Lasst uns gemeinsam Revue passieren, was die Welt in diesem Jahr bewegte. Die Highlights aus Politik, Musik, Gesellschaft – Monat für Monat hier in unserem Motor Jahresrückblick.
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Das politische Klima zeigt sich zum Jahresanfang vornehmlich von unterkühlter Seite. Auch zum vierten Jahrestag des umstrittenen Gefangenenlagers Guantánamo gibt sich die US-Regierung von aktueller deutscher, sowie abermals von Amnesty International vorgetragener Kritik gänzlich unberührt. Für ähnlich scharfen kritischen Wind aus internationaler Richtung sorgt derweil allen- und ebenfalls die Wiederaufnahme des iranischen Atomprogramms. Andere Standpunkte, beziehungsweise Machtverhältnisse im weltpolitischen Geschehen zeigen sich indes als weniger starr, sondern gar als veränderbar. So vollzieht sich in der kanadischen Regierung nach zwölf Jahren ein Kurswechsel zugunsten der Konservativen, während in Liberia mit Ellen Johnson-Sirleaf erstmals in der Geschichte des afrikanischen Kontinents eine Frau Staatsoberhaupt wird. Mit Ex-Bundespräsident Johannes Rau verstirbt unterdessen in der BRD ein ehemaliges. Auch Bolivien erfreut sich mit Evo Morales eines neuen und ersten indigenen Präsidenten, dessen angekündigten Plänen zur Anbau-Legalisierung der Koka-Pflanze beim Establishment und der US-Regierung mehr als ein kritisches Naserümpfen provozieren. Unter der Last ganz anderer Schneemassen bricht in Bad Reichenhall hingegen das Dach einer Eissporthalle ein und begräbt bei dieser ersten heimischen Katastrophe 15 Menschen. Meteorologisch steht der Januar mit zweistelligen Minus-Temperaturen jenseits der 30 Grad weiterhin im Zenith-Zeichen einer frostigen Kältewelle. Das erste Pop-Highlight des begonnenen Mozart-Jahres kommt hingegen von den Arctic Monkeys. Rein bandnamentlich zwar ein passender Stichwortgeber, lässt ‚Whatever People Say I Am, That’s What I’m Not’, das Debüt der Sheffielder kaum jemanden kalt und bestätigt den bereits im Veröffentlichungs-Vorfeld entfachten Hype um die jugendliche Kapelle, als mehr als nur heiße Luft. Was uns zum Thema Begriffs-Ballon bringt. Selbstverständlich darf an dieser Stelle die pflichtgemäße Erwähnung einer alljährlichen Jänner-Kür auch nicht fehlen: ‚Entlassungsproduktivität’ wird zum offiziellen Unwort des Jahres 2005 gewählt, sein positives Pendant heißt hingegen ‚Bundeskanzlerin’. Oder war es doch andersherum?
Das Atomprogramm Irans ist weltpolitisch weiterhin Stein des Anstoßes der etablierten Atommächte, eine Behandlung des Problems innerhalb des UN-Sicherheitsrates steht allerdings erst für den nächsten Monat auf dem Programm. Unterdessen entwickelt sich der Streit um die Mohammed-Karikaturen zum politischen Brennball mit grotesken Ausmaßen: Bei islamischen Protesten gegen die publizierte Provokations-Posse werden – neben einer Welle von anderen Gewaltfolgetaten – in Damaskus und Beirut die dänischen Botschaften in Brand gesetzt. Im italienischen Turin wird mit dem olympischen Feuer der 20. Winterspiele hingegen nicht nur im demokratisch-freiheitlichen Grundverständnis ein sportlich friedfertiges Zeichen der Völkerverständigung entfacht, aus denen die BRD gar mit einer Medaillenmehrheit hervorgehen soll. Dass mit ’(L.A.) Crash’ der diesjährige Oscar für den besten Film an einen Streifen geht, der sich mit Rassismus und Vorurteilen im Mikrokosmos Los Angeles befasst, passt angesichts der Ereignisse irgendwie auch ohne zwingenden direkten Kausalzusammenhang ins Februar-Bild. Kommen wir von ’Crash’ zu Cash. In diesem Monat feiert auch der Man in Black ein Comeback, wenn auch nur in Form seines filmischen Denkmals, dem bemerkenswert-beachtlichen Bio-Pic ’Walk The Line’. Musikalisch zeigen sich die Vorzüge des Februars allerdings ausnahmsweise mal nicht vom anglo-amerikanischen Idiom geprägt. Nein, die Rede ist nicht vom Pseudo-’Comeback’ des teutonischen Terrorzicken-Trios Tic Tac Toe, auch wenn vorige Alliterationskette mit Tomte nun doch noch um ein weiteres ’T’ bereichert wird. Deren ’Buchstaben Über Der Stadt’ beschert dem deutschsprachigen Pop somit einen weiteren Lichtblick. Und auch auf dem Nachwuchssektor tut sich in diesem Bereich mit der Band Photonensurfer einiges in Richtung neuer Hoffnungsträger, als deren Debüt ’Neue Weltordnung’ erscheint.
In Frankreich will das Erbe der revolutionären Tradition einfach nicht ruhen, was dem Land nach den blutigen Vorstadt-Barrikaden-Eskapaden Ende letzten Jahres erneut eine Welle von Unruhen beschert. Allerdings dreht sich der zunehmende völkische Unmuts-Ausnahmezustand diesmal um einen noch zu verabschiedenden Gesetzentwurf, welcher Kündigungsfristen zur Verringerung der hohen Jugendarbeitslosigkeit ändern soll. Studentische Proteste führen nicht nur bis hin zur Besetzung der Sorbonne und stetigen Auseinandersetzungen mit der Polizei, sondern im Folgemonat auch zu einem Rückzug des Gesetzentwurfs durch die Regierung. In Weißrussland zeichnet sich unterdessen ein Wahlkampfbild ab, welches sämtliche Schwarzmalerei bezüglich eines post-kommunistisch-verzerrten Demokratieverständnisses bestätigt. Oppositionsunterdrückung und Zensur, das vehemente staatliche Zerschlagen von zahlreichen öffentlichen Protesten sowie der Ausschluss von OSZE-Wahlbeobachtern nähren den offensichtlichen Wahlfälschungsverdacht, der sich in der absurd-astronomischen Mehrheit von angeblichen 82,6 Prozent des bisherigen Amtsinhabers Alexander Lukaschenka auch numerisch widerspiegelt. Der plötzliche Tod eines bezeichnenderweise beim UN-Kriegsverbrechertribunal inhaftierten, anderen ehrenwerten ehemaligen Staatsoberhaupts, sorgt im März ebenfalls für zahlreiche Spekulationen, bis das Dahinscheiden von Serbiens früherem Ministerpräsident Slobodan Miloševic in der offiziellen Erklärung der UN-Tribunals-Autopsie auf einen Herzinfarkt zurückgeführt wird. Derweil erfüllt im Kino Detlev Bucks ’Knallhart’, der den jugendlichen (Gew-)Al(l)tagswahnsinn in Berlin-Neukölln thematisiert, im akuten Zusammenhang mit der in die Schlagzeilen geratenen Rütli-Hauptschule und den zunehmend unkontrollierbareren Aggressions-Angstzuständen, die Brennpunkt-Rolle von Film als Zeitbild. Bleiben wir doch gleich bei Integrationsproblematik. Auf Grund einer plötzlichen ethischen Epiphanie hält RTL – Übertragungssender der wichtigsten deutschen Musikpreisverleihveranstaltung Echo – Oomph!s Auftritt und Darbietung der kritisch-kontroverser Single ’Gott Ist Ein Popstar’ auf einmal für unvereinbar mit dem vermeintlich religiösen Empfindungen seiner Zuschauer und lädt die Band schlichtweg aus. Dass sich, zieht man die evidente Retorten-Musik-Kritik besagten Liedes in Betracht, dadurch weniger Leute davon abhalten lassen, den musikalischen Müll des letzten hauseigenen DSDS-Gewinners Tobias Regner zu konsumieren, ist allerdings ebenso fraglich wie die scheinheilige Begründungs-Berufung des Senders auf die Mohammed-Karikaturen-Kontroverse. Und wo wir jetzt die Schrottgrenze schon mehr als gestreift haben, gleich noch ein positives Konnotations-Gegenbeispiel. Der Indie-Pop-Punk, den die gleichnamige Band auf ihrem fünften Album ’Château Schrottgrenze’ so vollmundig in Szene setzt, lässt ebenso wie internationale Veröffentlichungen von Placebo (’Meds’) und Adam Green (’Jacket Full Of Danger’) die Hoffnung nicht sterben, dass dies doch noch ein gutes Jahr des freigeistigen Musikverständnisses wird.
Und wieder einmal holt die Realität die Fiktion auf bitterböse Weise ein. Während sich der geneigte Zuschauer im Kinosessel an mediokren Fortsetzungsfilmen wie “Final Destination 3”, “Scary Movie 4”, “Big Mama’s House 2″‚ “Bambi 2” oder auch “Ice Age 2 – Jetzt taut’s” mehr oder weniger delektiert, entpuppt sich der nichtssagende Nebentitel des letztgenannten Animationsfilmchens als unheilvolle Prophezeiung. So sehen sich große Teile von Mitteleuropa durch plötzliche Schneeschmelze von massivem Hochwasser bedroht. Auch in Deutschland, genauer gesagt in Sachsen, wird die Lage zunehmend kritisch. In politischer Hinsicht steht derweil bei den Parlamentswahlen in Italien Medienmanipulator und Ministerpräsident Berlusconi ebenfalls das Wasser bis zum Hals – das Linksbündnis unter Romano Prodi entscheidet nämlich mit einem 0,1-prozentigen Stimmüberhang die Wahlen für sich. Grund zum Feiern hat unterdessen auch die britische Queen, und zwar ihren 80. Geburtstag. Und auch wenn dieses Ereignis den einst von Smith-Sänger Morrissey verfassten Song “The Queen Is Dead” in seiner pop-prophetischen Signifikanz obsolet erscheinen lässt, kann Moz dessen unbeirrt in diesem Monat mit seinem formidablen Album “Ringleader Of The Tormentors” in Sachen Pop-Relevanz punkten. Für den deutschsprachigen Bereich lässt sich dies hingegen sicherlich auf PeterLichts drittes Album “Lieder Vom Ende Des Kapitalismus” beziehen. Und während Knödel-König-Eddies Pearl Jam mit ihrem selbstbetitelten achten Album endlich mal wieder brauchbares Material vorzuweisen haben, brech(t)en die Dresden Dolls mit ihrem Zweitwerk “Yes, Virginia” eine Lanze für das “Gut Ding will Weill(e) haben” und erbringen somit den eindrucksvollen Beweis, dass sich Zugänglichkeit und avantgardistische Boheme nicht immer kategorisch ausschließen müssen. Kein Scherz.
In Berlin heißt es mit Einweihung des neuen Hauptbahnhofs fortan nicht mehr ‚Es fährt ein Zug nach Nirgendwo’. Dahingegen wird es einigen langjährigen Zuschauern bei – Achtung, rade- übers Knie gebrochenen Überleitung – den Gewinnern des Eurovision Song Contest ganz anders. Zum fünfzigsten Jubiläum der Veranstaltung heimsen mit ‚Hard Rock Hallelujah’ nämlich die finnischen Latex-Leckerbissen von Lordi als perfekte optisch-musikalische Schnittstelle von GWAR und KISS die Siegertrophäe ein und befreien dieses Ereignis endgültig von seinem einstigen Schlager-Chanson-Chosen-Charakter. Mit den ersten Moskauer Demonstrationen für die Rechte von Homosexuellen steht daneben auch Russland erstmalig seit der Aufhebung der Strafbarkeit der gleichgeschlechtlichen Sexualorientierung im Jahre 1993 auf diesem Sektor im Zeichen des Rechts auf Andersartigkeit. Leider allerdings nur kurzzeitig, denn nach gewaltsamen Übergriffen von Rechtsextremen, bei denen unter anderem auch der Deutsche Volker Beck (parlamentarischer Geschäftsführer Bündnis 90/Die Grünen) Verletzungen erleidet, wird die Kundgebung kurzerhand aufgelöst. Im kuscheligen Kinosessel dagegen empfindet so mancher Kinozuschauer die Antiklimax-Auflösung der letzten halben Stunde von ‚The Da Vinci Code – Sakrileg’ für ein ebensolches gegenüber den Normen des Narrativen. Der Beschluss des Bundestages zur Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 19 Prozent provoziert indes ein ähnliches Entsetzen-Echo unter der bundesdeutschen Bevölkerung. Streitbaren musikalischen Mehrwert liefert auch das neue Doppelalbum der Red Hot Chili Peppers ‚Stadium Arcadium’, welches trotz vielleicht kritisierbaren Füllmaterials, letztendlich gewohnten Qualitätsstandards genügt. Damit schafft es das Werk zwar nicht zwangsläufig in die Super 700 der Rockgeschichte, liefert uns aber eine diesmal gelungenere Überleitung zum monatlichen Schmuckstück aus dem Hause motor. So debütiert das Berliner Septett Super700 im Mai mit gleichnamiger Scheibe, deren vornehmlich dunkel gefärbte Darbietungen von englischsprachigem Gitarrenpop Potential und Qualitätsstandards der deutschen Musiklandschaft über das Normal-Maß hinaus erweitert.
Juni
Der Tatsache, dass im Juni vor 25 Jahren die ersten Fälle von AIDS gemeldet und bekannt wurden, wird bei Vorgesprächen zum kommenden G8-Gipfel mit dem Vorhaben der Erhöhung der AIDS-Hilfe bis 2010 auf 23 Milliarden Dollar gedacht. Dabei steht auch die Thematisierung der Problematik im Gastgeberland des anstehenden Gipfels selbst an, welches in diesem Jahr erstmalig Russland sein wird. Auch in den Hohen Künsten kann im Juni ein absolutes Novum bezüglich hoher Kosten verzeichnet werden, als das Klimt-Bildnis “Adele Bloch-Bauer” einen Kaufpreis von 135 Millionen Dollar erzielt und somit zum teuersten Gemälde der Welt wird. Für die weite Mehrheit der Nicht-Kunstsammler steht dahingegen ein ganz anderes Ausnahmeereignis im Mittelfeld, äh -punkt. Richtig, mit dem Eröffnungsspiel Deutschland gegen Costa Rica beginnt die 18. Fußball-WM in Deutschland, und für viele ein kompletter Monat der Rundleder -Dominanz. Aber auch auf musikalischem Sektor erwarten uns einige ziemlich runde Sachen, denn der Juni scheint hinsichtlich seiner Veröffentlichungshighlights besonders stark von der Muse geküsst zu sein. So wartet nicht nur das nach ebenjener benannte britische Prog-Pop-Trio mit einem offenbarungsgleichen Album wie “Black Holes And Revelations” auf, sondern gleichwohl eine ganze Reihe anderer Künstler: AFIs “Decemberunderground” kann dabei ebenso dazu gezählt werden wie das schlichtweg phänomenale Nachfolgewerk ‘Billy Talent II’, das den Stellenwert der Kanadier als neue konstante Rock-Größe in jeder Sekunde Spielzeit untermauert. Aber auch alte Heldinnen, äh, Helden melden sich zurück. Mit “One Day It Will Please Us To Remeber Even This”, dem ersten musikalischen Lebenszeichen der legendären (verbliebenen) New York Dolls seit 32 Jahren, gelingt den Glam-Punk Pionieren ein kapitales Comeback mit Kussmund. Derweil beschallt mit LaFee nun auch in unerträglicher Albumlänge ein neues deutsches
Pubertäts-Pop-Phänomen die Dorfdiskos mit einer unsäglichen musikalischen, textlichen und frisurentechnischen Geschmacklosigkeits -Penetranz. Ob die ironiesicheren Jungs von Dorfdisko auf Grund möglicht weiter Differenzierungsbemühungen von diesem Dreck ihr neues Album deshalb “Kurz Vor Malmö” genannt haben, bleibt spekulativ – ihr ehrlich eingängiges Pop-Verständnis ist es jedenfalls nicht und bildet ein schönes Gegengewicht zu solch laffem Labelkonstrukt.
Nach rund einem Monat, in dem Autokorsos und – bis auf dezente phonetische Schwierigkeiten – ethnisch-übergreifend-integrative ‘Deu(t)schlan(d)!!!’-Proklamationen auf den hiesigen Straßen nahezu schon zum Alltagsbild einer vorbildlich friedfertigen Party-WM gehören, scheidet das Gastgeberland am 4. Juli im Halbfinale gegen Italien aus und erkämpft sich nachfolgend noch den dritten Platz, wohingegen der Halbfinal-Gegner letztendlich auch aus dem Finalspiel gegen Frankreich siegreich hervorgeht. Italien ist Weltmeister. Trotzdem schön gewesen, finden alle, und Xavier Naidoo lässt sich gar zu einem musikalischen “Danke” hinreißen. Dennoch gelingt ihm damit nicht der erste Platz für die Single-Absurdität des Monats, respektive Jahres, denn der gebührt zweifelsohne dem Nobelherbergen -Nichtsstimmchen Paris Hilton und ihrem Quasi-Sommerhit “Stars Are Blind”, der besten Schleich-Werbung für das Studio-Stimmbegradigungstool “Antares Auto-Tune” seit dem ersten Ton aufgenommenen aus Jeanette Biedermanns Mund. Ernsthaftere Angelegenheiten begegnen uns derweil im Libanon. Dort ist die Entführung zweier Israelischer Soldaten Anlass für ein mehrwöchig andauerndes und zunehmend eskalierendes Kriegsszenario zwischen Israel und der Hisbollah. Während sich die Lage im Libanon weiterhin zuspitzt, entgeht Deutschland nur knapp den versuchten Terroranschlägen in zwei Regionalzügen. Die in herrenlosen Koffern deponierten und später entdeckten Sprengsätze entpuppen sich glücklicherweise auf Grund von mangelnder Handhabungserfahrungen der Täter mit Explosivstoffen als Blindgänger. Zurück zu den Zerstreuungsgefilden. Nach viel Fußball, für die meisten vornehmlich ja wohl im Fernsehen, will bei einem der erwartungsbeladensten Blockbuster-Sequels des Jahres, dem Familien -Freibeuter -Film “Fluch der Karibik 2”, der Funke auf der großen Leinwand leider auch nicht so recht überspringen. Charme getauscht gegen CGI bleibt trotz respektablen Kassenklingelns eben nur hohles Säbelrasseln. Im Bereich der prominenten Todesfälle ist der Juli zudem auch ein Monat des bedauernswerten Über-die-Klinge-Springens. So beklagen wir nicht nur das Dahinscheiden von Pink Floyds mysteriösem Mitbegründer und erstem Sänger Syd Barrett und dem Schöpfer des saftigen Sexismus-Schmier-Kriminalromans, Mickey Spillane (“Mike Hammer”). Auch Humor-Ikone Rudi Carrell entschläft mit 71 Jahren sanft, wenn auch wohl nicht aus unserer Erinnerung. Rest in Peace, bzw. rust en vrede.
Unter dem Motto “Motor im Grünen” wird zur ersten großen Sommer-Sause jenseits der üblichen Verdächtigen der Festival-Saison auf die Insel der Jugend in Berlin geladen. Mit Virginia Jetzt! als Headliner, sowie Klee, Madsen, Super700 und PeterLicht geben sich Vertreter der Speerspitze neuer deutscher Musik ein munteres Stelldichein unter freiem Himmel. Für ein wörtlich genommenes Stelldichein und einen Haufen Verzögerungen im Rahmen des europäischen Luftverkehrs sorgt derweil der am Londoner Flughafen Heathrow von Scotland Yard initiierte Präventivschlag in Form einer Festnahme von 25 Terrortatverdächtigen. Mithilfe von Flüssigsprengstoffkomponenten im Handgepäck sollten von den vermeintlichen Selbstmordattentätern mehrere Flugzeuge zur Explosion gebracht werden. Kein Wunder also, dass sich bei soviel Nähe zur realen Erfahrungswelt Die TV-Serie “24” in fünfter Staffel mal wieder in letzter Minute zu den Gewinnern der diesjährigen Emmys jackbauert. Ebenso wird die US-Adaption des großartigen, ursprünglich britischen “Stromberg”-Vorbilds “The Office” dabei entsprechend gewürdigt. Dass man Michael Manns Kino-Relaunch von “Miami Vice” als TV-Pilot bei den Emmys im nächsten Jahr durchaus veritable Chancen eingeräumt hätte, täuscht indes nicht darüber hinweg, dass der Film in dargebotenem Medium eher als durchwachsen zu beurteilen ist. Während im Nachspiel die Schadensregulierungen des Konflikts zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah bei einer Geberkonferenz in Stockholm mit einem Wiederaufbauprogramm beschlossen werden, wird mit dem Beschluss der Internationalen Astronomischen Union zumindest für Sternengucker ein Urteil von fast kopernikanischer Reichweite gefällt: So wird Pluto der Planetenstatus per Definition aberkannt, womit die Zahl der Planeten des Sonnensystems auf acht sinkt. Hm. Kann man wohl nix machen, denn nach dem nicht gerade erfolgreichen Neustart des Films “Superman Returns” hat Krypton weiterhin recht schlechte Aufnahme-Chancen. Mit Glenn Ford verstirbt im Star-Kosmos derweil nicht nur die erste Personifikation von Supies Erdenvater in der klassischen Richard Donner- Originalversion, sondern eine Western- und Film Noir-Ikone (“Gilda”) der wahrhaft goldenen Hollywood-Ära. Neben tollen Platten aus diametral komplett entgegengesetzten Genres (Slayer – “Christ Illusion” sowie Outkast mit “Idlewild”), gefällt sich Schweden auch musikalisch in diesem Monat in ganz anderer (Gast-)Geberrolle. Sowohl Teile der jüngeren Mitglieder der Familie Norén – auch bekannt als Sugarplum Fairy – veröffentlichen in diesem Monat mit “First Round, First Minute” ein Album, und auch deren älterer Bruder Gustaf legt mit seiner Stammformation Mando Diao nach. Und trotz nahezu identischem Klassiker-Kanon-Anteil an Vorbildern in der gemeinsamen Familienkasse (ihr wisst schon, all die GANZ Großen vornehmlich aus den Sechzigern) ist Mandos “Ode To Ochrasy” dabei uneingeschränkt ein der flaumigen Frühreife entwachsenes, eigenständiges Meisterwerk, welches zu Recht mindestens den Titel Album des Monats für sich beanspruchen kann.