Es geht nur noch um ihn selbst, erklärt Paul Banks anlässlich seines neuen Soloalbums mit dem schlichten und doch vielsagenden Titel “Banks” – im motor.de-Interview erfuhren wir die Hintergründe der Kompromisslosigkeit und was die Zukunft für seine Band Interpol bereithält.
(Foto: Helena Christensen)
Die Sache irritierte so manchen. Als Musiker war Paul Banks 2009 längst ein wohlbekanntes Gesicht des Independent und doch nannte er sich plötzlich Julian Plenti und stilisierte die Kunstfigur im Anschluss so hoch, dass viele Journalisten in Interviews nicht einmal wagten seinen bürgerlichen Namen in den Mund zu nehmen. Alles zusammen wirkte derart mysteriös, dass Banks am Ende selber nicht mehr wusste, wer er eigentlich ist. Dabei schien er zu diesem Zeitpunkt längst nicht mehr in der Lage, sich zu einem weißen Blatt Papier zu verklären. Denn Interpol hatten spätestens mit ihrem dritten Album “Our Love To Admire” (2007) das große Publikum erreicht und prangten von jedem Musikmagazin als Titelthema. “Die Aufmerksamkeit hat auch Schattenseiten“, meinte der Chef damals und hatte mit allerhand Erschöpfungszuständen zu kämpfen – was schlussendlich im Abgang seines langjährigen Kumpels Carlos “D” Dengler bei Interpol mündete. Als kreativer Kopf mussten die Zurückgebliebenen ohne ihn klarkommen und schafften dies trotz aller Unkenrufe recht manierlich.
Das letzte Lebenszeichen von Interpol wurde von einigen Kritikern gar als ihr bestes Werk gefeiert und es stimmte: Banks als neuer Ideengeber kam mit der Situation nach kurzer Schock-Starre immer besser zurecht und hat nun auch gleich sein zweites Album nach sich benannt. “Banks” setzt fort, was er als Julian Plenti vor drei Jahren begann: Moll-getränkten Indiepop, herzerweichende Arrangements und opulente Gesangseinlagen zwischen Flehen und Fordern. Mit dem großen Unterschied freilich, dass es nun nur noch um ihn selbst geht und kein künstlicher Avatar die Kommunikationskampange übernimmt. Den hauseigenen Trademark gibt er indes schnörkellos Preis: Banks bleibt ein Zweifel par excellence, prüft die Erkenntnis lieber doppelt auf ihren Gehalt und sieht mehr Licht am Ende des Tunnels, als dies auf dem letzten Longplayer noch der Fall war.
Im motor.de-Interview gibt es also einiges zu besprechen und entgegen seiner üblichen Verschlossenheit, zeigt sich Paul Banks in Plauderlaune – wir nutzen das sofort und konnten gen Ende sogar Wasserstandsmeldungen zu Interpol einholen.
Paul Banks – “Lisbon”
motor.de: Vielleicht kannst du die Frage nicht mehr hören, aber dein Moniker Julian Plenti scheint sich verabschiedet zu haben, oder?
Paul Banks: Die Frage sollte anders lauten: Warum habe ich das erste Album als Julian Plenti veröffentlicht? Ganz einfach, weil dies mein allererster Künstlername war, noch bevor Interpol richtig losging.
motor.de: Insofern hatte es was mit den Songs selbst zu tun?
Paul Banks: Genau. Auf “Julian Plenti… Is Skryscraper” befanden sich Songs, die weit in mein Leben zurückreichten und deswegen erschien es mir sinnvoll, sie nicht als Paul Banks sondern als Julian Plenti herauszugeben. (Überlegt) Um dir ein Beispiel zu nennen: Der Track “On The Esplanade” entstand während meiner Collage-Zeit und “Girl On The Sporting News” ist noch älter. Diese Sachen habe ich über all die Jahre immer mit meinem Start in die Musik gleichgesetzt und es hatte wenig mit meiner Person vor zwei, drei Jahren zu tun.
motor.de: War es schön, einfach mal unerkannt zu bleiben? Obwohl man beim Gesang sofort merkte, dass du dich dahinter verbirgst.
Paul Banks: Überhaupt nicht. Ich benutzte Plenti wirklich nur, um gegenüber meiner frühen Arbeit ehrlich zu bleiben. Den Abschluss bildete im Frühjahr die EP “Julian Plenti Lives…” und auch dort ist ein Beitrag enthalten, den ich als Teenager schrieb: “Summertime Is Coming”.
motor.de: Somit bist du jetzt ganz bei dir selbst und dein richtiger Name landete auf dem Albumcover, richtige Schlussfolgerung?
Paul Banks: Generell schreibe ich Songs, um mich auszudrücken – manchmal auch aus Langeweile (lacht). Es kommt jedoch immer darauf an, wie, wo und wann die jeweiligen Sachen entstehen. Für “Banks” geschah das alles sehr zeitnah zum Albumrelease und deswegen gibt es diesen starken Ich-Bezug. Hier geht es wirklich um meine Person, um aktuelle Problematiken und wenig ist aus der Vergangenheit ins Jetzt manövriert.
motor.de: Interpol werden gern als melancholisch bezeichnet. Tanzbar und doch irgendwie mit Tränen in den Augen. Verglichen mit dem letzten Bandalbum ist “Banks” recht hell und positiv ausgefallen.
Paul Banks: Was am Entstehungsprozess liegt: Manche Songs habe ich am Strand geschrieben und andere in freier Natur zwischen Wald und Wiese. Neue Musik zu schreiben, bedeutet auch neue Dinge zu entdecken – es entspricht nicht meiner Vorstellung als Künstler nur allein einen ausgemachten Weg zu folgen. Im Sinne: ‘Paul Banks ist bekannt für dunkle Tracks und deswegen bekommen wir dies oder jenes auf jeden Fall von ihm zu hören!’ So funktioniert das nicht.
motor.de: Egal ob es sich um Interpol oder deine Soloalben handelt – die visuelle Umsetzung scheint dir ein großes Anliegen. Im Song “The Undoing” singst du sogar: “style is worthwhile”.
Pauls Banks: Ich versuche allerdings nicht mit optischen Aspekten ausdrücken, was sonst nicht herüberkommen würde. Andererseits ist die Farbe Schwarz für das letzte Interpol-Album bewusst gewählt und das Grau für “Banks” ebenso – es soll einen Anreiz, einen Grundton für den Hörer darstellen. Ich glaube, dass Stil weniger dazu dient, sich selber zu präsentieren, als vielmehr mit Menschen in direkte Kommunikation zu treten.
motor.de: Interpol waren stets stark mit der Heimatstadt New York verknüpft. Auf “Banks” gibt es dagegen einen Track namens “Lisbon”.
Paul Banks: Das wäre ein bisschen zu einfach, wenn du dich jedes Mal hinsetzt und nur deine naheste Umgebung auf dich wirken lässt. Manche Songs sind – wie gesagt – am Strand in Europa entstanden, andere beim Sonnen auf der Terrasse oder halt in der freien Natur. Das Urbane spielte dabei nicht die Hauptrolle.
motor.de: Warum gibt es das Gerücht, es würde sich bei dir um eine schwierige, manchmal mysteriöse Person handeln?
Paul Banks: Das kann ich dir sagen: Weil man mit der Zeit dazulernt und euch Journalisten vorsichtiger gegenüber wird. Ohne jemanden direkt angreifen zu wollen, aber am Anfang wurde rund um Interpol und meine Person so viel Blödsinn geschrieben, dass ich mir irgendwann dachte: Denen erzählst du jetzt gar nichts mehr. Das macht einen vorsichtig und man überlegt zweimal, wem du was erzählst.
motor.de: Waren die letzten Jahre für dich als Chef von Interpol eigentlich schwer? Gerade der Abgang von Carlos Dengler muss doch ein großer Einschnitt gewesen sein.
Paul Banks: (Denkt nach) Viele vergessen immer, dass Carlos nicht alleine für die Interpol-Alben zuständig war, sondern jeder von uns Einfluss auf das Gesamtergebnis hatte. Insofern war die größte Umstellung, dass ein Mitglied wegfiel und dessen Verlust auffangen werden musste. Was uns aus heutiger Sicht betrachtet, ganz gut gelungen ist.
motor.de: Auf der kommenden Tour wirst du wahrscheinlich keine Interpol-Songs spielen und doch fragen sich viele, wie es mit der Band weitergeht?
Paul Banks: Da möchte ich nichts Konkretes sagen. Lange Zeit wäre so eine offene Situation nicht mein Fall gewesen. Heute geht es mir erstaunlich gut dabei, zu sagen: Die Zukunft wird es zeigen. Und wegen der Tour, never ever ohne meine Bandkollegen.
Text & Interview: Marcus Willfroth
Paul Banks – Live 2013:
28.01.2013 Frankfurt am Main – Mousonturm
29.01.2013 Köln – Gloria
06.02.2013 Berlin – Kesselhaus
09.02.2013 Hamburg – Grünspan
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