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Vanity 7 – Ein Interview mit Peaches

Peaches. Weiblich. Selbstgebautes kanadisches Kunstobjekt mit Haaren unter den Armen – und das alles im etwas anderen motor.de Interview.

Als Anfang des Jahrtausends in Berlin zum großen Elektro-Clash gerufen wurde, war Peaches schon da. Halbnackt, breitbeinig und notgeil auf Veränderung, verpasste sie mit “The Teaches Of Peaches”, dem Mainstream seinen ersten ordentlichen Blowjob. Danach wurde nur noch richtig gevögelt. “Fatherfucker”, das gitarrenlastige “Impeach My Bush” und jetzt der Alleskönner “I Feel Cream“.

Während des Interviews trägt Frau Merrill Beth Nisker Engelsflügel. Falsch herum. Warum auch nicht? Gut sieht sie aus. Richtig gut! Über ihren Namen möchte sie nicht (schon wieder) reden und auch nicht über ihre Wahlheimat Berlin. Müssen wir nicht. Peaches ist Obst und Berlin eine Stadt. Fertig! Mich interessiert das “Innendrin” von Peaches mehr als das “Untenrum”. Ich warne sie vor, dass ich ihr den Psychologen geben werde. Das findet sie gut. Aber am Ende reden wir wahrscheinlich über Sex. Und übers Ficken – schätze ich.

motor.de: Auf dem Cover von “I Feel Cream” sind Ketten zu sehen…

Peaches: Ja, aber ich bin nicht angekettet! Ich stehe in einem Wrestling-Ring und die Ketten sind da statt der Seile. Das ist die Art wie ich Musik mache. Ich kämpfe. Ich kämpfe mich zu den Leuten durch.

motor.de: Du musst noch kämpfen?

Peaches: Nein. Ich hab nur versucht nur “psychologisch” zu antworten.

motor.de: Musst du nicht. Versuch dich zu entspannen. Wie auf einer Couch. Hast du eine Lieblingscouch?

Peaches: Ja. Ich mag U-Couchen. Couchen in Form eines U. Früher hatten wir so eine im Keller stehen. Das was die Kinder-Couch. Die war aus Kord. Als wir älter wurden, haben wir dann unsere ersten Freunde heimlich reingeholt und es auf der Couch gemacht. Die wurde dann immer dreckiger und dreckiger. Also haben wir die Kissen umgedreht damit keiner was merkt. Irgendwann gab’s aber nichts mehr umzudrehen. Dann haben wir immer erzählt wir hätten einen “Milch-Unfall” gehabt.

motor.de: Im Vergleich zum letzten Album ist das neue Album ganz schon “entrockt”.

Peaches: Richtig, keine Gitarren! Immer wenn es rocken soll nimmst du eine Gitarre. Eine Gitarre rockt. Ich wollte aber genau DAS aus den anderen Elementen meiner Musik rausholen. Ich wollte, dass der Gesang rockt. Ich wollte harte Elektro-Sounds – keine Gitarren. Das selbe Ziel sollte auf einem anderen Weg erreicht werden. Und ich wollte Elektro machen. Und Pop. Das geht auch ohne Gitarren.

motor.de: Deine Musik verändert sich von Platte zu Platte. Veränderst du dich genauso?

Peaches: Vieles hat sich geändert. Das letzte Album haben wir in L.A. aufgenommen. Da schien die Sonne. Diesmal waren wir in Berlin und Paris und ich hatte viele Kollaborationen geplant. Auch das war neu. Außerdem wollte ich an meinen Melodien arbeiten. Und ich wollte mehr singen. Ich mache viele Remixe. Da benutze ich manchmal Sachen die ich für meine eigene Musik niemals verwenden würde. Jetzt wollte ich mehr von DEM für MICH haben.

motor.de: Hast du singen geübt?

Peacheas: Ich übe nicht. Ich singe.



motor.de: Du erzählst von veränderter Arbeitsweise aber nichts darüber wie du dich verändert hast.

Peaches: Vielen Leuten ist nie aufgefallen, dass ich singen kann. Jetzt möchte ich als Sängerin wahrgenommen werden. Das hat sich verändert. (Macht eine Pause und überlegt laut.) Ach das ist doch eine Scheißantwort! Ich hab was Besseres. Pass auf! Ich bin älter geworden.

motor.de: Bist du nicht.

Peaches: Danke. Aber schreib, ich wäre älter geworden, würde den Focus jetzt mehr auf die Texte legen und mich auch nicht mehr scheuen offen über mein Alter zu sprechen. Das ist gut!

motor.de Du hast über Kollaborationen gesprochen. Bist du eine gute Teamworkerin?

Peaches: Nein. Ich bin ein absoluter Control-Freak.

motor.de: Warum machst du dann so was?

Peaches: Vielleicht ist genau DAS der psychologische Aspekt des Ganzen. Das ich mit anderen Menschen zusammenarbeiten musste.

motor.de: Das hast du aber doch früher auch schon getan. Mit Josh Homme. Iggy Pop. Joan Jett. Feist…

Peaches: Ja, aber das war ja immer mehr so “Hier ist ein Song von mir. Willste nicht mitmachen?”. Diesmal war ich zum Beispiel drei Wochen lang im Studio mit Simian Mobile Disco. Wir haben gemeinsam geschrieben und gemeinsam Musik gemacht. Dem hab ich mich ungeschützt hingegeben. Und es nicht wehgetan.

motor.de: Und? Bist du jetzt kein Control-Freak mehr? Wirst du jetzt immer auf diese Art produzieren?

Peaches: Nein. Das war die Hausaufgabe für dieses Album. Beim Nächsten gibt es eine andere.

motor.de: Du bist selbstbewusst und stehst extrem breitbeinig im Leben. Hast du Menschen getroffen, neben denen du dich klein gefühlt hast?

Peaches: Na klar. Wenn du Iggy Pop oder Joan Jett triffst fühlst du dich schon ein wenig … – aber die wahrscheinlich auch. Wir alle sind auf der Suche nach Selbstsicherheit und Selbstbewusstsein. Und wir sollten alle so viel davon finden, dass wir am Ende in der Lage sind uns verletzlich zu zeigen. So, dass man sich wohlfühlt, wenn man sich öffnet und verletzlich gibt. Es geht um das Balance-Spiel von Selbstbewusstsein, Durchsetzungsvermögen und Verletzlichkeit. Auch in diesem Album.

motor.de: Ich würde dich als open minded bezeichnen …

Peaches: … und das sollte JEDER sein! DAS müsste der Mainstream sein. Aber leider ist das nicht so. Wir sind engstirnig und traditionell. Traditionen sind Ideen aus der Vergangenheit an denen man immer noch festhält obwohl die Gegenwart sich verändert hat.

motor.de: Aber gegen Traditionen zu sein, ist auch nicht open minded. Ich zum Beispiel mag Ostereier. Und Weihnachtsbäume.

Peaches: Vielleicht wirst du auch alt! (Lacht laut) Aber ich weiß was du meinst. Ich mag Weihnachtsbäume auch. Aber Weihnachtsbäume zu mögen heißt nicht, dass man dann auch das Christentum gut finden muss. Das ist ein Unterschied. Das Christentum ist die Tradition – der Weihnachtsbaum ist Entertainment. Ich bin übrigens jüdisch und manchmal denke ich, wir mögen Weihnachtsbäume mehr als ihr. Wahrscheinlich weil wir den Abstand zum Christentum haben.

motor.de: Wo sind deine Grenzen?

Peaches: Ich habe viele Grenzen. Ich bin Peaches. Eigentlich müsste ich deshalb jetzt nackt auf dem Tisch stehen und schreien: “Schüttel deinen Schwanz!”. Tue ich aber nicht. Ich habe den Song “Mommy Comlex” mit Digitalism produziert. Englisch ist nicht deren erste Sprache und der Text ist wirklich hardcore. Also haben sie ihn nicht sofort verstanden. Sie haben immer auf die Musik gehört. Das war gut für mich. Dadurch ist es mir leichter gefallen den Text zu singen.

motor.de: Wenn du auflegst, legst du “Nasty Girl” von Vanity 6 auf. Jugenderinnerungen?

Peaches: Ich liebe Vanity 6! Ich habe die Band erst später kennengelernt, also nicht in den Achtzigern. Ein Freund von mir aus Kanada, der Captain, hat mir die Platte im Jahr 2000 auf der Straße in die Hand gedrückt, als ich auf dem Weg zum Flughafen war um nach Berlin zu gehen. “Hier” hat er gesagt, “das bist du!”.

motor.de: Drei Mädchen in Unterwäsche singen über Sex. Ich finde, Vanity 6 ist die “Mutter” von Black Music trifft Elektro.

Peaches: Definitiv. Die waren die Ersten. Und das war alles von Prince produziert. Jeder Ton, auch später bei der Nachfolger-Band Appolonia 6. Weißt du wie Vanity 6 eigentlich heißen sollten? Ich glaube “Sex” oder “Fick mich” oder “Nutten” oder so was. Das hätte gepasst!

motor.de: Als ich das Cover damals gesehen habe…

Peaches: …hast du einen Ständer bekommen?

motor.de: Nein. Ich bin ein linkes Achtziger-Kind. Ich fand das frauenfeindlich.

Peaches: Das ist es! Eine reine Männerphantasie.

motor.de: Und heute? Ist R’n’B in Unterwäsche immer noch frauenfeindlich?

Peaches: Klar. Heute singt Britney Sprears “If you seek Amy”. Das bedeutet “F.U.C.K. me”. Das ist dieselbe verfickte Scheiße.

motor.de: Und was ist dann der Unterschied zwischen Britney Spears und Peaches?

Peaches: Keiner. Wir haben beide Bingo-Wings! Aber sie hat Bingo-Wings mit 26 und ich mit 42.

motor.de: Aber warum ist Peaches im Slip in Ordnung und Tittenweiber in R’n’B-Videos nicht?

Peaches: Das ist eigentlich MEINE Frage. Das ist scheiß Mainstream-Kultur. Wegen denen mache ich das hier. Und das ist wahrscheinlich auch der Grund warum du mich das überhaupt fragen kannst. Weil es einen Unterschied gibt. Wenn ich wäre wie Britney, könntest du mich nicht fragen was der Unterschied zwischen uns ist. Aber es gibt einen Unterschied zwischen mir und Vanity 6 auf der einen und Britney auf der anderen Seite. Vielleicht der, dass ich glücklich bin. Und dass nicht mein Vater meine Karriere kontrolliert.

motor.de: Hat das Thema Sex in deinen Texten auch einen therapeutischen Zweck? Willst du uns helfen?

Peaches: Ich will sagen das Mainstream scheiße ist und jeder sagen können soll was er will. Und das er es auch tun soll!

motor.de: Glaubst du, dass es Menschen gibt, die nach zwei Peaches Konzerten und einer gekauften CD besseren Sex hatten?

Peaches: (lacht) Kann es sein, dass du mir gerade etwas über DICH erzählen willst? (Lacht weiter) Ich singe über Sex, weil Sex eines der 5 Grundbedürfnisse ist und die anderen vier langweilig sind. Ich weiß von Frauen, die während einer Peaches-Show von ihrem Freund verlassen wurden, sich dann umgedreht und zum ersten Mal mit einer Frau geknutscht haben. Das ist toll. Das ist nicht mein Ziel, aber es ist toll. Ich bin Teil der Pop-Kultur. Ich bin kein Pop-Star. Aber Pop-Stars kennen mich, kennen meine Songs und hören meine Musik. Ich bin in einer guten Position. Und jetzt meine Schlussworte: Fuck Disney and fuck Christianity und Kelloggs! Der wollte seine Tochter kastrieren lassen, weil sie masturbiert hatte. Er hasste Selbstbefriedigung und war davon besessen zu scheißen. Er hat es geliebt zu scheißen. Deshalb hat er die Cornfakes erfunden.

motor.de: Wenn du Psychiaterin wärest, hättest du eine Couch?

Peaches: Nein. Ich würde mit den Leuten joggen gehen. Oder tanzen. Auf jeden Fall müssten sie irgendetwas tun.

Interview: Yessica Yeti

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