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“Wir möchten uns auf keinen Fall wiederholen” – Nouvelle Vague im Interview

Marc Collin über Qualitätsstandards, Bandfreundschaften und schlechte Coverversionen.

Nouvelle Vague ist keine Band. Nouvelle Vague ist vielmehr ein ehrgeiziges, ständig pulsierendes und rotierendes Cover-Projekt der beiden Franzosen Marc Collin und Olivier Libaux. Stets im Schlepptau haben sie etliche französische Sänger/innen und Musiker/innen. Nachdem Nouvelle Vague in Vergangenheit Hits von Depeche Mode, Joy Division oder The Clash in swingend-loungige Gewänder hüllten, widmet sich ihr neues Album “Couleurs Sur Paris” hierzulande weitgehend unbekannten Songs des französischen New Wave. Grund genug, um ein wenig mit Marc Collin über das neue Album und den Prozess des Coverns im Allgemeinen zu reden.

motor.de: Wie läuft eure UK-Tour zur Zeit?

Collin: Es läuft großartig! Wir hatten gestern ein fantastisches Konzert in der Londoner Royal Albert Hall. Wir sind echt froh, dort gespielt zu haben und die ganzen Fans zu erleben. Und wir freuen uns schon drauf, in Deutschland zu spielen!

motor.de: Gibt es dafür schon genauere Daten?

Collin: Ja, wir werden Mitte Januar durch Deutschland touren.

motor.de: Großartig. Mit wem werdet ihr dann auf der Bühne stehen?

Collin: Ich bin noch nicht sicher, schätze aber, es wird mit Melanie Pain, Mareva Galanter, Nadeah Miranda oder Liset Alea geschehen. Ich bin noch nicht sicher, wer dieses Mal alles mitkommen wird. Die Sängerinnen wechseln sich die ganze Zeit ab.

motor.de: Also habt ihr live gar kein festes Line-Up auf der Bühne?

Collin:
Nein, das wechselt ständig. Die Sängerinnen haben alle Soloprojekte und können nicht bei jeder Tour dabei sein, sodass wir immer sehen müssen, wer wann Zeit hat. Aber das ist nicht schlimm, diese konstante Veränderung bringt immer wieder neue Frische in das Projekt.

motor.de: Euer neues Album “Coleurs Sur Paris” behandelt den französischen New Wave der 1970er und 1980er Jahre. Wieso habt ihr diese Ära gewählt? Die Songs sind ja diesmal weniger bekannte “Hits” wie bei euren vergangenen Nouvelle Vague-Alben.

Collin: Wir möchten uns auf keinen Fall wiederholen. Nachdem wir uns mit den vergangenen drei Alben zum Großteil dem britischen und amerikanischen New Wave gewidmet haben, dachten wir, dass nun mal die französische Szene dran ist. Wir waren und sind persönlich auch große Fans dieser Musik. Und ja, diese Musik kennen wirklich nicht viele Leute. Darum wollen wir dem Publikum auch die Möglichkeit geben, diese Epoche für sich zu entdecken. Sie hat einige sehr wichtige Acts zu bieten, zum Beispiel Elli & Jacno oder Lio… mit diesem Projekt bekommen diese großartigen Acts nun vielleicht ein wenig mehr internationale Beachtung.

motor.de: Auf dem Album sind weiterhin Features von Soko, Charlie Winston oder Vanessa Paradis. War es schwierig, sie für eine Mitarbeit zu überzeugen?

Collin: Nein, nein! (lacht) Wir mussten sie nicht überzeugen. Soko hat beispielsweise bereits in Vergangenheit mit uns zusammengearbeitet. Von Charlie Winston, den ich auch schon ein wenig länger kenne, und Vanessa Paradis erfuhren wir, dass sie große Fans von Nouvelle Vague sind. Als wir davon gehört haben, waren wir natürlich echt erfreut.

motor.de: Also ist das neue Album eher eine Kollaboration von Freunden?

Collin: Ja, man kann es so nennen. Wir sind mit beinahe jedem, der auf der Platte mitwirkt, auch gut befreundet.

motor.de: Erhaltet ihr oft Feedback von den Originalkomponisten? Wie sieht dieses meistens aus?

Collin: Wir erhielten bisher sehr gutes Feedback von fast jeder Band, die wir gecovert haben. Auf unserem dritten Album wollten die Sänger der Originale auch bei uns mitsingen, zum Beispiel Martin Gore von Depeche Mode. Für das aktuelle Album bekam ich auch bereits sehr gutes Feedback. Dieses Mal gestaltete sich das die Kommunikation auch ein wenig einfacher, da ich viele Künstler schon länger kenne.

motor.de: Was macht für dich eine gute Coverversion aus?

Collin: Sie muss etwas enthüllen, was im Original nicht explizit zum Ausdruck kommt. Also eine neue Idee, die in der Musik oder in den Lyrics versteckt ist. Der Song muss einfach an einen anderen Ort transportiert werden. Nimm zum Beispiel den Song “A Forest” von The Cure. Ich bin ein großer Fan von The Cure, habe das Stück auch tausende Male gehört. Aber ich habe den Lyrics nie so große Beachtung geschenkt. Mit unserer Version, die von einem Mädchen viel langsamer und ruhiger gesungen wird, kann man die Texte viel besser ergründen. Genau so ist es etwa mit “Killing Moon” oder “God Save The Queen” auch.

Nouvelle Vague – “God Save The Queen” [Sex Pistols]

motor.de: Gibt es Grenzen, wenn man Coversongs schreibt oder bestimmte Songs, von denen auch ihr besser die Finger lässt?

Collin: Grenzen, also ich wüsste nicht warum. Aber es gab einmal eine Band, die nicht wollte, das wir einen Song von ihnen covern, sie hieß Niagara. Das ist ziemlich verrückt, da ich mit der Sängerin von Niagara selbst eine Zeit lang arbeitete und sie sehr gut kenne. Doch sie wollte einfach nicht, dass ihre Lieder von Männern gesungen werden. Darum hab ich das auch nicht gemacht.

motor.de: Wollt ihr auch in Zukunft bei dem Konzept bleiben, Songs zu covern, oder könnte man auch eigene Lieder erwarten?

Collin: Wir wissen noch nicht, was die Zukunft bringt und planen auch nicht alles von Beginn an. Wir haben alle Nebenprojekte, in denen wir unsere eigene Musik machen können, deshalb haben wir nicht wirklich den Drang, dies für Nouvelle Vague auch zu tun. Im Grunde genommen ist aber alles möglich. Wir werden sehen, wo es uns nach diesem Album hinführen wird. Aber die Idee, Songs zu covern, die sonst nicht so oft gecovert werden, fühlt sich nach wie vor sehr gut an.

motor.de: Hast du einen persönlichen Lieblings-Coversong?

Collin: Ich liebe Shirley Horns Interpretation des Beatles-Song “And I Love Her”. Und ich mag beispielsweise, was Julie Driscoll aus “Light my Fire” gemacht hat.

motor.de: Und der schlechteste Coversong aller Zeiten ist in deinen Augen…?

Collin: Ich weiss nicht, es gibt so viele schlechte! (lacht) Wenn man nur versucht, die Künstler zu kopieren, also beispielsweise die Stimme des Sängers oder die Produktion des Songs exakt zu imitieren…dann kann einfach nichts Gutes dabei herauskommen.

Interview: Danilo Rößger

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