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Zeitlos

Much ado about Shakespeare: Warum Shakespeare für Musiker*innen unumgänglich ist

Kaum ein Dichter inspiriert Musiker*innen bis heute so oft wie Shakespeare. Eine kleine Shakespeare Musikgeschichte von Tupac über LIONLION bis Bob Dylan.

Seit jeher wird diskutiert, ob es Shakespeare als Person wirklich gab. Es halten sich Mythen das in Wirklichkeit Christopher Marlow oder eine ganze Gruppe an Künstlern hinter dem Namen stecken. Für letzteres spricht vor allem sein gigantisches Vokabular und die Masse an Werken, die Shakespeare geschrieben hat (während er auch noch Intendant, Regisseur und Schauspieler war). Allerdings lässt sich beides ziemlich einfach erklären: Der alte Barde war Meister im copy und pasten – ja, meistens hat er sich nicht einmal die Mühe gemacht die Namen aus seinen Quellen zu ändern.

Seinem Ruf hat es nicht geschadet und sowie Shakespeare seine Quellen hatte, wirkt er auch noch 400 Jahre nach seinem Tod als Inspiration auf die unterschiedlichsten Künstler*innen. Von Tupac über Bob Dylan bis Iron Maiden alle haben sie seine Werke zitiert, – aber wieso ist ausgerechnet Shakespeare bis heute eine so große Inspirationsquelle?

Grob kann man die Texte, die von Shakespeare inspiriert sind, in drei Kategorien unterteilen:

1. Es werden Referenzen zu ihm/seinen Stücken gemacht

2. Eine Zeile wird aus einem Shakespeare Stück übernommen

3. Die Handlung eines Theaterstücks wird in den Lyrics nacherzählt

Zitieren kann jeder, denkt der Nobelpreisträger

Einer der nicht nur Referenzen zu Shakespeare macht, sondern sich auch mit ihm vergleicht ist Bob Dylan (genauer gesagt zog er die Parallele zwischen sich und Shakespeare in seiner Nobelpreis Rede). Ein Beispiel für unsere erste Kategorie ist sein Song „Desolation Row“, in dem er neben gefühlt tausend anderen Charakteren der Popkultur auch Romeo erwähnt:

And in comes Romeo, he’s moaning. “You Belong to Me I Believe”

“Desolation Row” – Bob Dylan (19

Was Tupac mit drei Hexen zu tun hat

Tupacs „Something Wicked“ fällt wiederum in die zweite Kategorie, den die Zeile „Something wicked this way comes“ sagt auch eine der Hexen in „Macbeth“ während sie mit den anderen Hexen ihren brodelnden Hexentrank zubereitet. Das „wicked“ (dt. böse) bei den Hexen ist Macbeth selbst und so sieht auch Tupac sich selbst als das Böse, der bereit ist seinen Gegnern entgegen zutreten.

More than an adversary, I’m very quick

I’m ready to hit ’em with this gift, I’m equipped to kick

So, grab your coat and your hat, cause I’m prepared to clown

Let’s carry this end that throw these motherfuckers down

“Something Wicked” – Tupac (1991)

Über Irrungen und Wirrungen

Der Song „Much ado about nothing“ von LIONLION passt wiederum gleich in zwei Kategorien: Recht offensichtlich in die zweite, aber auch in die dritte. Den der Text und auch das Video der Single dreht sich um die Irrungen und Wirrungen der Liebe, sowie es nun mal auch Shakespeares „Much ado about nothing“ thematisiert. Schuld an der Inspiration sind alte VHS-Erinnerungen erzählt der Sänger Michael Rückert:

„Als Kind hatte ich immer wieder die „Much ado about nothing“ Verfilmung aus den 90ern mit Denzel Washington angeschaut – total schnulzig, aber als 10-jähriger fand ich sie super. Als ich dann diesen Beat-Loop, der sich immer wiederholt und zum Refrain umkehrt, geschrieben hatte, fiel mir der Film wieder ein, da sich darin die Beziehungen auch immer im Kreis drehen.“

Was passiert, wenn man nicht mit einander redet?

Für LIONLION sollte die Intertextualität der Beziehungen jedoch nicht im Songtext enden, sondern auch die visuelle Aufmachung sollte dem alten Barden huldigen. Aus ästhetischen Gründen versetzten sie Shakespeare in die 1960er Jahre. An der Kulisse baute die Band mehrere Monate in einer Scheune nahe Nürnberg, den kinematographisch hätte man die ständigen Wiederholungen und die vielen Ebenen in einem normalen Raum nicht umsetzten können.

Die Storyline des Videos ist eigentlich nur eine Beziehungsgeschichte, aber eben nicht ganz so plakativ wie man es aus manch einem anderen Video kennt:  Das Paar möchte ins Theater gehen (um genauer zu sein sie haben Tickets für „Much ado about nothig“ in Stratford upon Avon – Shakespeares Geburtsort), doch der Mann kommt zu spät, weil seine Uhr kaputt ist. Daraus entwickelt sich ein Streit. Als eine Art Über-Ich zu seinem sich streitenden Zwillingsbruder und Bandkollegen Matthias tritt Michael als Sänger auf, dreht immer wieder die Zeit zurück, doch die eigentliche Problematik, das das Paar nicht miteinander redet, ändert sich nicht, sondern nur die Umstände verschieben (und verschlimmern) sich. „Ich fand es eine interessante Ebene, dass sie eigentlich das Stück besuchen wollen und es dann stattdessen unfreiwillig selbst aufführen“, erklärt Michael das Konzept.

Die Macht der Perspektive

Am Ende ist es die Zeitlosigkeit der Themen, die Shakespeare bis heute interessant macht:

„Natürlich ist die Sprache gealtert, aber die Thematik ist sinngemäß gerade vielleicht so aktuell wie noch nie. „Much ado about nothing“ dreht sich um Perspektiven und ich mein gerade jetzt im Lockdown steckt man ja noch viel mehr als sonst in der eigenen Perspektive fest. Dabei merke ich auch andauernd wie relativ die eigene Wahrnehmung doch ist und wie wichtig der Perspektivwechsel – und genau das zeigen eben auch die Werke von Shakespeare.“

Außerdem -seien wir mal ehrlich- gibt es im Endeffekt genau drei Themen im Leben und die haben sich seit Menschen gedenken nun mal nicht geändert, was insofern gut ist für alle die nach einem Jahr Pandemie noch immer Zoom Quizze machen: Den man kann an die fünfhundert Stunden mit der Frage „Welches Shakespeare Stück war die Vorlage für…..?“ verbringen. In diesem Sinne mögen noch viele weitere Künstler*innen den Barden als Inspirationsquelle verwenden.


Mehr über LIONLION könnt ihr hier auf ihrer Website erfahren und hier könnt ihr ihnen auf Instagram folgen.

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Mareike Froitzheim

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