Als Liebhaber von experimenteller und fortschrittlicher Rockmusik kommt man an den Hamburgern schon länger nicht vorbei – Nihiling im motor.de-Interview.
Trotz ihres frischen Alters können Nihiling bereits eine beachtliche Bandgeschichte vorweisen. Im vergangenen Monat veröffentlichten die Hamburger ihre zweite Platte “Egophagus“, auf der das Quintett seine ganz eigene Interpretation von modernem Postrock präsentiert. Zeitgleich zur Veröffentlichung absolvierte die Band eine Deutschlandtour. motor.de traf die sympathischen Musiker nach ihrem Konzert in Leipzig. Dabei sprach die Band auch über Karriereplanung, den ständigen Vergleich mit Oceansize und einen mysteriösen Brief.
motor.de: Vor wenigen Wochen ist euer zweites Album “Egophagus” erschienen. Wie ist denn bisher das Feedback ausgefallen?
Gorka: Ehrlich gesagt, ich bin wirklich erstaunt. Ich hätte nur mit einem Verriss gerechnet. Denn als wir die Platte selbst zum ersten Mal richtig gehört haben, wussten wir nichts mehr so richtig damit anzufangen. Wir haben die Scheibe dann erst einmal ein halbes Jahr liegen lassen.
Alex: Die ersten Reviews waren nicht so besonders und wir dachten, dass wir jetzt richtig auf die Mütze kriegen. Aber allmählich wurde es dann besser und es gab immer mehr positives Feedback. Es gab da eine Rezension, die wirklich kein gutes Haar an meinem Gesang gelassen hat, aber ich hätte da mit deutlich mehr Kritik gerechnet, da es ohnehin nicht so viele Bands gibt, die sich trauen, was mit weiblichen Vocals zu machen.
Andy: Man merkt dann auch immer wieder als Musiker, dass der Hörer unsere Musik völlig anders wahrnimmt. Wir können uns da gar nicht hinein versetzen. Da hören Leute Dinge, die wir selbst überhaupt nicht auf dem Schirm haben. Es ist jedenfalls sehr interessant, was so alles in unsere Songs hinein interpretiert wird.
motor.de: Interessant ist das textliche Konzept hinter “Egophagus”. Die Lyrics sind im Stil eines Dialogs zwischen drei Personen aufgebaut. Was hat es damit auf sich?
Gorka: Die Idee zu den Texten entstammt einem Brief an einen mysteriösen “Señor Iraola”, der wirklich existiert. Dort erklären sich Kontext und Setting der Lyrics. In den Texten auf “Egophagus” treten dann drei Charaktere auf. Diese tauchen zwar selbst nicht in dem Original-Brief auf, sprechen aber über das Ereignis, was dort beschrieben wird. Letztendlich sind die Texte aber als eine Geschichte zu verstehen, die auf eine etwas andere Art und Weise erzählt wird.
Nihiling – “Particle”
motor.de: Ihr werdet öfter mit Oceansize verglichen. Nervt euch das oder fühlt ihr euch geschmeichelt?
Gorka: Ich weiß noch, wie wir damals mit 18 oder 19 Jahren versucht haben, Musik zu machen. Und dann haben wir zum ersten Mal Oceansize gehört und wir dachten: ‘Wow, alles was wir mögen, macht diese Band’. Das war ein Gefühl, was wir vorher noch nicht kannten. Und dann wollten wir natürlich auch nur noch solche Musik machen, zumindest haben wir es versucht. Letztlich haben wir dann aber alle gemerkt, dass es besser ist, seinen eigenen Weg zu gehen. Klar finde ich es eine tolle Sache, wenn Leute uns mit Oceansize vergleichen. Aber es ist auch nervig und zwar vordergründig deswegen, weil ich gar nicht finde, dass wir so sehr nach Oceansize klingen. Aber irgendwie ist es wohl immer so, dass einen Musik an bestimmte Dinge erinnert. Und Oceansize sind einfach eine großartige Band, da will ich mich eigentlich nicht beschweren. Leider haben wir nie mit ihnen zusammen gespielt.
motor.de: Seht ihr euch denn als Postrock-Band?
Andy: Ich persönlich würde uns da nicht einordnen. Wir haben zwar typische Postrock-Elemente in unserer Musik, aber auch viele andere Einflüsse und Strukturen. Letztendlich ist es sicher eine Definitionsfrage. Wenn Postrock bedeutet, dass es um experimentierfreudige, dichte und atmosphärische Rockmusik geht – meinentwegen, dann sind wir vielleicht eine Postrock-Band.
Gorka: Ich glaube, wir wollten immer dazu gehören, haben aber irgendwann gemerkt, dass wir da nicht reinpassen. Wir haben schon mit Metalbands, aber auch mit Postrock-Bands gespielt. Und den Metal-Heads war es in der Regel zu weich und den Postrock-Fans in der Regel zu hart. Ehrlich gesagt, wissen wir gar nicht so recht, wo wir hingehören. Irgendjemand hat mal gesagt, dass wir Musik für Musiker machen würden. Wirklich – ich weiß es nicht.
motor.de: Was erwartet ihr denn von eurem Publikum – sollen die Leute lieber springen und tanzen oder lieber zuhören und träumen?
Gorka: Ich schaue während eines Konzerts sehr selten ins Publikum. Für mich ist das wirklich zweitrangig. Wichtiger finde ich, dass zwischen den Bandmitgliedern was passiert. Schön ist ein Konzert dann, wenn ich merke, da kommt auf der Bühne von den anderen etwas zu mir, das ich dann zurückgeben kann. Sicher macht es Spaß zu sehen, wenn Leute richtig abgehen. Aber ich bin da oft in meiner eigenen Welt. Dieses Gefühl, mit dem Publikum verbunden zu sein, das kenne ich so gar nicht.
Alex: Bevor ich in die Band kam, habe ich die Jungs live gesehen und ich musste einfach tanzen. Auf unseren Konzerten ist es aber eher die Regel, dass nicht viel Bewegung im Publikum herrscht. Persönlich finde ich es schon schön, wenn man merkt, dass die Leute ein wenig mitgehen. Mir ist klar, dass unsere Musik keine typische Tanzmusik ist. Aber wenn sich im Publikum überhaupt nichts tut, dann weiß man immer nicht so recht, ob die Leute die Musik gerade genießen oder einfach nur gelangweilt sind.
motor.de: Ihr seid alle Anfang, Mitte 20. Setzt ihr denn alles auf die Musik oder gibt es einen Plan B?
Alex: Wir sind da gerade am Diskutieren. Ich beispielsweise studiere gerade in England und dürfte hier eigentlich gar nicht sein. Die anderen müssen alle nebenher arbeiten. Aber wir sind uns schon einig, dass die Band für uns ungemein wichtig ist.
Gorka: Ich will auf jeden Fall nichts anderes machen. Mir ist klar, dass wir keinen neuen Hype kreieren werden. Letztes Jahr hat man uns auf einem Gig zum Beispiel noch als Schülerband ausgelacht. Und es ist auch so, dass wir auf der Bühne wahrscheinlich sehr jung aussehen. Aber das ist in Ordnung, irgendwann wird man uns ernstnehmen müssen.
motor.de: Eure Heimatstadt Hamburg ist nicht unbedingt bekannt für eine große Szene, was experimentelle Musik angeht. Habt ihr denn Kontakt zu Audiolith oder Künstlern der “Hamburger Schule”?
Andy: Ja, da gibt es zu vielen Leuten Kontakt. Es gibt da keine Konkurrenz, eher pusht man sich gegenseitig. Man hilft sich, kennt sich und läuft sich öfters mal über den Weg. Nur mit gemeinsamen Konzerten wird es schwierig, weil die Musikstile sich schon sehr unterscheiden.
motor.de: Letzte Frage: Was sind die Zutaten für den perfekten Nihiling-Song?
Alle: Delay!!! (Gelächter)
Alex: Ein prägnanter Beat und jede Menge schöne Gitarrenmelodien.
Andy: Etwas düstere Stimmung und viel Atmosphäre.
Gorka: Was ich bei uns so schön finde, ist das langsame Aufbauen von etwas sehr Schönem, um es dann urplötzlich wieder kaputt zu machen.
Interview: Anton Kostudis
No Comment