Drei Tage, sieben Bühnen und mehr als 20.000 Freunde der exzessiven Feierei – motor.de war für euch auf dem Melt! Festival in Ferropolis. Ein Motto: Auf geht’s, ab geht’s – drei Tage wach? Dass das Melt! diese Möglichkeit bietet, steht außer Frage. Und wurde mit dem ersten Festival-Tag auch eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Neben unzähligen Newcomern präsentierten die Veranstalter gleich am ersten Tag den Techno-Papst der Republik: Paul Kalkbrenner.

Nachdem das MTV-Urgestein Markus Kavka den Festival-Freitag mit einem ansprechendem DJ-Set einleitete, ging es am frühen Abend mit den Senkrechtstartern SIZARR richtig los. Wer die drei Jungs aus Landau noch nicht kennen sollte, darf sich ihren Namen getrost merken – zwar haben Sizarr bis dato noch keine LP veröffentlicht, dennoch bespielen sie bereits zum zweiten Mal das Melt! Noch keine 20 Jahre jung, dennoch ungeheuer abgeklärt, präsentierten sich die Drei in bester Kondition. Dabei hatten Sizarr mit einigen Soundproblemen zu kämpfen, wie uns Sänger Fabian im Interview mitteilte. Ihre ganze Klasse konnten sie sicherlich nicht unter Beweis stellen, trotzdem deuteten sie ihren interessanten Mix an: HipHop-Beats treffen auf weltmusikalische Ideen, elektronische Spielereien auf seichten Art-Rock – heraus kommt ein dynamisches Sammelsurium eklektischer Fantasie.


Wenig später ging es zum nächsten Überflieger: NICOLAS JAAR, New Yorker DJ, aufgewachsen in Chile und Speerspitze des Minimal-Techno/House in diesem Jahr. Sein Debüt “Space Is Only Noise” ist ein entschleunigtes Meisterwerk für alle Freunde der minimalen Klang-Konstruktionen. Und dass sich dieser Purismus nur schwer auf eine größere Masse übertragen lässt, wusste der 21-Jährige mit einer kleinen Live-Band gut zu kontern. Nachdem die Sound-Irritationen nach 20 Minuten überwunden waren, verstand es seine Slow-Motion-Musik mit traumhaften Build-Ups zu verzaubern: ein bisschen Villalobos hier, ein wenig Nu-Jazz dort. Sein Gitarrist und der Saxophonist harmonierten zu den Beat-Konstruktionen Jaars beinahe perfekt, setzten elaborierte Akzente, die hier und dort sogar in Improvisationen mündeten. Unglaublich deep: Ist das Art-House?


Weiter ging es mit dem Berliner Sascha Ring alias APPARAT. Obwohl er seinen Ruf als Computer-Maestro nicht weiter verfestigen konnte, spielte er sich mit seiner Band in einen kleinen Rausch. Kaum Gefrickel und Geplucker, dafür mit einer ordentlichen Portion Psychedelic. Das Quintett wusste mit beherzten Melodie-Tsunamis das Melt-Meer in Aufruhr zu versetzen. Auch seine weiche Stimme setzt ungewöhnliche Assoziationen frei – Thom Yorke, Harmonia, manchmal wurde es sogar regelrecht post-rockig. Neue LP im September – Pflichtprogramm für alle Ohren. 

Sein britischer Electronica-Kollege GOLD PANDA setzt keineswegs auf eine ätherische Stimmung. Derwin Panda verwob mannigfaltige Gitarren-Samples und indische Musik zu einem imposanten Sound-Salat, hier und da waren seine Beat-Kaskaden jedoch das ein ums andere Mal zu komplex, um die Feiersüchtigen in Ekstase zu versetzen. Obwohl die Musik bisweilen ein wenig überformt daherkam, wussten die orientalischen Flecken auf dem Klangteppich zu überzeugen. Auffällig: dieser Herr dreht nicht nur irgendwelche Knöpfe an irgendwelchen Gerätschaften – Gold Panda ist ordentlich am head-bangen, die Menge jubelt. Fazit: Dieser Kerl rockt.


Kurz nach zwei Uhr ist das Festival nicht nur seit elf Stunden bereits kräftig am Abzappeln, allmählich füllt sich der Platz vor der Main Stage. Der Grund: PAUL KALKBRENNER. Deutschlands beliebtester Techno-Papst wurde seinem Ruf mehr als gerecht: wie auf einem Thron sitzend, schleuderte er seinem hungrigem Volk die Bass-Leckerlis entgegen. Die Setlist war mit einer bunten Mischung aus Klassikern und neueren Tracks bestückt. Nicht nur die Sommerhymne “Böxig Leise” entpuppte sich als Liebling der Massen, auch sperrigere Tracks wie “Jestrüpp” oder “Kleines Bubu” werden frenetisch gefeiert. Kalkbrenner wusste die Gier der Partymeute zu stillen, denn als letztlich auch “Sky And Sand” von den Tausenden ekstatisch aufgenommen wird, ist das – mitunter eingängige und äußerst transparente – Rave’n’Roll-Erlebnis komplett.



Kurz nach drei Uhr ist der erste Festivaltag vom Melt! 2011 allerdings noch lange nicht vorüber. Nach Kalkbrenner wussten die Veranstalter ein weiteres Schmankerl anzubieten: BOYS NOIZE. Dass der gebürtige Hamburger nicht nur ein ausgezeichneter Remixer ist, sondern auch zu den meist gebuchten deutschen Acts gehört, konnte sein über 90-minütiges Set eindrucksvoll unter Beweis stellen. Auch wenn sein Sound-Repertoire nicht zu den Größten der Szene gehört, so moduliert der Wahl-Berliner druckvolle Bass-Figuren zwischen Acid-House und technoiden Party-Nummern.

Nach Boys Noize ist es kurz nach 6 Uhr – die Sonne hat bereits die eisernen Feierer begrüßt. Wer sich noch nicht gänzlich verausgabt hatte, machte sich noch zur Big Wheel Stage auf, denn dort heizte bereits der brasilianische DJ Gui Boratto mächtig ein. Und auch auf dem Sleepless Floor geht es jetzt erst richtig los. Für uns geht es nun in den wohlbehüteten Schlafsack. 

»Hier gehts zum Melt!-Samstag
»Hier gehts zum Melt!-Sonntag

Vom Melt!-Festival berichteten für euch Sebastian Weiss und Danilo Rößger.

Fotos und Text: Sebastian Weiss