Am 27. und 28 Mai lockte das SPOT Festival im dänischen Studentenstädtchen Aarhus mit einem Line Up voll heißer skandinavischer Geheimtipps. motor.de war für euch dabei.
‘Spot-Festival? Nie gehört!’ Als wir die Reise nach Aarhus antreten, haben wir erst einmal absolut keine Ahnung, was uns in der dänischen Universitätsstadt erwarten wird. Beim LineUp-Check sagen uns nur wenige der zahlreichen KünstlerInnen etwas. Gespannt und ahnungslos steigen wir also in Berlin mit einigen KollegInnen in den eigens für uns gecharterten Bus. Den Rest der Meute sammeln wir in Hamburg ein. Um halb acht starten wir die Reise und schon um neun werden wir mit einer dänischen Eigenart konfrontiert: Gammel Dansk. Zu einem richtig guten Frühstück gehört in Dänemark an besonderen Tagen nämlich ein richtig guter Schnaps. Wir verschlafen die Fahrt bis Hamburg, um den Rest des Weges mit Stullen und Tetris zu überbrücken.
Gegen 18 Uhr erreichen wir unser Ziel. Schon wenig später startet das Festival für JournalistInnen mit dem Interspot, einem Konzert im örtlichen Musikcafé, auf dem sich deutschsprachige Musiker mit dänischen Musikanten auf der Bühne zusammenschließen. Schon jetzt wird uns klar, dass es ganz,ganz viel um Networking gehen wird in den nächsten Tagen. Unsere Freude wächst, als die österreichische Band GINGA gemeinsam mit den Dänen von Kiss Kiss Kiss die Bühne betritt und ein passables Konzert spielt, um danach an Talking To Turtles abzugeben, die sich gemeinsam mit Let Me Play Your Guitar die Ehre geben. Das Leipziger Musikerpärchen spielt zu fünfzig Prozent in Schlappen und unterstützt von der dänischen Band klingt der Motorliebling noch ein ganzes Stück ausgereifter als zu zweit. Wir verlassen das Venue früh, der nächste Tag soll ein harter werden.
Wir starten unseren Spot-Freitag mit einem Networking-Lunch in der Stadt-Brauerei. Man erwartet uns schon: am Wegrand zur Brauerei stehen Engel, die uns mit weißen Rosenblättern bewerfen und Äpfel verteilen. In der Brauerei selbst steht der von geschickt platzierten Nebelmaschinen verteilte Kunst-Rauch wolkenartig im Raum. Dann beginnt jemand zu reden, wir blicken hoch und erkennen einen älteren Mann, der, in ein weißes Gewand gehüllt, vom Garten Eden erzählt. Feels like a Motto-Party ohne Kostüm. Es folgt das Übliche: Dankesreden, Klatschen, Lob, Klatschen, Dankesreden, Klatschen, Essen.
Wir verlassen die merkwürdige Versammlung im Regen, um uns in einen Hinterhof zu verziehen, in dem das dänische Label Tigerspring ein kleines Garten-Konzert parallel zum SPOT veranstaltet. Hier stimmt einfach alles: Die Kopenhagener Band One Year From Home gibt unter einem Pavillion im Grünen ihre funkigen Surf-Indie-Songs zum Besten während das Publikum, im strömenden Regen stehend, relaxt die Köpfe wippt. Zwischendurch nimmt sich jemand ein Bier aus dem mit Eiswürfeln gefüllten Plantschbecken, das mitten im Garten steht. Ansonsten hören alle zu. Entspannt und Smooth- trotz Platzregen und durchweichter Kleidung. One Year From Home nehmen uns alle vollkommen gefangen auf eine derartig lässige Weise wie es nur in den seltensten Fällen vorkommt. Ab und an wird ein Effektgerät näher an sich heran gezogen, um es nicht dem Regen auszusetzen, ansonsten wirkt die Band, als befänden wir uns in einem californischen Surfcamp bei 30 Grad im Schatten.
Kurz darauf folgt, mit dem isländischen Bluesman und Songwriter Mugison, eine weitere Neuentdeckung für uns. Perfekter hätte der SPOT-Einstieg für uns nicht laufen können. Nass sind wir trotzdem.
Weiter geht’s nach einer kurzen Umzugspause mit Thus:Owls, deren Konzert wir leider fast gänzlich verpassen. Als wir Erika im Anschluss an die Show zum Interview treffen, ist sie etwas durcheinander. Die Band war auf dem Hinweg in einen Autounfall verwickelt und ist ziemlich aufgewühlt. Dementsprechend kurz fällt auch das Interview mit der schüchternen Sängerin aus.
Weil’s so kurz ist, schaffen wir noch den Sprung in den Lille Sal, einem Raum mit großartiger Akustik, um Anna von Hausswolff zu lauschen. Wir betreten den Raum ohne große Erwartungen und sind dann schnell – trotz einiger technischer Probleme- überwältigt von dem Konzert, das die zierliche junge Frau zusammen mit einer Freundin da liefert. Der Auftritt der schwedischen Sängerin zählt schon jetzt zu einem unserer Konzert-Highlights diesen Jahres.
Wenig später treffen wir uns mit Helgi Jonsson zum Interview. Jonsson begegnet uns (etwas übermüdet) als ausgesprochen freundlicher, gesprächiger Musikliebhaber.
Wir eilen in den Interview-Raum um die Figurines zu treffen. Auf dem Weg dorthin raunt man uns etwas von ‘Stock im Arsch’ zu. Im Interview mit motor.de zeigen sich die Figurines jedoch keineswegs steif. Interessiert und gesprächsfreudig wissen sie auf jede unserer Fragen eine Antwort.
Als wir uns Helgi Jonsson ansehen wollen, ist der Saal leider schon voll. So machen wir uns schnell auf den Weg zum Rytmisk Sal, wo die Figurines spielen. Diesmal stellen wir uns rechtzeitig an, um Zugang zum Venue zu bekommen. Die Dänen spielen ein solides Konzert in einem völlig überhitzten Saal. Band wie Publikum haben großen Spaß an der Sache, uns stören lediglich die immergleichen Melodien der Figurines-Hits. Komisch, dass uns das jetzt erst auffällt. Schweißnass verlassen die Figurines die Bühne- und wir den Saal.
Wir eilen in die größte Halle auf dem Festivalgelände, wo Lucy Love gerade die Bühne entert. Sie liefert eine Deichkind/Yelle/M.I.A-Zwitter-Liveshow ab, wie wir sie uns niemals träumen lassen hätten. Krasse Kostüme, merkwürdige TänzerInnen, Lasershow, perfekt aufeinander abgestimmte Farben und eine völlig durchgedrehete Lucy Love. Rein musikalisch ist das Geschmackssache, die Show aber kann sich auf alle Fälle sehen lassen. Mit Plattfüßen laufen wir – an sämtlichen Aftershow-Parties vorbei – direkt ins Bett. Ein langer, langer Tag.
Unser SPOT-Samstag startet ausgeschlafen. Versehentlich landen wir bei einem Balcony TV- Gig von einer Country-Band, deren Name uns bis heute ein Rätsel ist. Gegen Nachmittag treffen wir Andres und Mathias von der dänischen Newcomerband Artificial Brothers vor dem Musikhuset und führen sie – inklusive Manager und Booker – in ein naheliegendes Parkhaus. Mit Unterstützung der reizenden Kolleginnen von Radio Q sowie zwei Flaschen Vodka führen wir einen regelrechten Spiele- und Interview-Marathon mit den vier jungen Männern durch. Als erstes gibt’s die motor-Malstunde, darauf folgt eine Runde ‘Ich packe meinen Koffer’ in der abgewandelten Version: Wer etwas durcheinanderwirft, muss Schnaps trinken. Dann noch eine Runde Speed-Dating.
Powersolo spielen gegen 17 Uhr im Zelt und es ist unglaublich, wie voll es dort um diese Zeit schon ist. Die Band hat das Publikum im Griff und fühlt sich sichtlich wohl auf der Bühne. Der Zeitplan wird auf dem SPOT strikt eingehalten. Das ist gut für unserer Konzertplanung, Powersolo scheinen sich darüber allerdings nicht zu freuen. Sie wollen die Bühne partout nicht verlassen. Nach einer Weile beugen sie sich dann aber doch dem Securitypersonal und erscheinen gut gelaunt zum Interview. Bei Bier und Rotwein machen sie sich einen Spaß aus der unangemeldeten motor-Malstunde und erzählen viele mehr als nur merkwürdige Geschichten, lachen sich dabei ständig kaputt und auch bei uns fließen schon nach kurzer Zeit Lachtränen.
Das Konzert des norwegischen Pop-Quartetts Harrys Gym nutzen wir zur Regeneration unserer Plattfüße, um uns nach einer kurzen Verschnaufpause an einen geheimen Ort zu begeben, wo die Artificial Brothers ein Konzert geben. Wir folgen kleinen Pfeilen und – am Ziel angekommen – erleben wir eine sehr atmosphärische Show. Mir ihrem düsteren Alternative Rockerinenrn sie uns ein bisschen an Tiger Lou und Interpol. Das gefällt uns überrraschend gut.
Weiter geht’s mit Reptile&Retard und zum ersten Mal fühlen wir uns an diesem Wochenende als wären wir auf einer riesengroßen Party, bei der es vor allem ums Feiern geht. Der Boden bebt, die Menschen tanzen, das Zelt fällt beinahe auseinander. Wir lassen uns kurz mitreißen. Großartig!
Reptile & Retard – ‘Live at SPOT Festival’
Zum Abschluss noch eine Runde Who Made Who. Die Dänen gehen ab, wir würden auch gern, sind aber übersättigt, treten den Heimweg an, um vor Ort noch den Süßigkeiten-Automaten zu leeren. Danke SPOT, war geil!
Fotos: Anja Predeick
Text: Lydia Meyer
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