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motor.de auf dem Melt! Festival 2011 – Teil 3: Der Sonntag

Im Laufe der Zeit hat sich das Melt!-Festival vom Elektro-Geheimtipp zu einem Drei-Tages-Festival jeglicher Couleur entwickelt. War der dritte Tag vor einigen Jahren noch Musikliebhabern vorbehalten, rare Acts auf der Mainstage zu sehen, während die meisten anderen Bühnen bereits geschlossen wurden, wird dieses Jahr ein Gesamt-Programm aufgefahren, das sich im Umfang durchaus mit den vorherigen Tagen messen kann. Gesegnet sei der, der trotz glänzender Wettervorhersage seine Gummistiefel eingepackt hat – auch die Stadt aus Eisen blieb wird vom diesjährigen Festival-Tief heimgesucht.

Auf der Main Stage leitet KATY B den letzten Festivaltag ein. Die 22-jährige Britin, dessen Stimme Ähnlichkeiten zu Florence Welch von Florence And The Machine aufweist, versteht es vorzüglich, den Regen vergessen zu machen. Obwohl sie mit James Blake einst zusammen zur Hochschule ging, geht ihre Musik weitaus mehr nach vorne. Ihre Art von Pop zeigt, dass glattgebügelte Musik nicht immer langweilig sein muss. Mit mädchenhaftem Charme präsentiert sie ihren Dubstep-Pop, der durch Dance- und Funk-Elemente verziert wird. Warum viel Worte, wenn doch eins ausreicht: Schön – schöne Frau, schöne Stimme, schönes Konzert.

Die Indie-Rocker von COLD WAR KIDS hingegen gehören eindeutig zu den Enttäuschungen des Festivals. Die Kalifornier werden nicht nur in Blogs, sondern auch anderswo mit Größen wie Arcade Fire verglichen. Dieser Vergleich wird besonders dann obsolet, wenn er einem Live-Test unterzogen wird. Denn dieses Gleichnis hinkt nicht nur, es strauchelt sogar. Cold War Kids sind eine Hype-Band, wenn überhaupt. Ihr gesichtsloser Rock wird mal mit Blues, mal mit Folk vermischt. Im Großen und Ganzen ist das kitschiger Indie, der selbst nicht weiß, was er will. Schade.


Gegen die Nässe hilft vor allem eines um trocken zu werden: Bewegung. Also ab zur Big Wheel Stage, die an diesem Sonntag ganz im Zeichen von Resident-DJs des weltbekannten Berliner Technoclubs Berghain und des dazugehörigen Labels Ostgut Ton steht. Bereits am zeitigen Abend wissen Marcel Fengler und Barker & Baumecker den Regen mit wuchtigen Beats vergessen zu lassen. Ist ja letztenendes auch nur Wasser.


Wer die Festivalzeitung, die an einigen Ständen herumliegt, heute noch nicht gelesen hat, reibt sich an der Mainstage verwundert die Augen. Der britische Pop-Rapper Plan B musste aufgrund von Krankheit absagen. Als Ersatz spielten jedoch FRITTENBUDE erneut auf und tauschten die Verwunderung schon schnell gegen wohliges Grinsen. Der Platz vor der Bühne verwandelt sich schnell in ein buntes Meer aus Regencapes, Schirmen, Konfetti und Freudentaumel. Auch die Band ist sichtbar begeistert von dem Zuspruch und spielt ein abwechslungsreiches Set, das einige Variationen zu dem bietet, was auf der Pre-Party am Donnerstag dargeboten wurde.


Im Zelt konnten sich die Besucher vor dem Dauerregen ein wenig verstecken. Doch wer kurz vor Mitternacht gehofft hatte, hier eine ruhe Kugel schieben können, denen machten LES FAVY SAV einen gewaltigen Strich durch die Rechnung. Die New Yorker heizten der nassen Crowd mit explosiven Gitarren-Riffs und treibenden Rhythmen ordentlich ein. Da wurden auch die müdesten Füße wieder zum Leben erweckt. Besonders Sänger Tim Harrington zeigte sich in bester Laune. Kurzerhand riss er eine rote Bühnenleinwand heraus und streifte sie sich als riesigen Umhang über.

Ein letztes Mal locken die Bässe der Big Wheel Stage. Keine Frage: Wenn Technolegende RICHIE HAWTIN zum Stampf bittet, gehört das zum Pflichtprogramm für Freunde elektronischer Musik. Die hypnotischen Visuals provozierten die Feier-Biester, um auf dem Ferropolis-Gelände noch einmal alles zu geben. Hawtin spielte sich in solch eine Extase, dass er gemeinsam mit dem Publikum die Zeit völlig vergaß und beinahe eine Stunde überzog. Böse darüber war höchstens die Security. Während auf dem Gelände nun endgültig Schicht im Schacht war, legte ELLEN ALLIEN noch einige Stunden auf dem Sleepless Floor auf, bis auch ein viertes Mal wieder viel zu schnell der Morgen dämmerte. Wo ist bloß die Zeit geblieben?


Wer noch einmal nachlesen will, was die anderen Festival-Tage zu bieten hatten: »hier gehts zum Melt!-Freitag und »hier zum Melt!-Samstag.

Vom Melt!-Festival berichteten für euch Sebastian Weiss und Danilo Rößger.

Fotos: Danilo Rößger, Florian Albrecht-Schoeck, Linus Lohoff
Text: Sebastian Weiss, Danilo Rößger

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