Ich treffe Jonas, Moritz und Raffael von OK KID an einem der wahrscheinlich letzten Sommertage diesen Jahres. Wir sitzen im Freischwimmer in Berlin die Sonnenbrillen frisch poliert auf den Nasen und starren glücklich auf die Spree. Ja ganz platt könnte man dieses Interview mit "Grundlos Glücklich" betiteln. Doch wir haben keine Anleitung zum Glücklichwerden ausgearbeitet, sondern über andere Dinge geredet.
Schließlich wurden auf ihrem selbstbetitelten Debütalbum die essentiellen Probleme der Generation y behandelt. Wofür soll man sich entscheiden, wenn man tausend Möglichkeiten hat? Und warum wollen wir doch immer noch mehr? Doch das scheint nicht bewusst geschehen zu sein.
Jonas: Wir haben nie forciert, Sprecher einer Generation sein zu wollen. Wenn wir Texte schreiben wollen, dann überlegen wir uns nicht: Was macht denn unsere Generation aus? Ach, da können wir jetzt mal einen Song drüber schreiben. Wir schreiben Songs so, wie wir etwas sehen oder wie wir etwas fühlen und denken dabei an wenig andere, außer an uns selbst. Aber natürlich ist es dann schön, wenn sich viele Leute damit identifizieren können. Viele Leute in unserem Umfeld haben halt viele Möglichkeiten ihr Leben zu gestalten. Da liegt dann auch die Krux. Aber das ist bei uns noch viel mehr Thema auf dem Album, als auf der EP. Bei der EP ist es echt viel mehr. Da existieren viele Fragen einfach nicht mehr, weil wir jetzt wissen, was wir machen wollen und nicht mehr auf der Suche sind nach dem… nach was?
Die anderen Beiden werfen Vorschläge ein wie "Glück" oder den "Sinn des Lebens". Doch am Ende ist es das Ausbleiben der Frage, was mache ich überhaupt. OK KID ist an dem Punkt angekommen, an dem gemacht wird.
Ob das der Grund dafür ist, dass die neue EP Grundlos so optimistisch klingt? Erstmal ist die Freude groß, dass jemand mal nicht nur an Melancholie denkt, wenn er OK KID hört. Denn auch das selbstbetitelte Album ist für Jonas schon hoffnungsvoll gewesen, da er sich nach dem Schreiben der Songs besser gefühlt hat. Nur kommt beim Hörer wohl der Schritt davor an, der doch eher melancholisch um die Ecke kommt.
Der Erfolg des Albums, die vielen Konzerte und Festivalshows, die sie gespielt haben, und das große Ganze, was sie gerade machen, hat viel verändert. "Wir sind gerade sehr glücklich, wie es läuft", sagt Moritz und Jonas fügt an, dass man dann eben nicht mehr Themen verhandeln kann, wie: was fange ich mit meinem Leben an und wo soll es hingehen?
Hach ja, so stellt man sich das doch vor, oder? Junge Herren, die nach dem Sinn des Lebens suchen, ihn in der Musik finden und damit haufenweise die Menschen glücklich machen. Da stellt sich automatisch die Frage, was macht denn sonst glücklich? Bei Moritz sind es eher die kleinen Dinge des Lebens, ein schönes Konzert, bei herrlichem Wetter am Wasser sitzen. "Da kann man irgendwie nur glücklich sein."
Raffael nennt vor allem die Gefühlsmischung aus Stolz und Glück, die er empfindet, wenn er sich morgens aus dem Bett gequält hat, um nach einer Kanne Espresso festzustellen, dass er jetzt "Mukke" machen darf. Gemeinsam im Studio Songs aufnehmen, zu Auftritten fahren, da gibt es bei ihm öfter Momente, in denen er denkt, "es ist echt extrem geil".
Jonas, der Sänger, ist mit seinen Glücksgefühlen etwas verquerer unterwegs. Das Lustige ist, dass dann, wenn extrem viel Scheiße passiert und es mir eigentlich extrem scheiße gehen müsste, habe ich immer schon so was gehabt, dass ich denke, ey eigentlich ist doch alles gut. Es gibt Sachen, die sind viel, viel schlimmer, als das was du jetzt gerade hast. Und dann bin ich vielleicht grundlos glücklich. Auf der anderen Seite gibt es aber auch Momente, in denen es mir extrem gut geht, also die geilste Festivalshow des Jahres gerade gespielt, alle sind mega im Endorphinrausch und dann auf der Heimfahrt denke ich, es ist doch alles nur relativ. Und dann werde ich melancholisch. Das ist bei mir meisten so ein bisschen umgedreht.
Vor diesem glücklichen Hintergrund könnte man die Vorliebe für Sonnenaufgänge auch als Metapher für den Optimismus sehen. Klar müsse man mehr Opfer aufbringen, um einen Sonnenaufgang zu sehen und wahrscheinlich hätten wir auch alle schon deutlich mehr Sonnenuntergänge angeschmachtet, aber wenn man sich überwunden habe, dann kann man die Ruhe und die frische Luft genießen. Die Sonne steht auf, die Stadt wacht auf und man selber ist schon da.
Doch es scheint nicht so, dass Manager und Plattenfirma die armen Männer jeden Morgen noch vor dem Aufstehen aus dem Bett treiben, damit sie endlich die 100.000 Facebooklikes knacken, mehr Alben verkaufen und in größeren Hallen spielen. Der einzige Druck, den sie verspüren, da sind sie sich einig, ist der eigene Anspruch besser zu werden. Natürlich, sagt Jonas, möchte er besser werden mit OK KID, er möchte bessere Songs schreiben, ein tolles neues Album machen. Aber diesen Anspruch definiere er selber und kein anderer für ihn.
Und es ist auch nicht so, dass sie Druck von außen bräuchten, denn sie sind wirklich fleißig. Um die 25 Konzerte haben sie diesen Sommer gespielt und nebenher, so scheint es, zu jedem Song der Grundlos EP ein Video veröffentlicht. Zusammen ergeben die Videos einen Kurzfilm, der davon erzählt, wie ein junges Mädchen und ein Mann aus ihrem Alltag und dem damit verbundenen Druck ausbrechen. Da kommt die Frage auf, ob ein Wechsel ins Filmgenre oder zur Filmmusik möglich wäre?
Raffael: Filmmusik auf jeden Fall, das wäre jetzt nicht unsere Priorität als Band, aber klar. Das ist ja auch ein schönes Medium. Und es ist auch was, was uns sehr wichtig ist. Die Videos, die wir machen und herausbringen, sollen unserer der Musik entsprechen. Wir achten schon sehr darauf, dass es eine Bildsprache ist, die auch zu unserer Musik passt und die diese dann auch fortsetzt. Und ich glaube unter so einem Aspekt können wir uns das Ganze auch weiter vorstellen.
Zu der neuen Serie von Christian Ulmen "Mann/Frau" haben sie schon mal ausprobiert, wie es ist Filmmusik gemacht zu haben. "Kaffee warm" ist der Titeltrack.
Aber noch sind sie hauptsächlich der Musik verpflichtet. Doch es ist Musik, die man mal locker in eine Hypekiste mit Künstlern wie Cro, Alligatoah und Marteria schmeißen könnte. Doch der Hype geht vorbei und dann werden Unterschiede wichtig werden, die sehr gute, zeitlose Musik von Vergänglicher trennen. Jonas denkt, dass OK KID sich vor allem durch die musikalische Sozialisierung von anderen abhebt. Aber lassen wir ihn das selber sagen:
Also gerade die Kombi, die du da gerade gesagt hast, ist komplett anders. Wenn du vier Punkte nennst, wie Cro, Alligatoah, Marteria und wir, hast du vier komplett eigene Ansätze, von dem was sie machen. Ich glaube, dadurch, dass eben Rap in Kombination mit anderen Stilmitteln akzeptiert worden ist – auch in der Hip-Hop Szene – und dass Hip-Hop Leute das auch feiern und dass es parallel zu dem Straßenrap existiert, hast du halt sehr viele neue Künstler. Aber ich finde es schwierig dann zu sagen, nur weil man Rap mit irgendwas anderem mixt, ist gleich alles eine Sparte. Ich glaube auch die Einflüsse eines Cros und unsere Einflüsse sind so krass weit weg, dass das eine ganz andere musikalische Sozialisierung ist, auch wenn es auf dem Papier erstmal relativ ähnlich klingt. Irgendwie Rap mit poppigen Elementen und mal ne Hookline gesungen.
Dann lassen wir doch Jonas auch noch erklären, wo da genau der Unterschied ist.
Ich glaube einfach auch in dem Alter. Also wir sind halt groß geworden in einer Zeit, zumindest Raffi und ich, in der wir eine Zeit lang fast ausschließlich Rap gehört haben. Und wo auch klar war, Rap ist das und Pop ist das andere, Rock ist das und Indie ist das. Ich glaube, jüngere Künstler kennen einfach nicht den Rap von früher oder haben ihn nicht zu der Zeit gehört. Und ich glaube, das ist eine andere Herangehensweise, wenn jemand mit Straßenrap aufwächst, weil das der Rap zu der Zeit war, als sie mit Hip-Hop in Kontakt gekommen sind, und jetzt etwas anderes machen. Das sind von der Sozialisierung schon völlig andere Voraussetzungen.
Ich muss spontan an den Song von 3Plusss "Ich habe Hip Hop nicht verstanden" denken, in dem ein wahrer Kern zu stecken scheint. Es kommen aber auch Gedanken an die scheinbar guten alten Zeiten auf, als alles noch so schön einfach war. Aber das ist es nun mal nicht. Das Leben ist kein Ponyhof und auch kein ewiges Rumsitzen in schönen Cafés am Wasser.
Deswegen verabschiede ich OK KID nun, wünsche ihnen viel Spaß bei den Neuen Deutschpoeten und viel Glück beim Bundesvisionsongcontest, bei dem sie für Hessen antreten werden. Vielleicht schalte ich dieses Jahr ja auch mal ein.
(Foto: Four Music)
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