Punks in Abendgarderobe, oder einfach gesagt: Stilvoll und dennoch nichts für schwache Nerven.
Die Chance, auf einem Konzert der Noisettes gleichzeitig neben einem Punk und einem Jazz-Connaisseur zu stehen, ist nicht gerade gering: Die Band um die charismatische Sängerin Shingai Shoniwa ist in beiden Welten zu Hause.
Gefährlich wird es immer ganz besonders dann, wenn man sich durch Äußerlichkeiten täuschen lässt. Ist uns allen ja so gegangen, damals bei Pulp Fiction: Die beiden kaltblütigen Killer Jules und Vincent Vega mochte man auf Grund ihres stilvollen Auftretens, da störte es nicht weiter, wenn sie einem wehrlosen Opfer später das Gesicht wegschossen. Die Londoner Noisettes lassen keinen Zweifel daran, dass hinter der Fassade und dem süßen Namen, der nach Schokoriegel klingt, eine zartbittere Überraschung wartet. Schon auf dem Cover ihres Debütalbums 2007 “What’s The Time Mr. Wolf?” kommen die Drei aus einem Vampirgebiss auf die Showbühne gehüpft, wie kleine Hundewelpen wollen sie vermutlich zwar nur spielen, dass sie dabei aber auch kratzen und beißen, gehört dann eben dazu. Schließlich weiß man gerade im Unterhaltungsbetrieb oft nicht, wann genau der Spaß aufhört: War es vor oder hinter dem Vorhang?
Shingai Shoniwa weiß es vermutlich, aber sie würde den Teufel tun, es uns zu verraten. Die Sängerin der Londoner Band macht keinen Hehl daraus, dass selbst so etwas scheinbar Banales wie Punkmusik gleichsam großes Theater und große Kunst sein kann, wenn man es nur zulässt. Sie liebe es, wenn gerade Sänger oder Performer Charaktere erschufen und mit dem Publikum und seiner Erwartungshaltung spielen.
Die, die eine wüste Punkshow sehen wollen, wähnen sich auf einer Varieteveranstaltung, wer auf einen gepflegten Abend im Jazzkeller gehofft hat, wird von der ungehobelten und rotzfrechen Performance kalt erwischt: Stilvoll und dennoch nichts für schwache Nerven, wie ein Tarantino-Film.
Der NME (das britische Zentralorgan, wenn es darum geht, wöchentlich einen neuen Hype auszurufen) war dieses Mal sogar recht spät dran – zumindest für seine Verhältnisse. Gitarrist Dan Smith, Sängerin und Bassistin Shingai Shoniwa und der wenig später hinzu gestoßene Drummer Jamie Morrison, die sich 2003 als Noisettes zusammengetan und 2005 ihre erste EP “The Three Moods Of The Noisettes” veröffentlicht hatten, waren kaum auf der Bildfläche erschienen, da hatten sie schon prominente Fans, lange bevor die Presse davon Wind bekam: Muse, Bloc Party und Peter Dohertys Babyshambles zählten zu den ersten Verehrern. Vielleicht war es die ungeschliffene Punk-Attitüde, der naiv über das Ziel hinaus schießende Pop-Appeal oder einfach die Präsenz von Frontfrau Shoniwa, die der Ex-Skunk Anansie-Sirene Skin in Puncto Extrovertiertheit und Eyecatcher-Potenzial locker das Wasser reichen konnte und deren zwischen hauch-zart und hysterischem Schreien changierende Stimme sie zu einer Soul-Diva des Punk macht.
“Ich mag Sängerinnen, die ihre Stimme wie ein Instrument benutzen. Ich liebe Nina Simones Stimme, sie klingt wie ein Tenorsaxofon. Sie hat sich nie an Trends oder aktuellen Geschmäckern orientiert und sich immer ganz dem Song und der Performance untergeordnet”, hat sie dem britischen Magazin House Of Tracks verraten, nachdem sie wieder einmal mit Björk, der Soulsängerin Erykah Badu und Billie Holiday verglichen wurde.
Im April 2009 veröffentlichen die Noisettes ihr zweites Studioalbum “Wild Young Hearts” über das Label Mercury / Universal.
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