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(Fotos: Chris Lascano)
Immer nur als „Neuer“ dazu zustoßen, kann auf Dauer ganz schön anstrengend sein. Jason Newsted kann davon ein Lied singen. Über dreißig Jahre lang tingelte der sympathische Viersaiter-Nerd, zumeist im Schatten von extrovertierten Frontmännern und nicht minder geltungssüchtigen Drummern, quer über den Erdball. Damit ist jetzt Schluss. Denn Jason fühlt sich zu Höherem berufen. Anno 2013 will es der der Hartholz-Fetischist allen Ullrichs, Hetfields und Belangers dieser Welt so richtig zeigen. Und so schnitt sich der Basser sein eigenes Banner zurecht, rekrutierte mit Jessie Farnsworth (Gitarre), Mike Mushok (Gitarre) und Jesus Mendez Jr. (Drums) drei Gleichgesinnte um sich herum und drehte alle ihm zur Verfügung stehenden Regler auf Anschlag. Das Ergebnis heißt „Heavy Metal Music“ und macht seinem Titel alle Ehre. Mit reichlich Schaum vorm Mund dreht der Ex-Metallica-Bassist ordentlich am Zeiger. Aber warum erst jetzt? Welche scheinbar unüberwindbaren Hürden haben sich dem First-Time-Leader seit seinem Ausstieg bei Metallica so vehement in den Weg gestellt? Wir schnappten uns den Metal-Maniac und fragten nach:
motor.de: Hi Jason, eigentlich waren wir schon vor Wochen miteinander verabredet. Leider kam eine Lungenentzündung dazwischen. Daher meine erste Frage: Wie geht’s dir? Alles wieder im grünen Bereich?
Jason: Oh, Danke der Nachfrage. Ja, alles wieder im Lot. Ich hasse es krank zu sein (lacht).
motor.de: Es war nicht das erste Mal, dass dich der Zustand deines Körpers von deiner Arbeit abhielt. Ich erinnere mich mit Schaudern an einige schwere Rückenoperationen in der Vergangenheit. Der Geist ist willig, aber der Körper ist schwach?
Jason: (lacht) Man könnte fast den Eindruck bekommen, oder? Nein, im Ernst: Die beiden Sachen kann man natürlich gar nicht miteinander vergleichen. Die Tortur mit meinem Rücken war um einiges heftiger.
motor.de: Wohl wahr. Es stand sogar die Zukunft deiner Karriere als Musiker auf dem Spiel, richtig?
Jason: Ja, das stimmt. Ich wurde ja nicht nur einmal, sondern mehrmals am Rücken operiert. Es war eine furchtbare Zeit, in der ich unter Depressionen und Schmerzmittelsucht litt. Wochenlang hing alles am seidenen Faden. Keiner konnte mir sagen, ob ich je wieder einen Bass würde spielen können. Ich war echt im Arsch – nicht nur physisch sondern auch psychisch.
motor.de: Und dann kam die Malerei…
Jason: Oh, ja! Der Pinsel war meine Rettung (lacht). Als ich anfing zu malen, ging es mir schlagartig besser. Da war endlich wieder eine Möglichkeit um mich künstlerisch auszudrücken. Das war Heilung pur.
motor.de: Irgendwann warst du dann wieder halbwegs auf dem Damm. An neue Musik war aber dennoch nicht zu denken. Warum?
Jason: Ich war einfach nicht in der Lage vernünftige Songs zu schreiben. Ich wollte, aber ich konnte nicht.
motor.de: Wer oder was hatte Schuld daran? Saßen die Herren Hetfield und Ullrich ganz vorne auf der Anklagebank?
Jason: Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass mir die Metallica-Trennung nicht über Jahre hinweg zu schaffen machte. Um genau zu sein, habe ich zehn Jahre gebraucht, um aus diesem Loch wieder herauszukommen. Es lag aber weniger an Lars und James, sondern vielmehr an der Tatsache, dass ich seinerzeit einen der größten Heavy Metal-Träume überhaupt beendet habe – nämlich ein Teil der größten Band des Universums zu sein.
motor.de: Was für ein Gefühl war es denn, als du im Dezember 2011, anlässlich der Metallica-30-Years-Jubliläumsfeierlichkeiten, wieder gemeinsam mit den Jungs auf einer Bühne standst?
Jason: Das war schon ziemlich heftig. Ich kam raus und die Massen schrien so derbe laut meinen Namen, dass ich Probleme hatte, mich auf die Musik zu konzentrieren. Das war Adrenalin pur und letztlich auch der Startschuss für Newsted.
motor.de: Inwiefern?
Jason: In diesem Augenblick übermannten mich die Gefühle. Es war, als würde mich ein Blitz von all der Last der Vergangenheit befreien. Ich spürte wieder die Energie des Musizierens und die unbändige Power, die dich vereinnahmt, wenn du auf einer Bühne stehst und die Leute vor dir mit angeschwollenen Halsschlagadern deinen Namen rufen. Als ich wieder zu Hause war, sprudelten die Ideen förmlich aus mir heraus. Die Blockade war gelöst.
motor.de: Ergo: Danke Metallica, für die zweite Chance?
Jason: Jein. Es war toll mit den Jungs wieder auf der Bühne zu stehen, keine Frage. Der Hauptgrund meiner ganz persönlichen „Befreiung“ war aber eher das komplette Ganze. Ich habe Lars nicht zugesagt, weil ich nur Bock hatte mit den Jungs zu jammen. Ich war hauptsächlich wegen des Umfeldes da. Viele Leute wissen nicht, dass Metallica schon seit über dreißig Jahren dieselbe Roadcrew haben. Ich bin mit diesen Typen aufgewachsen. Die haben aus mir einen Mann gemacht. Das sind meine Brüder, meine Schwestern, meine Onkels und Cousins. Wir sind eine Familie. Es war unbeschreiblich, all diese Leute endlich wieder zu treffen.
motor.de: Hattest du keine Angst davor, alte Wunden wieder aufzureißen?
Jason: Nein. Dafür war die Vorfreude auf das Wiedersehen einfach zu groß. Außerdem: Ich habe lange genug gelitten. Das Leben ist einfach zu kurz, um nachtragend zu sein. Wir sind jetzt alle wieder im Reinen. Mittlerweile verstehen wir uns sogar besser denn je. Die Jungs wissen heute, dass sie mich damals nicht immer fair behandelt haben. Das ist jetzt ok für mich. Ich werde Metallica immer lieben und der Maschinerie auf ewig dankbar sein. Ich hatte unvergessliche 15 Jahre mit der Band und habe dabei alles erreicht, was man sich als Musiker erträumen kann. Jetzt gucke ich aber nur noch nach vorne.
motor.de: Als Leader deiner eigenen Band. Wie fühlt sich das an?
Jason: Großartig. Ich bin jetzt der King. Das ist fantastisch (lacht). Aber es ist auch hart – verdammt hart sogar. Ich bin ja nicht nur der Frontmann. Mein Name ist die Band. Er steht auf dem Banner, auf den Cds – auf jedem verdammten Blatt Papier, was mit dieser Band zu tun hat, steht mein Name. Das bedeutet Verantwortung – und zwar rund um die Uhr. Ich habe seit Mai ungefähr 600 Interviews geführt. Es gab Wochen, da saß ich elf Stunden am Stück in irgendwelchen Hotelzimmern oder am Telefonhörer.
motor.de: Wow!
Jason: Ich kümmere mich um alles. Jeder Flug, jede Anfrage, jede Einstellung eines Roadcrew-Mitglieds und jeder Furz, der im Namen meiner Band gelassen wird, wird von mir abgesegnet. Das ist verdammt viel. Aber ich will es so. Ich will mich um meine Band kümmern. Ich will, dass es den Jungs an nichts fehlt, damit sie Spaß und Freude empfinden, wenn sie unter meinem Banner auf die Bühne gehen. Ich will, dass es funktioniert. Diese Band ist mein Leben – mein Baby. Ich stand jahrzehntelang im Schatten. Versteh mich nicht falsch. Ich bereue nichts. Ich habe viele unvergessliche Erinnerungen in meinem Kopf. Aber jetzt bin ich dran. Und „Heavy Metal Music“ ist erst der Anfang.
motor.de Was wäre aber, wenn Lars oder James plötzlich anrufen und fragen würden, ob du nicht Lust hättest, wieder zurückzukommen?
Jason: Das wird nicht passieren. Robert macht einen super Job. Metallica sind glücklich. Ich bin glücklich. So soll es sein. Und so wird es auch bleiben.
Text: Kai Butterweck
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