Wer viel online ist (und durch die Pandemie war das wohl der Großteil von uns) dem Entgleiten schnell die Maßstäbe der Realität. Als Ausweg flüchten wir uns in Musik und Kunst, um eine Ehrlichkeit zu spüren, die so intim ist, dass sie doch wiederum eigentlich nur fake sein kann – oder etwa nicht?
Kaum eine Band hat sich in den letzten Jahren solch einen Ruf mit ihrem tief emotionalen Elektro-Soul-Pop gemacht, wie das britische Duo HONNE und so verwundert es auch nicht, dass sich auch James Hatcher und Andy Clutterbuck Gedanken über die Wahrheit der Musik machen:
„Ich finde es spannend zu sehen, dass der Erfolg der letzten Jahre es für uns nicht schwerer gemacht hat diese persönlichen und ehrlichen Songs zu schreiben. Ganz im Gegenteil: Wenn etwas sich nicht ehrlich anfühlt, schaffen wir es bis heute nicht den Song zu beenden. Die Ehrlichkeit unserer Songs liegt jedoch auch vor allem im Liebesthema und der ständigen Inspiration die Andy in seiner inzwischen schon seit 14 Jahre laufenden Beziehung findet. Doch, obwohl wir die Songs aus dieser persönlichen Perspektive schreiben, bleiben sie durch die Kraft der Musik übertragbar und jemand der den Song hört, kann sich selbst zur Hauptperson des Songs machen und so auch die Ehrlichkeit der Worte übertragen.“
Musik als Therapie
Platon sah im Gedächtnis, das nun mal die Grundlage für Ehrlichkeit setzt, eine große mächtige Gottheit. Doch jene Gottheit muss auch mal geleert werden, den wie sollte das Gedächtnis funktionieren, wenn sich alle Gefühle darin anstauen? Für James bildet die Musik dementsprechend auch der perfekte coping mechanism:
„Musik ist für mich wie eine Infusion. Sie ist immer da für mich, hält mich am Leben und das Schreiben von Musik ist für mich wie eine Form von Therapie. Ich bin nicht wirklich eine Person, die viel über ihre Gefühle spricht, aber Musik gibt mir ein Werkzeug, mit dem ich die Gefühle dennoch verarbeiten kann.“
Von subjektiver und objektiver Wahrheit
Der Prozess des Songwritings ist dennoch ein einsamer Prozess und man kann sich fragen, ob man in dieser Konstellation überhaupt wirklich ehrlich sein kann oder ob wir uns, wenn wir allein sind, nicht viel zu sehr in unser eigenes Narrativ verflechten. Durch das Jahr der Pandemie hat sich besonders James, dem die abgesagten Shows zu Beginn sehr gefehlt haben, gefragt, ob man Ehrlichkeit als etwas Objektives oder Subjektives definieren kann:
“Ich glaube sehr oft sind wir zu harsch mit uns selbst. Wenn wir uns dann mit anderen Menschen treffen, können wir durch sie hindurch die Wahrheit über uns selbst sehen. Man kann zum Beispiel jemand sein, der denkt, er wäre total furchtbar in sozialen Situationen, aber alle anderen Menschen im Raum denken, dass diese Person stets der Star der Party ist. Natürlich basiert es auch darauf, was für ein Mensch man ist: Ob man extrovertiert oder introvertiert ist; ob man alles eher im inneren mit sich ausmacht oder diesen externen Prozess dafür braucht. Ich bin zum Beispiel sehr glücklich, wenn ich allein bin, aber nach einer Weile haben mir diese Interaktionen mit anderen Menschen gefehlt. Andere Menschen helfen uns definitiv, die guten Dinge an uns klarer zu sehen, aber ich denke, es ist auch sehr wichtig zu lernen selbst diese Dinge sehen zu können und nicht auf diese Anerkennung von außen angewiesen zu sein.“
Oft handeln wir im Leben auch nicht so, wie wir es gerne wollten, weil wir Angst vor den Konsequenzen haben. Zwar wissen wir alle, dass wir nicht ewig leben werden und für manche Ehrlichkeit nicht für immer Zeit sein wird, doch während wir vor uns Hinleben vergessen wir diese Endlichkeit gerne. In diesem Sinne fragen HONNE im Titel des Albums: „Let’s just say the world ended a week from now what would you do?” – aber was ist ihre Antwort darauf?
“Die Moral des Titels ist, dass wir alle das Leben selbst in der Hand habe und wir nicht auf Möglichkeiten warten sollten, sondern einfach selbst handeln sollen. Wir hatten unsere Fans diese Frage gestellt noch bevor klar war, dass dies unser Albumtitel werden würde und die Antworten waren unfassbar unterschiedlich, manche waren sehr lustig, andere wirklich bedeutsam; zum Beispiel meinte jemand, dass er sich vor seinen Eltern outen würde. Mit dem Titel wollten wir die Menschen zum Denken anregen und sie daran zu erinnern, dass es immer eine gute Idee ist dass Leben zu leben, das man tief im innersten leben möchte – selbst wenn man nicht weiß, was auf der anderen Seite einen erwartet.“
Mit ihrem neuen Album haben HONNE ein großartiges Meisterwerk der Wahrheit erschaffen und ihrem Bandnamen wahrlich alle Ehre gemacht – der bedeutet nämlich übersetzt sowas wie „Wahre Gefühle hinter der öffentlichen Fassade“ und nichts würde ihr grandioses Songwriting besser zusammenfassen.
Ihr könnt HONNE hier auf Instagram folgen und hier geht es zum Album auf der Streamingplattform eures Vertrauens.
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