Noah And The Whale erstaunten beim Konzert mit ungewohnt lauten Tönen und beim Interview mit einer unerwartet fröhlichen und witzigen Art.
Die jungen Londoner Musiker sind derzeit mit den französischen Indie-Rockern Phoenix auf Tour und versuchen, auch dem deutschen Publikum ihre melancholischen Folkrock näher zu bringen – in ihrer Heimat sind Noah And The Whale schon um einiges bekannter und können sich vor neugierigen Journalisten kaum retten. Um so entspannter erzählte Sänger Charlie Fink in Stuttgart (mit gelegentlichen Unterbrechungen) über seine iTunes Leidenschaft, darüber, dass auch traurige Musik glücklich machen kann, und wieso auch er dem Twilight Hype verfallen ist.
motor.de: Ist es das erste Mal, dass ihr in Deutschland unterwegs seid?
Tom: Nicht ganz, wir waren beim Haldern Pop Festival und haben mal in Berlin einen Gig gespielt. Aber jetzt ist es die erste richtige Tour, das stimmt. Wir sind jetzt seit ungefähr zwei Monaten unterwegs.
Charlie [kommt gerade erst rein]: Hey! Soll ich das machen? Ich hab schon so lange kein Interview mehr gegeben. Ich bin ganz eingerostet.
motor.de: Aber du machst als Sänger doch bestimmt die meisten Interviews oder?
Charlie: Ja, das stimmt. Es macht irgendwie am meisten Sinn. Hey Tom, hast du das gesehen, da ist wirklich ein Jacuzzi im Bad, schau dir das mal an! So, jetzt, tut mir leid [lacht].
motor.de: Ihr seid grade mit Phoenix unterwegs…
Charlie: Ja! Es ist wunderbar, ich habe mich in das Album verliebt. Wir haben wohl das selbe Management, so ist das alles irgendwie gekommen. Wenn wir Headliner sind, versuchen wir immer, unsere Vorbands selbst auszusuchen, aber das geht natürlich nicht immer. Und es ist natürlich toll, dass wir vor Phoenix spielen können.
motor.de: Euer ganzes Equipment und alle Instrumente wurden vor kurzem geklaut – habt ihr die Sachen inzwischen wieder bekommen?
Charlie: Nein, überhaupt nichts. Wir mussten alles neu kaufen. Das ist wirklich traurig, da hing sehr viel sentimentaler Wert dran.
motor.de: Wenn man eure Platte anhört, dann klingt das alles sehr ruhig und leise – habt ihr nicht auch mal Lust laut zu sein?
Charlie: Naja, ein Album muss ja auch zusammenpassen. Natürlich würde ich auch gerne mal schreien, und wir werden live auch wirklich sehr laut, da wird es eigentlich richtig heavy. Vielleicht wird das nächste ein richtiges Rockalbum, das könnte ich mir auch vorstellen. Aber wir haben eben versucht, Kontinuität auf dem Album zu haben, eine Sammlung von Songs die zusammen passt. Aber man muss ja nicht auf jedem Album und auf jeder Tour die selbe Band sein.
motor.de: Ist es denn schwer, auf der Bühne immer diese traurige Stimmung zu haben? Ihr wirkt ansonsten ziemlich fröhlich!
Charlie: [lacht] Ach nein, ich kann auch echt ein mies gelaunter Bastard sein. Aber auf der Bühne bekommen die Songs ein anderes feeling, und es ist auch nicht wirklich wie ein persönliches Statement. Man verliert sich in dieser Musik. Aber es ist ein Unterschied, die Lieder zu schreiben und aufzunehmen und sie dann live zu spielen. Das Songwriting ist viel persönlicher, wenn man dann spielt hat man schon Abstand. Wir haben auch einen Film zu dem Album gemacht, ich weiß nicht ob man den in Deutschland überhaupt sehen kann, aber zu der DVD gibt es eine extra CD, und da ist ein kleiner Gig von uns drauf. Wir waren bei einem Freund in der Wohnung in Brooklyn, nur 25 Leute oder so, und da haben wir gespielt. Und wir hatten im Hintergrund die Bilder des Films, und dazu haben wir ein 15-minütiges Medley aus allen Songs von “The First Days Of Spring” gespielt. Jedenfalls schwenkt die Kamera da so durch den Raum und man sieht die Reaktionen der Leute. Was ich damit eigentlich sagen will: sie sahen alle glücklich aus, sie haben mitgesungen und gelächelt. Es ist also auch nicht nur Musik die man zu Hause hört wenn man im Bett sitzt.
motor.de: Du hast also auch keine Angst davor, zu persönlich zu werden?
Charlie: Nein. Ich hab nichts dagegen, persönliche Songs zu schreiben, ich mag es nur nicht, wenn alle immer versuchen irgendwas über mein Leben rauszukriegen. Es ist wahrscheinlich ein ganz natürlicher Instinkt, aber ich verstehe nicht was so wichtig daran ist. Wenn man ein Künstler ist, kommt es darauf an was man macht, und das verlangt natürlich einen gewissen Grad an Ehrlichkeit.
Aber in England lieben die Leute es einfach rumzuspionieren und überall ist dieser Gossip, das nervt wirklich und ich verstehe es nicht.
motor.de: Den Film zum Album habt ihr selbst gedreht, was sind deine Lieblingfilme?
Charlie: Oh, das ist so schwer. Vielleicht “Mulholland Drive”. Alles von David Lynch und alles von Paul Thomas Anderson.
[Tom und Urby schalten sich ein und es entsteht eine ewige Dikussion über verschiedene Filme, Regisseure, Schauspieler,…]
Charlie: Okay, also. Tschuldigung. Ich mochte noch “Adventureland” [grinst].
motor.de: Weil du die Schauspielerin magst?
Charlie: Kristen Stewart? Oh Mann, ist das so offensichtlich? Ja doch, die ist geil [lacht]. Ich mochte wegen ihr sogar “Twilight”! Und tolle deutsche Filme gibt es auch. “Die Welle”, oder “Das Leben der Anderen”. Aber auf Tour können wir sowieso nicht viel ins Kino. Hier in Deutschland ist ja auch alles auf deutsch. Das ist eigentlich schade. Ich kucke französische Filme auch nicht auf englisch! Man bekommt die Performance der Schauspieler gar nicht richtig mit.
motor.de: Lasst uns über eure Videos sprechen, hat es einen bestimmten Grund, dass ihr da immer in gelb und blau angezogen seid?
Charlie: Ja, stimmt, das haben wir beim ersten Album immer gemacht. Warum kann ich garnicht sagen, es war irgendwie witzig. Fancy. Wir mögen die Siebziger und auch die Musik. Aber wir machen das jetzt nicht mehr, wir sind anders geworden, und inzwischen sind wir eigentlich gar nicht mehr in unseren Videos zu sehen.
motor.de: Ich hab gehört, du bist ein ziemlicher iTunes Junkie…
Charlie: Ja, das stimmt. Und ich bin auch nicht stolz drauf. Denn, um das mal klarzustellen [lacht]: ich hab ein Problem mit iTunes. Man hört meistens die Alben nicht als Ganzes. Es ist nicht so, dass iTunes das fördert, aber zumindest erlaubt es, einzelne Songs runterzuladen. Ich finde, man sollte immer das ganze Album hören. Wenn ich etwas runterlade, dann alles. Und wenn wir so viel unterwegs sind, ist es einfach sehr geschickt. Aber eigentlich auch dumm und Geldverschwendung, weil ich mir später auch die richtige CD kaufe, wegen dem Cover und so.
motor.de: Was hast du als letztes runtergeladen?
Charlie: Zwei Alben von Richard Hawley. Ich habe das vorher nie richtig angehört. Aber sonst mag ich eigentlich eher Neil Young oder Tom Waits, sowas in der Richtung.
motor.de: Ihr seid alle noch ziemlich jung, eure Texte klingen trotzdem sehr erfahren, woher kommt das?
Charlie: Oh ich weiß nicht [überlegt]. Nein, ich weiß es wirklich nicht [überlegt]. Alles was in der Musik ist, ist das, was man über mich wissen muss. Und mein anderes Leben ist mein Leben. Ich bin froh, das teilen zu können, aber mehr kann ich nicht sagen. Ein Schriftsteller, W. H. Aldrin, hat mal geschrieben „Artists aren’t men of action, they’re people who make things“.
motor.de: Was ist bei euch in Zukunft geplant?
Charlie: Wir machen im Januar wieder Aufnahmen für eine EP, und dann geht’s wieder zurück nach London. Endlich. Ich vermisse zu Hause wirklich. Die Kontinuität.
Tom: Mein Bett!!
Interview: Juliane Sondermeyer
» Hier gehts zu den Fotos von Noah And The Whale und Phoenix beim Konzert in Stuttgart.
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