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The National im Interview

The National sind momentan ziemlich familienmäßig unterwegs. Nachdem die Gebrüder Dessner und Devendorf bereits seit Jahren in Zweier-Teams unterwegs sind, nahm auch Sänger Matt Berninger seinen Bruder Tom mit auf Tour. Der drehte kurzerhand eine Rock-Doc, die ungewohnt nackte The National-Mitglieder zeigt und kritik-technisch von Michael Moore über Rolling Stone bis New York Times bereits in den Himmel gelobt wird. 
Auf Tour geht’s auch schon wieder, dieses Mal mit St. Vincent. Wowsers. Deshalb direkt eine gewagte These, die hier jetzt auf den Tisch geknallt wird: So ziemlich alle Männer mögen The National. Dieses komplett legitime Suhlen im Selbstmitleid – dazu aber chic im Anzug auf der Bühne eine Buddel feinsten Wein trinken. Und so ziemlich alle Frauen feiern St. Vincent. Weil sie gestandene Männer auf der Gitarre abzieht, eine gut durchdachte Meinung erfolgreich vertritt und zusätzlich schafft, all das in Songs zu vereinen, die der Gesellschaft immerhin tanzend die Augen öffnen.

Bevor die Wahl-New Yorker sich letztes Wochenende zum Kick-Off ihrer Europa-Tour auf den Weg zum Primavera Sound Festival in Barcelona machten, haben wir den Bassisten Scott Devendorf noch schnell telefonisch erreichen können, um mit ihm über iPads auf Konzerten sowie Konspirationstheorien bezüglich Indie-Superhelden-Gruppenbildung zu sprechen und die Einsicht zu erhalten, weshalb ein Bassist vielleicht doch die geilste Position in einer Band hat.

 

motor.de: Hey Scott, wo genau steckt ihr gerade?

Scott Devendorf: Gerade sind wir zurück Zuhause in New York. Letztes Wochenende waren wir an der West Coast der US, für ein Festival und Shows in Oregon und Washington. Morgen Abend geht’s dann weiter nach Barcelona zum Primavera.

 

motor.de: Als Einstieg eine kleine Anekdote: Als ich euch das letzte Mal live gesehen habe, habt ihr in der Max-Schmeling-Halle Berlin gespielt. Eine Sache, die mich damals ganz schön geschockt hat, war, als Matt von der Bühne runter ins Publikum gesprungen ist, um mit dem Mikro quer durch das Publikum zu laufen. Die Reaktion der Menge? iPads rausholen. Wie fühlt man sich da als Band auf der Bühne, wenn Momentaufnahmen im Kopf des Publikums nicht mehr so viel zu gelten scheinen wie das digitale Bild?

Scott Devendorf: Gute Frage. Ich verstehe, weshalb Menschen das tun – Konzerte fotographisch und filmisch festhalten. Trotzdem finde ich es seltsam, wenn ich zu einer Show gehe, weil es für mich nicht sie soziale Reaktion wäre. Ich weiß von vielen Bands und Künstlern, die die Leute darum gebeten haben, das zu lassen – um quasi voll im Moment zu sein. Aber das ist so eine Sache: Wenn die menschliche Natur die Steuerung übernimmt, wird es schwer, sie zu unterdrücken. Wir werden also nicht versuchen, die Leute zu stoppen oder sie davon abzuhalten.

Auf der anderen Seite bekommen wir sehr gute Versionen unserer Shows und Einblicke davon, was um uns herum passiert ist. Ich vermute mal, dass es für Bands eine gute Art der Promotion ist (lacht). 

 

motor.de: Matts Bruder Tom hat auf Tour mit euch die Doku „Mistaken for Strangers“ gefilmt, welche am 10. Juli auch in die deutschen Kinos kommt. War es bei dieser ganzen Bruderliebe bei The National so etwas wie die logische Konsequenz, ihn mit auf Tour zu nehmen? Auch um eine Art emotionale Balance zu schaffen?

Scott Devendorf: Tom ist definitiv ein sehr witziger und interessanter Typ. Und ich denke, ihn auf Tour dabei gehabt zu haben hat sehr viel Spaß gemacht. Wir hatten eine klasse Zeit auf unserer bis dahin größten Tour. 

Wir haben so viele Jahre als tourende Brüder verbracht. Matt hat diese Erfahrung nie gemacht und kann eine sehr zurückgezogene Person sein – was ok ist, weil touren ermüdend und alles ist. Ich weiß nicht, ob ihm das klar war, aber Tom dabei gehabt zu haben, hat ihn offener gemacht. Emotional und auch, um einfach ein wenig Spaß zu haben. Aufzustehen und Sachen zu machen, die er normalerweise wohl nicht getan hätte – so, wie wir es eigentlich alle tun, wenn wir unsere Freunde dabei haben. Ich denke, für Matt war es hilfreich und für uns definitiv spaßig, ihre Interaktionen zu sehen und Tom da zu haben, um uns aufzuheitern, wenn wir schlecht drauf waren.

motor.de: Den Trailer und die kleinen Sneak-Peaks, die ich sehen konnte, zeigen ein Bild vom Behind-The-Scenes und nackte Leute in der Dusche, also kein Bild, dass man zwangsläufig von The National erwarten würde.

Scott Devendorf: Right. (lacht)

motor.de: Wie  passt das zusammen mit der unnahbaren-Indie-Aura, die euch zu umgeben scheint?

Scott Devendorf: Ich glaube, es ist ein ziemlich ehrliches Portrait von dem was passiert, wenn wir auf Tour interagieren. Was ehrlich nicht besonders viel, aber witzig zu sehen ist. Wir haben als Band ja definitiv den Ruf depressiv, dunkel oder was auch immer zu sein. Das finden wir an der Musik natürlich toll, es ist die Art Musik, die wir machen wollen und die natürlich zu uns kommt. Persönlich und zwischenmenschlich denke ich aber, dass wir immer eine ziemlich großartige Zeit auf Tour haben und viel rumalbern. Wir tragen nicht nur schwarz und weinen die ganze Zeit. Wir sind ziemlich gesellige und witzige Menschen, würde ich sagen. Den Vibe der Band zu sehen ist also teilweise natürlicher als manche Teile der depressiven Musik, die wir machen. 

 

motor.de: Sufjan Stevens, Justin Vernon, St. Vincent und ihr seid Künstler, die miteinander assoziiert werden und immer wieder kollaborieren. Ihr scheint eine Indie-Superhelden-Gruppe zu sein. Wie kommt diese Ballung des Erfolgs zustande? Habt ihr euch alle irgendwann irgendwo in irgendeinem Club in Brooklyn gesehen, gegenseitig in die Augen geschaut und gedacht „Jep, er/ sie ist eine/r von uns. Wir sollten uns zusammentun und so etwas wie die Spitze der Großartigkeit in fünf Jahren werden?"

Scott Devendorf: (lacht) Nein, nicht ganz. Die Assoziationen und Kollaborationen sind einfach das Ergebnis gemeinsamen Tourens, des Freundeseins und direkter Nachbarschaft in Brooklyn. Aber ich glaube, wir haben nie wirklich jemanden für eine Superhelden-Gruppe ausgesucht. Es war eher so, dass wir einander kannten, unsere Arbeit mochten und unser Talent genauso wertschätzten, wie gemeinsame Zeit zu verbringen. Wir sind eigentlich nur Freunde, Tour Mates oder was auch immer, die zusammenkommen, zusammen an Zeug arbeiten und versuchen, den richtigen Dreh zu bekommen. 

 

motor.de: Wenn wir gerade schon über St. Vincent reden: Ihr nehmt Annie Clarke die kommenden Wochen mit auf eure Europa-Tour. Damit schafft ihr so ziemlich die perfekte Indie-Date-Night, die keine Pärchen-Wünsche offen lässt. War das euer Plan? Oder wolltet ihr nur diejenigen, die kein Ticket ergattern konnten, noch mehr zum Weinen bringen?

Scott Devendorf: (lacht) Nein, eigentlich war es nicht direkt unser Plan, die Leute so zusammenzubringen. Aber um den Bogen zur letzten Frage zu spannen: Wir kennen Annie seit Jahren, waren bereits auf Tour mit ihr und sie ist wirklich wirklich talentiert, ihr neues Album ist großartig. Sie ist diese Art Künstlerin, Performerin, großartige Gitarristin – alles in einer Person! Es war also eher eine Entscheidung persönlicher Wertschätzung ihrer Person, ihres Talents und der Liebe zu ihrem Album. Aber es ist einfach toll, sie dabei zu haben! Ich habe außerdem noch nie eine Show von ihr live gesehen, also wird es jetzt das erste Mal sein, dass ich es zu einer schaffe.

motor.de: Die nächste Frage geht in eine etwas andere Richtung: Wie würdest du den typischen Die-Hard-The National-Fan beschrieben? Ich habe gesehen, dass ihr auf eurer Webseite (www.americanmary.com) ein Forum installiert habt, was ja so ziemlich die Plattform für musikalische Klugscheißer ist. Passt das?

Scott Devendorf: Puh, weiß ich nicht. Wir haben Fans, die schon seit sehr langer Zeit The National-Fans sind. Das Forum gibt es seit Jahren, deshalb gibt es da viele seltsame Themen. Ich schenke ihm nicht besonders viel Aufmerksamkeit, aber wenn, dann finde ich es spannend, die Leute dort interagieren zu sehen und auf diese Art social zu sein. 

Den typischen Fan zu beschreiben, finde ich schwierig. Von unseren Shows her zu beurteilen kann ich nur sagen, dass es eine Menge verschiedener Menschen ist, es gibt keinen bestimmten Persönlichkeits-Typen. Mich macht es glücklich, den Mix aus 16-jährigen Jungs und 60-jährigen Frauen zusammen abhängen zu sehen. Die Tatsache, dass wir so viele unterschiedliche Menschen und Nationalitäten anziehen, ist unsere Stärke. 

 

motor.de: Jetzt sag mal Du als Bassist (und wieso fragt eigentlich nie jemand den Bassisten?): Was sind die Vorteile deiner Position in der Band?

Scott Devendorf: Bassist sein ist eine schwierige Position, aber mir macht’s Spaß und sie ist gut für mich. Ich denke, meine Position mit dem Bass ist wortwörtlich die Basis – der Akkorde und des Sounds der Band in gewisser Weise. Für mich persönlich schaffe ich es auf Anhieb mit meinem Bruder an den Drums zu connecten, was echt Spaß macht. Außerdem muss ich nicht die ganze Zeit vorne auf der Bühne stehen oder durch die Menge rennen. Dafür habe ich auch einfach nicht die richtige Persönlichkeit. Sich zurücklehnen, rhythmisch mit dem Rest der Band verbunden sein und alles aus dieser Perspektive sehen – ich kann sogar die ganze Band hören – das ist wie das Gegenstück zum Publikum sein. 

motor.de: Das sind ja ein paar ziemlich überzeugende Punkte. Vielleicht sollte ich die Gitarre für den Bass eintauschen.

Scott Devendorf: Ja, das ist ein ziemlich guter Aspekt: die Show sehen und gleichzeitig die Show sein. Außerdem müssen wir [Bassisten] nicht die ganze Zeit die Führung übernehmen.

 

motor.de: Für das nächste The National Album, dürfen wir bitte erwarten, dass es keine Menge Synthesizers, einen Drop oder ähnliches bei euch geben wird? Das ist ja eine Entwicklung, die man momentan bei vielen Bandprojekten immer wieder beobachten kann.

Scott Devendorf: Das ist schwer zu sagen. Wir sind in die Materie ein bisschen eingetaucht, aber in einer eher analogeren 1970er-Art. Auf dem letzten Album haben wir bereits weniger Saiteninstrumente benutzt. Aber wir sind eine Band, die Instrumente spielt und sich über diesen physischen Aspekt miteinander zusammenfügt. Wenn wir also e-Boards rausholen und anfangen, auf ihnen rumzuspielen, macht das Spaß – aber wir haben es damit noch nicht besonders weit gebracht (lacht). Ich glaube also, dass es eher kein Dance-Album geben wird. Weißt du, wir sind so etwas wie eine „Gitarren-Band“. Für uns ist das Wichtigste das Physische, die organische Natürlichkeit des Spielens – das Akustische und Elektronische. Das ist einfach etwas, das wir seit Jahren tun. Und es ist etwas, das uns Spaß macht und eine emotionale Verbindung mit sich bringt. Hinsetzen, Drum Machines hier und da einwerfen ist in gewisser Weise zwar reizvoll für uns, aber nicht Teil unseres Plans. 

 

motor.de: Die Zeit ist fast vorbei, also eine letzte Frage: Wenn wir uns The National auf Tour vorstellen, wer trifft die besten Frühstücksentscheidungen und ist Tastemaker?

Scott Devendorf: Wir sind eigentlich immer auf der Suche nach einem anständigen Kaffee  und der ist manchmal echt hart zu finden. Unser Licht-Designer David Brown ist aber immer eine gute Quelle zum Kaffee-Finden und die Zwillinge [Aaron und Bryce Dessner] finden definitic die feinsten und besten Frühstücke. Also im Grunde: Wenn wir guten Kaffee finden, sind wir ziemlich glücklich. 

(Foto: Target Records / Text: Vera Jakubeit)

The National sind ab sofort mit St. Vincent auf Tour in deutschen Landen – und zwar hier:

02.06.2014 München – Zenith

04.06.2014 Hamburg – Stadtpark Freilichtbühne 

05.06.2014 Berlin – Zitadelle Spandau

10.06.2014 Leipzig – Parkbühne

11.06.2014 Köln – Tanzbrunnen

P.S. Wer es bis hier hin geschafft hat, darf sich selbst feiern und als Erster schnell eine Mail mit Betreff "The National" an redaktion@motor.de schicken. Im Gegenzug gibt es 1×2 Karten für das Konzert übermorgen in Berlin plus ein Band-Shirt in Größe S. Ist das was, oder was? Das Gewinnspiel ist beendet, der Gewinner wurde benachrichtigt. Vielen Dank allen die mitgemacht haben!

 

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