich entschädigt.

Gut gefüllt mit allerlei Grillgut und appetitanregenden Kaltgetränken begeben wir uns auf das Festivalgelände. Schnell macht sich der erste große Vorteil vom Immergut bemerkbar – vom Zelt bis zur Hauptbühne braucht man gerade einmal gute fünf Minuten. Es begrüßt uns ein gut gelaunter Frank Spilker auf dem Birkenhain. Der Sterne-Frontmann ist solo unterwegs und beschallt die aufmerksam zuhörende Menge ausschließlich mit einer Akustikgitarre. “Wo fing das an und wann, was hat dich irritiert” – die Meute brüllt im Chor: “Was hat dich bloß so ruiniert!” Das Konzept geht auf, die Stimmung ist klasse. Auch ohne Band kann Spilker punkten, wirkt sympathisch, ausgelassen und sieht seine kleinen Verspieler mit Humor. Das Publikum ebenfalls. Es gibt einige Perlen aus dem Repertoire der Hamburger Indie-Rocker zu hören, für einen warmen, frühsommerlichen Abend perfekt. Ein lockerer und sehr gemütlicher Einstieg.

Bevor sich die fünf schwedischen Schönheiten von Those Dancing Days auf die Bühne bequemen, schauen wir noch kurz bei Station 17 vorbei. Die Hamburger spielen auf der Zeltbühne und haben volles Haus. Da der Bauch vom Grillen noch ein wenig schmerzt, entscheiden wir uns jedoch gegen die springende Menge und für die gemütlichere Variante – wir kommen mit ein paar Festivalbesuchern ins Gespräch. Anja, 20, kommt aus Knüppeldamm. Das ist ein Dorf direkt in der Nähe mit ein bisschen mehr als 20 Einwohnern. Deshalb sei sie jetzt auch nach Rostock gezogen. Doch für ein schönes Festival stattet man der Heimat doch immer gern wieder einen Besuch ab. Sie schätze das Immergut vor allem für die Atmosphäre, die überschaubare Größe und natürlich für das super Lineup. Zusammen mit einigen Freunden sei sie hier und das nicht zum ersten Mal. Nach einem kleinen Austausch über angestrebte Highlights im Programm ziehen wir mit ihr zu Those Dancing Days.

Nach einigen Tonproblemen, hier liegt am ersten Tag leider der Hase gewaltig im Pfeffer, startet der sympathische Fünfer um die schöne Sängerin Linnea sein Set. Hochgezogene Mundwinkel, wahrscheinlich über den rappelvollen Platz vor der Bühne und die schöne Abendsonne, begleiten die gute Stunde über sowohl die Band als auch das Publikum. Was anfangs noch sehr entspannt aussieht, entwickelt sich erstaunlich schnell zu einem pogenden Mob. Eine Kollegin kommt mir von weiter vorn mit einigen Schürfwunden entgegen. Wir bringen unsere Kamera in Sicherheit und schauen uns das Spektakel aus sicherer Entfernung zu Ende an.

Gleich neben dem Ein- und Ausgang des Geländes befindet sich das Labelzelt. Nach der schweißtreibenden Performance der schwedischen Damen scheint uns das als Akklimatisierungs-Punkt gerade richtig. Das von einer weißen Plane eingehüllte Zelt ist etwa so groß wie ein Bierzelt. Auf passenden Garnituren aus ähnlichem Umfeld haben sich diverse Plattenschmieden, aber auch Plattenverkäufer oder -verwerter, wie unter anderem die Kollegen von Detektor FM, eingefunden.

Gleich neben Sinnbus Records, die unter anderem auch das sagenumwobene Jane Fonda Trio beherbergen (später mehr dazu), sitzen zwei fröhlich dreinblickende Mitarbeiter von Mirkokleinstgarten, einem noch sehr jungen Dresdner Label, die vor allem im Post-Rock ihre Erfüllung finden. Vor ihnen liegen schicke, selbstgemalte Stoffbeutel, geschmackvolle Shirts und eine Platte mit einem finster dreinblickenden Mann. “A Poor Man’s Memory hat gerade unser Hauptaugenmerk”, erzählt mir Robert, einer von sechs ständigen Mitarbeitern, die das kleine Label schmeißen. “Es hat sich einiges getan, früher haben wir die CDs noch selbst gebrannt und per Hand verpackt, waren quasi nur ein einfacher Stempel. Das sieht jetzt schon anders aus, wir bekommen gutes Feedback. Darüber freuen wir uns sehr.” Leider wollte das Immergut ihren aktuellen Zögling nicht einladen: “Mit Mogwai sei die Sparte schon abgedeckt”, so die für ihn etwas enttäuschende Begründung. Schade eigentlich, denn die drei Herren von A Poor Man’s Memory haben wirklich einiges auf dem Kasten. Wir wünschen den Beiden noch einen schönen Abend und gehen nach einem kurzen Schnack mit dem sympathischen Plattenhändler von nebenan wieder gen Hauptbühne. Darwin Deez hat sich angekündigt. Dafür prügeln wir uns auch gern mal durch den Fotograben:




Nach einer kurzen Verschnaufpause, fettigen Pommes mit undefinierbarer Soße, die jedoch beträchtlich satt gemacht haben und für die weitere Abendplanung bestimmt eine gute Grundlage abgeben, freuen wir uns auf Mogwai. Die großzügig mit Verstärkern beladene Bühne hat nun auch eine weiße Projektionsfläche im Hintergrund bekommen. Eine große Traube an Leuten wartet bereits etwas länger auf den Headliner des ersten Abends. In dieser Minute haben auch Ra Ra Riot ihr Set beendet. Von nebenan aus der Zeltbühne strömt die Masse auf den großen Platz und mischt sich unter die bereits gespannt wartenden Anhänger der Post-Rocker. Nach einigem Hin- und Her-Geschiebe haben wir dann einen guten Platz gefunden und können dem Konzert folgen.

Mit “White Noise”, dem Opener ihres neuen Albums “Hardcore Will Never Die But You Will“, starten sie ihr Set. Eine leichte Windbrise geht über den Platz, die Keys setzen ein, eine warmer Klangteppich legt sich über das Publikum, das sich schnell in tranceähnlichem Zustand wiegt. Die Atmosphäre ist perfekt. Hier ein paar Eindrücke:





Leider nur gibt es einen ziemlich ausgeprägten Haken am Zauber. Der Sound ist entpuppt sich nach und nach als Katastrophe. Ist man es normalerweise gewohnt, dass sich die Lage nach dem dritten oder vierten Song etwas entspannt, warten wie hier vergebens auf Besserung. So sehr man sich auch versucht, über die Show zu freuen, immer wieder fallen die Songs der kaum spürbaren Bassdrum und dem undifferenzierten Gitarren, die wie ein einziger großer Brei durch die Boxen dröhnen, zum Opfer. Sehr schade, ist die Band doch in guter Spiellaune. Wenn auch recht einsilbig und defensiv, ist ihre Show sehr sympathisch und die Setlist ausgewogen und gelungen. Leider verdirbt der Sound das Konzert. Wir hoffen auf Besserung am nächsten Tag. Während Nôze den Birkenhain stürmen, geht für uns der erste Immergut-Tag zu Ende.

»Hier geht’s zum Samstag.

Fotos und Text: Alex Beyer