(Foto:Patrick Herzog)
Der neuste Streich aus dem Chimperator-Stall heißt Muso. Mit elektronischen Wave-Brettern, verkopft-verschrobenen Zeilen direkt aus dem verharzten Blackbook und provozierendem Cover in klassischem Adamskostüm will er sich aufmachen, das Rap-Land zu erobern. Wir haben ihn mal ein bisschen ausgefragt. Fragen wie „Wie bist du eigentlich zum Rap gekommen“ Und: „Findest du anderen Deutschrap gut“ könnt ihr woanders im Netz finden. Wir haben alles andere gefragt. Irgendwie wussten wir, dass euch das interessiert. Ehrlich.
Neukölln. Drückende Hitze. Der unterdimensionierte Ventilator im neutral eingerichteten Interviewraum kämpft mit der schweren Luft, wie die Schraube eines Spielzeugbootes gegen dicken Honig. Muso muss raus, eine durchziehen. Schnellraucher. Sportlich. Schon eine gefühlte Minute später kommt er um die Ecke zurückgeschlenzt, Sonnenbrille, Muskelshirt, gestylte Frise, Rockstartyp. Nikotiniert und entspannt. Kann‘s ja losgehen.
motor.de: Du machst doch Rap, brauchst du deine Puste da nicht?
Muso: Ich komme aus einer Raucherfamilie. Das prägt. Ich weiß noch, wie meine Mutter immer am Küchentisch gesessen und Kippen gestopft hat. Weihnachten hat sie mir auch mal 150 gestopfte Kippen geschenkt.
motor.de: Du heißt Daniel Musumeci, da drängt sich förmlich auf, nach deinen familiären Wurzeln zu fragen. Wenn du magst.
Muso: Ja, warum eigentlich nicht. Meine Mutter kommt aus dem Pott. Mein Vater kommt aus Sizilien. Ich bin ein Nachzüglerkind gewesen. Meine Schwester ist zehn Jahre älter als ich. Mein Bruder ist 14 Jahre älter. Meine Eltern waren lange zusammen. Dann hat die Ehe schon ein bisschen gekriselt. Als Versöhnung gab es noch einen Unfall und der war ich. Aber dann… …
motor.de: Ja?
Muso: Scheidungskind. Wie 60 Prozent aller Kinder.
motor.de: Hat dich das in deiner Art Texte zu schreiben geprägt?
Muso: Vielleicht schon. Ich glaube, dass es ganz viel damit zu tun hat, dass Mädchen, die in einer Familie leben, wo es nur ein Elternteil gibt, dass die – evolutionsbedingt – schneller sexuell reif werden.
motor.de: Aha.
Muso: Ich glaube, dass die Natur die Arterhaltung gewährleisten muss. Ich glaube, das ist ganz prägend.
motor.de: Muso, aber du bist kein Mädchen. Was hat das mit dir zu tun?
Muso: Nene, ich glaube einfach, dass Scheidungskinder sexuell schneller reif werden.
motor.de: Und das trifft auch auf dich zu?
Muso: Ich habe wie jeder Jugendliche meine Jugend verwichst.
motor.de: Aha. Tacheles: Wann hattest du denn dein erstes Mal? Wenn du schon so explizit darüber redest.
Muso: Ich weiß gar nicht, ob ich das sagen soll.
motor.de: Doch.
Muso: Sehr, sehr spät. Mit 17.
motor.de: Das ist doch normal.
Muso: Mit 17 habe ich auch schwimmen gelernt.
motor.de: Hahahaha.
Muso: Ich war ein fettes Kind. Und war vorher nicht im Schwimmbad. Nie.
motor.de: Nie?
Muso: Nie.
motor.de: Auch kein Sport? Seit wann rauchst du denn?
Muso: Ich habe relativ spät angefangen zu Rauchen. Ich habe früh angefangen zu Kiffen. Mit 14, 13.
motor.de: Ach komm, das ist auch normal.
Muso: Es ist meistens so, wenn du anfängst zu kiffen, dann kiffst du so viel und lügst deinem Körper vor, dass du das bräuchtest, obwohl das nicht stimmt. Das Rauchen hab ich erst mit 18, 19 erst angefangen. Kiffen hab ich zwischendurch mal gelassen. Aber naja, ich bin dahingehend wohl eine Langzeitstudie.
(Foto: Patrick Herzog)
motor.de: Stört es dich manchmal, dass die Leute wegen deiner verkopften Texte, live nicht unbedingt krass abgehen?
Muso: Nein, ich freue mich, dass sie mir zuhören. Das muss man erstmal schaffen, dass einem die Leute richtig zuhören. Auf dem neuen Album sind auch ein paar schnellere Nummern drauf. Die werden abgehen.
motor.de: Deine Zeilen sind oft sehr persönlich. Gibt es da mal Probleme in deinem engen Umfeld?
Muso: Gab es. Ich rappe in einem Track darüber, dass mein Vater meine Mutter geschlagen hat. Da hat mich mein Vater weinend angerufen und gefragt, warum ich sowas schreibe. Aber es ist halt passiert. Ich kann mich in meinen Texten nicht verstellen. Es ist auch alles wieder gut. Meine Eltern hören meine Musik und finden gut, was ich mache. Meine Mutter teilt auf Facebook meine Sachen, sie ist mein größter Supporter.
motor.de: Das ist gut. Beim Thema Familie: Wer ist denn der Hund auf dem Cover?
Muso: Das ist mein eigener Hund und ich.
motor.de: Warum bist du nackt?
Muso: Puh. Ich habe einen guten Feund, den ich schon ganz lange kenne, der hat meinen Penis bestimmt schon das ein oder andere Mal gesehen.
motor.de: Und deswegen?
Muso: Da hab ich halt die Hüllen fallen lassen. Man kennt sich ja.
motor.de: Und der Hund: Männchen oder Weibchen?
Muso: Männchen.
motor.de: Hat er seine Eier noch?
Muso: Ja, der hat die Eier noch. Auf jeden Fall. Wir wollen auch Kinder mit ihm. Das stelle ich mir als Nebenberuf vor. Marihuana anzubauen und French Bullies zu züchten. Das erste lass ich vielleicht. Das letzte mach ich aber. Ich liebe Tiere. Wenn man das Leben zu schätzen weiß, muss man Tiere lieben.
motor.de: Isst du Fleisch?
Muso: Ja… Aber bewusst.
motor.de: Schlechtes Gewissen?
Muso: Nein. Aber ich esse bewusst. Klar wird das Rind nicht für mich geschlachtet. Aber wenn ich es unterstütze, ist es schon irgendwie so. Man denkt immer, als Einzelner kann man nichts machen, aber das stimmt nicht. Tja… Was ich aber nicht mag sind so Prenzlauer Berg-Muttis, die mit ihrem Kinderwagen den Hund fast totfahren. Weil die denken, "eh ich hab so ein scheiß Balg in die Welt geschissen und bekomme halt überall so 'Aaaahhh, Süüüüüß'-Blicke". Aber dann bekomme ich diese Blicke auch wegen meines coolen Hundes. Deswegen hassen die mich. Und deswegen hasse ich sie, haha. Was ich noch viel mehr hasse, sind Menschen, die ihre Hunde in Luxus-Pensionen einmieten, weil sie sonstwo sind. Aber andere Viecher abschlachten und wie Scheiße behandeln. „Der beste Freund des Menschen / Und der Rest von euch muss kämpfen.“ Das ist so eine Zeile, die ich geschrieben hab.
(Foto: Patrick Herzog)
motor.de: Kinder, Mütter, Tiere, der Prenzlauer Berg. Das Leben ist ein Kampf. Kommen wir mal zum lyrischen Kampf zurück. Man hat dich in der Chimperator-Cypher gesehen. In welcher Beziehung stehst du zu anderen Künstlern des Labels, wird man mit Kollabos rechnen müssen?
Muso: Kollabos auf jeden Fall. Das sind alles coole Typen. Da gibt es nichts zu reklamieren. Näheres zu Kollabos darf ich noch nicht sagen, aber es wird auf jeden Fall passieren.
motor.de: Eine Cypher lässt auf einen Battle-MC-Hintergrund schließen…
Muso: Ja. War ich auch. Ich habe viel zu laut ins Mic geschrien und so. Und bin durch eine harte Schule gegangen. War auf vielen Jams, rappe seit ich 12 bin. Es war ein langer Weg bis hier hin.
motor.de: Du hast auch so Lines wie „Ich bin am Mic, YO“ Bla Bla gemacht?
Muso: Ja. Auf jeden Fall. Aber nie diese „Du bist ein Hurensohn“-Zeilen. So ein Typ war ich nicht. Obwohl es bei vielen Battles so war, dass wenn die Kraftausdrücke kamen, da die Leute voll ausgerastet sind, weil das damals etwas Besonderes war. Es gab die gute, heile Hip Hop-Welt. Migranten waren da relativ ausgeschlossen. Als dann auf einmal Leute auf der Bühne Hurensohn sagten, sind alle auf einmal komplett ausgerastet: "JAAAAAAA, HURENSOHN, hat er gerappt!!!" Ich war aber nie derjenige, der diese niedern Triebe bedienen wollte.
motor.de: Du kommst aus Tiengen an der Schweizer Grenze, wie kam es denn zu dem Kontakt nach Heidelberg und deinen regelmäßig geäußerten, lobenden Erwähnungen in Richtung Stiebers?
Muso: Ich bin zum Zivildienst nach Heidelberg gekommen, damals gab es ein wunderschönes Mädchen namens Lan. In die war ich verliebt, lief aber nix. Die kam aber aus Heidelberg. Und ich dachte mir, wenn dieses schöne Mädchen aus Heidelberg kommt, muss es da noch mehr von ihnen geben. So bin ich da hin.
motor.de: Meine Frage ziehlte auf die Stiebers ab, also bitte.
Muso: OK, also die Stiebers… Der Martin Stieber hat einen Laden, da bin ich hin. Und es sind halt zwei Zwillinge, die sehen sich sehr, sehr, sehr ähnlich. Und ich bin halt hin und fragte, "eh bist du der Chris oder der Martin". Und er sagte: "Eh, ich bin der Martin“. Also ich: "Ich bin Rapper, hier ist mein Album." Er meinte: "Eh danke, aber wer ist denn heutezutage kein Rapper." Er fand es aber dann doch gut. Am nächsten Tag hab ich angerufen und seit dem sind wir Freunde. Sein Urteil ist mir auch heute noch wichtig. Die Stieber Twins haben geile Stimmen am Start, und auf ihren Sachen gab es immer eine geile Dynamik. Stimmendynamik in den Songs ist für mich auch sehr wichtig. Wir sind übrigens Nachbarn.
motor.de: Du planst also nicht nach Berlin zu ziehen?
Muso: Naja. Es ist eine schöne Stadt – Stuttgart oder Köln sind mir zum Beispiel zu clean. Ein gutes soziales Netz kann man aber in jeder Stadt haben. Und Berlin… ich bin sehr hibbelich. Hier würd ich vielleicht vergessen, wohin ich hinwollen würde. Aber ich habe Freunde hier, bin also sowieso gelegentlich hier.
motor.de: Wir bedanken uns für das Gespräch.
Muso: Ich bedanke mich. Jetzt haben wir aber gar nicht über Livetermine geredet.
motor.de: Nein.
Muso: Checkt auf jeden Fall meine Seite. Wir sehen uns.
John Sauter
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