Gekonnte Dramatik in der großen Piano-Pop-Inszenierung – ein Phantom/Ghost-Konzertbericht.

Scheiße, was ist das denn? Phantom/Ghost führen ihren ersten Song auf. Und ja, aufführen ist wohl das richtige Wort. Dirk von Lotzow hockt sich theatralisch hin, die Hände vors Gesicht, bewegt sich nicht, während Thies Mynther die ersten Töne auf dem riesigen Flügel anspielt. Bevor Dirk die Stimme erhebt, erhebt er sich erst einmal ganz bedächtig und voller künstlerischer Körperbeherrschung selbst, um dann mit ausufernden Gesten seine gesungenen Worte zu untermalen.

Er macht dabei eine komische Figur. Ist er doch in einem anderen Leben der Sänger von Tocotronic, hat eine E-Gitarre um und singt davon, Teil einer Jugendbewegung sein zu wollen. Hier mitten auf der Theaterbühne des Leipziger Centraltheaters versucht er sich als eine Art Charakterdarsteller des phamtomghostischen Pianopops. Und trägt dabei ein rosa Hemd und weiße Socken.

Doch das verwirrte Grinsen auf den Zuschauergesichtern verschwindet schnell. Zu ergreifend, zu klar ist seine Stimme. “Relax, it’s only a ghost“, singt sie. Und man entspannt. Die Stimme und die Klaviertöne – weitere Electrogeräte gibt es nicht – führen in eine andere Welt. Eine Welt voller Phantome und Geister, eine längst vergessene oder nie gekannte Welt. Und langsam wird klar, des Sängers dramatische Gesten sind gar nicht falsch. Sie passen hierher. Egal, was er in einem anderem Leben macht. Hier ist eine wunderschöne Inszenierung von noch schönerer Musik im Gange.
Auch wenn Thies Mynther wohl Recht haben wird, wenn er den Song „Thrown out of Drama school“ mit den Worten „Nach einer wahren Begebenheit“ einleitet, der Mann mit den wenigen Worten wählt diese bedacht: Zur Zu-Zugabe „You’re my mate“ sagt er nur: „One for the road.“ Und man wird diese Coverversion, die beste seit Jahren, den ganzen Abend nicht mehr aus dem Kopf kriegen. Und denkt dabei: Scheiße, wie toll war das denn?

Interview: Juliane Streich
Fotos: Thomas Hankel