Andy McCluskey von OMD über das 80s-Revival, seine berufliche Unbekümmertheit und warum er Kraftwerk einen Song auf dem neuen Album gewidmet hat.
OMD: Paul Humphreys (l.) und Andy McCluskey
In den 80er Jahren gehörten Orchestral Manoeuvres In the Dark, kurz OMD, zu den Pionieren des Electro-Pop. Ihre Hits “Enola Gay” oder “Maid Of Orleans” sind noch heute auf so ziemlich jeder 80s-Compilation wiederzufinden. 30 Jahre später veröffentlichen Andy McCluskey und Paul Humphreys mit “History Of Modern” ihr elftes Studioalbum. Klar: Beweisen müssen sie es niemandem mehr. Ungewöhnlich daran: Sie wollen es auch nicht. Warum es den beiden egal ist, ob die neue Platte überhaupt jemand kauft, verriet uns Sänger Andy im Interview.
motor.de: Andy, kannst du dich noch an den Tag erinnern, an dem du „Enola Gay“ geschrieben hast?
Andy: Das tue ich! Als Paul und ich angefangen haben Musik zu machen, waren wir meistens in einem kleinen Zimmer im Haus von Pauls Mutter. Bevorzugt am Samstagmittag – da seine Mutter zu dieser Zeit immer arbeiten musste. Keiner wollte mit uns Musik machen, keiner fand das, was wir machten, interessant. Etwas später nachdem wir OMD starteten, musste Paul arbeiten gehen, seine Puppenmutti verlassen. (lacht) Er ließ mich dann unter der Woche immer in sein Haus. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern: Ich saß direkt neben einem Fenster vor einer großen, blauen elektrischen Orgel – dort schrieb ich „Enola Gay“.
motor.de: 30 Jahre später veröffentlicht Ihr nun euer elftes Studioalbum. Was haben Euch die Aufnahmen zu “History Of Modern” bedeutet? Wie ist es, nach 30 Jahren Bandgeschichte immer noch ins Studio zu gehen?
Andy: Für uns war es eine wundervolle Gelegenheit! Man muss sich immer vor Augen halten: Wir hätten nie gedacht, dass wir das nochmal machen. Wir hätten nie gedacht, dass wir je wieder live auftreten oder eine Platte aufnehmen. Das gute daran ist: Wir hätten das gar nicht machen müssen. Wir haben keine Plattenfirma, müssen die Rechnung nicht bezahlen. Wir sind glücklich, haben Geld – nicht Millionen, aber uns geht es gut. Das war für uns ungefähr so, als hätten wir unsere erste Platte aufgenommen. Wir haben „History Of Modern“ gemacht, weil wir als OMD etwas sagen wollten. Wir haben es nicht für jemand anderen gemacht, uns ist es auch egal, falls es keiner kaufen sollte. Aber eigentlich ist es sehr gut.
OMD – Enola Gay
motor.de: …das klingt ja sehr unbekümmert. Worin lag somit das Ziel bei den Aufnahmen? Neue Sachen ausprobieren oder den typischen OMD-Weg weiterführen?
Andy: Unser Ziel lag irgendwo dazwischen. Das Gute ist: Electro ist ja momentan wieder total angesagt. Das heißt: Auch OMD ist cool! Es ist cool, wie OMD zu klingen. Und wir klingen einfach wie wir selbst. Wir wollten nicht wie irgendein Electro-Abklatsch klingen. Aber natürlich wollten wir moderne Produktionsmittel verwenden. Die Scheibe klingt also wie eine OMD-Version aus dem Jahr 2010.
motor.de: Euer neues Album habt Ihr euch ja von Mike Crossey produzieren lassen, der in der Vergangenheit vor allem mit jungen Künstlern, z.B. den Arctic Monkeys oder Razorlight, zusammenarbeitete. Warum gerade er?
Andy: Hauptsächlich, weil wir dachten, dass er uns einen modernen, frischen Sound verleihen könnte. Mal davon abgesehen bin ich seit zehn Jahren mit ihm befreundet. Als er 20 Jahre alt war, wurde er mein Studio-Engineer, nachdem er das Liverpooler Musikcollege verließ. Ich habe seine Karriere verfolgt und mitbekommen, wie es immer mehr bergauf mit ihm ging. Er verließ mich dann nach drei Jahren und produzierte darauf die Arctic Monkeys, Razorlight und Blood Red Shoes. Hin und wieder mietet er heute mein Studio. Er ist ein große Produzent und jeder kommt zu ihm. Ich habe in dem gleichen Gebäude ein Zimmer und habe ihn dann einmal gerufen: „Hey, willst du unser neues Album mixen?“ Und er so: „Na klar!“ Das ist eine sehr coole Connection.
OMD – If You Want It
motor.de: Man könnte ja fast meinen, dass Ihr nun auch die jüngere Generation für OMD begeistern wollt…
Andy: Ich denke natürlich nicht, dass sich Fans der Arctic Monkeys das neue OMD-Album kaufen werden, nur weil Mike es produziert hat. Wie schon gesagt: Wir haben das Album für uns gemacht. Wir sind glücklich darüber, wie wir selbst zu klingen. Wir wollten halt mal neue Produktionstechniken verwenden.
motor.de: In Euer ersten Single „If You Want It“ gibt es die Textzeile „Nothing ventured, nothing gained“ (dt.: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt). Seid Ihr wirklich experimentierfreudig gewesen? Habt ihr Dinge getan, die ihr noch nie zuvor gemacht habt?
Andy: Es gibt einige Dinge auf dem Album, die neu für uns waren. Bei den Lyrics ist vieles neu, es gab halt eine neue Art, eine Platte aufzunehmen. Und dann natürlich die neuen Sounds! Wir haben einen Song auf dem Longplayer, da sind gar keine Drums dabei – sondern lediglich Fußschritte. OMD sind immer dann am besten, wenn sie etwas ausprobieren, dass sie noch nie gemacht haben.
motor.de: Von den 80ern inspirierte Musik ist ja momentan ziemlich en vogue. Was hälst Du von diesem Revival?
Andy: Auf der einen Seite bin ich glücklich darüber, da sich Leute für diese alten Sachen interessieren. Mir tut irgendwie die Musikindustrie leid. Sie ist ja momentan in einer postmodernen Ära. Wann ging das alles los mit Frank Sinatra, Glenn Miller und Buddy Holly? Das ist ja schon über 70 Jahre her oder so. Man kann keine großartigen neuen Wege mehr gehen. Somit schlägt sich die Musikindustrie selbst. In fünf Jahren werden Oasis wieder in Mode sein.
motor.de: Was hälst Du zum Beispiel von La Roux?
Andy: Ich bin kein großer Fan von denen. Um ehrlich zu sein: Die Musik klingt so, als hätten sie versucht, das erste Depeche Mode-Album zu kopieren. Ihr Gesang ist größtenteils peinlich.
motor.de: Die Hurts sind auch ganz gut dabei…
Andy: Ich mag die Hurts. Die haben so eine wunderschöne Melancholie. Es gibt aber noch viele andere gute Bands, die Elektronik verwenden. Ich mag vor allem die Künstler, die etwas eigenes schaffen und nicht einfach nur kopieren, was vor 30 Jahren einmal angesagt war. Das beste Electro-Girl ist auf jeden Fall Robyn! Die ist so fantastisch!
motor.de: Wir hatten neulich Karl Hyde von Underworld im Interview. Er gab ein regelrechtes Loblied auf den Düsseldorfer Krautrock der 70er Jahre ab. Wie bei vielen anderen Gruppen hat diese Musik ja auch bei euch schon immer eine Rolle gespielt. Ihr habt ja zum Beispiel mit dem Ex-Kraftwerk-Mitglied Karl Bartos zusammengearbeitet…
Andy: Kraftwerk zum Beispiel haben unseren Sound sehr geprägt. Wir wurden durch sie quasi an Elektronik und Synthesizer herangeführt. Wir haben einen Song auf dem neuen Album, der heißt “RFWK”. Er steht für Ralf, Florian, Wolfgang und Karl – die Kraftwerk-Mitglieder. Das ist unsere Hommage an die Gruppe. Für uns sind Kraftwerk die wichtigste Band überhaupt.
Interview: David Rätsch
OMD – History Of Modern
VÖ: 17.09.2010
Label: Rough Trade
Tracklist:
01. New Babies: New Toys
02. If You Want It
03. History Of Modern (Part I)
04. History Of Modern (Part II)
05. Sometimes
06. RFWK
07. New Holy Ground
08. The Future, The Past, and Forever After
09. Sister Mary Says
10. Pulse
11. Green
12. Bondage Of Fate
13. The Right Side?
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