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Der Vogel ist tot, lang lebe sein Sänger! Nach sieben Alben, unzähligen Konzerten und fast ebenso vielen Besetzungswechseln lösten sich Fink 2006 Jahr auf. Über zehn Jahre lang hatte die Band um Nils Koppruch der deutschsprachigen Popmusik ein neues Zuhause gegeben – das lag irgendwo zwischen Hamburg und Omaha, gestern und heute, zwischen Folk, Americana und dem Ort, wohin die Sehnsucht einen halt trägt.
Mittlerweile ist der Songschreiber, Musiker und Künstler genau dort angekommen. „Den Teufel tun“ heißt sein erstes Soloalbum, und es klingt weniger rohrspatzig als es der Titel vermuten lässt. Hier stiehlt sich niemand aus der Verantwortung, sondern stellt sich den Dingen. Der eigenen Kunst etwa. Und der inneren Verpflichtung, etwas weiterzuführen, die Welt und ihre Dinge zu beobachten und sich selbst dabei zuzusehen. Manche nennen so etwas Autoreflexivität. Nils Koppruch macht sich lieber einen Reim darauf: Songs über das Liederschreiben, das Geschichtenerzählen und das Singen halten das Album wie eine biografische Klammer zusammen.
Nils Koppruch weiß, was er will und was nicht. Er sieht sich – Punk sei Dank – als selbstbewusster Autodidakt, der sich in seinen Ideen weder von modischen Trends noch von fremden Regeln leiten lässt. Und nach dem gleichen Prinzip, nach dem er einmal selbst herausgefunden hat, welche Töne auf der Gitarre zueinander passen, kreiert der gelernte Koch seine höchst eigenen musikalischen Kompositionen á la art brut. Den Hamburger Musiker und seine Musik konkret einzuordnen fällt daher schwer. Dennoch erklingt ein vielschichtiges Echo aus Richtung des großen Teichs. Dessen Spektrum reicht von Tom Waits und Will Oldham, von Howe Gelb bis Smog. Folk im Sinne einer erzählenden, lebendigen Musiktradition, deren Motive aufgenommen, umgedeutet und weitergesponnen werden. Das von Greil Markus im frühen Blues und Folk wieder entdeckte „alte, unheimliche Amerika“ wird hier wie selbstverständlich neu verortet. Aus dem Nebel der Zeit scheinen die sagenhaften Protagonisten einer fast vergessenen Welt ihren Platz im Hier und Jetzt einzufordern.
In den Songs von Nils Koppruch erzählen sie ihre Geschichten und sind doch biografisch kaum greifbar. Das Wer, Wie oder Wo bleibt unbeantwortet, was zählt, ist die konkrete Situation, in der sie mit ihren freigelassenen Gedanken jonglieren. Einem Filmregisseur gleich wählt sich Koppruch die Darsteller für seine Storys aus, setzt sie in die richtige Kulisse und achtet auf das richtige Licht. „Folk noir“ nannte ein aufmerksamer Journalist die Songs von Fink; bei Nils Koppruch beginnt das Schwarz großflächig zu schimmern. Dabei fährt „Den Teufel tun“ im Vergleich zu den vergangenen Fink-Platten musikalisch in eher ruhigem Fahrwasser. Es dominieren Koppruchs Stimme und Gitarre, die wenn nötig durch alte und neue Bekannte unterstützt werden: ehemalige Bandkollegen wie Christoph Kähler, Ecki Heins und Lars Paetzelt sind ebenso zu hören wie Lars Precht (Blumfeld, Veranda Music), Peter Lohmeyer, Günter Märtens (Rhythmus Boys) und Clickclickdecker. Abseits von Liedermacher-Befindlichkeiten und Deutschrock-Gepolter hat Nils Koppruch längst eine eigene lyrische Form gefunden. Seine Zeilen sind zeitlos und universell. Sie stehen nicht auf dem Lehrplan der Popakademien oder der Hamburger Schule, sondern waren auf ihre knochig-charmante Art schon immer „old school“…
…Ein ganzes Jahr über arbeitete Koppruch an den Songs zum Album und widmete sich sonst seinem zweiten künstlerischen Standbein, der Malerei. In einem kleinen Atelier auf St. Pauli wird Nils Koppruch zu Sam. In Hamburgs Szenevierteln hängen dessen Bilder inzwischen in jedem zweiten Haushalt, jüngst erschien sogar ein erster Bildband…
Michael Hess
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