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Placebo Im Interview

(Fotos: Kevin Westenberg/Universal)

Neue Besen kehren gut: Ein Spruch, der zwar so ausgelatscht ist wie die Marathon-Sandalen von Haile Gebrselassie, aber immer wieder gerne aus dem verstaubten Archiv geholt wird, wenn sich eine vermeintlich blutleere Band aufgrund eines Personalwechsels urplötzlich wieder von ihrer Schokoladenseite präsentiert. Placebo ist so eine Band. Seit der Trennung von Gründungsmitglied Steve Hewitt im Jahr 2007 blüht die britische Szene-Institution um Alternative-Ikone Brian Molko wieder in voller Pracht. Was mit „Battle For The Sun“ angefangen wurde, findet demnächst in Form des neuen Albums „Loud Like Love“ seine Fortsetzung. Das Leben ist schön – kein Grund mehr sich in düsteren Soundlandschaften zu verlieren („Melts“).  

Placebo wandeln mittlerweile mit stolzgeschwellten Brüsten und blickdichten Sonnenbrillen auf dem Pfad des Lichts. Dabei darf sich ein Verantwortlich besonders herzhaft auf die eigenen Schultern klopfen. Die Rede ist von „Neu“-Drummer Steve Forrest. Seit fünf Jahren schwingt die fleischgewordene Tattoo-Nadel aus Kalifornien den Taktstock im Hause Placebo. Einige Wochen vor der Veröffentlichung des neuen Albums sitze ich dem Sunnyboy gegenüber und grabe in der Vergangenheit. Steve erinnert sich: „Als ich dann davon hörte, dass Placebo einen neuen Drummer suchten, kontaktierte ich die Band. Am nächsten Tag rief mich Brian an und fragte mich, ob ich nicht Lust hätte nach London zu kommen. Die nächsten zwei Monate habe ich die Songs von fünf kompletten Alben gelernt; und im Dezember 2008 saß ich plötzlich in einem buddhistischen Tempel in Kambodscha auf einem Drum-Schemel und spielte zusammen mit Brian und Stefan mein erstes offizielles Placebo-Konzert. Das war schon ziemlich heftig.“

Vierzehn Jahre trennen Steve und Brian voneinander – für den Frontmann Grund genug, dem Neuankömmling zu Beginn erst einmal das Fläschchen zu reichen. Kurz nach Steves Einstieg stellt Molko den Neuankömmling immer wieder gerne als „Band-Baby“ oder „kleines Brüderchen“ vor.  Steve lächelt: „Brian hatte zu dieser Zeit schon alles gesehen. Ich wusste nichts. Ich war noch richtig grün hinter den Ohren. Also blickte ich zu ihm auf und er nahm mich unter seine Fittiche. Er verhielt sich mir gegenüber wie ein großer Bruder. Insofern waren seine Bezeichnungen für mich völlig in Ordnung.“ Mittlerweile habe sich das Blatt aber gewendet. Die Devise heißt: Einer für alle – alle für einen. Und Steve Forrest sitzt mittendrin: „Es hat sich einiges geändert. Wir begegnen uns jetzt auf Augenhöhe – sowohl künstlerisch, als auch menschlich. Ich bin ein gleichberechtigtes Bandmitglied mit denselben Rechten und Pflichten – auch wenn mich viele Außenstehende immer noch gerne als „den Neuen“ bezeichnen“, berichtet der Drummer mit fester Stimme.

Erst vor kurzem habe er sich wieder als ebenbürtiger Mitstreiter präsentiert, verrät mir Steve. Dabei ging es um neue Drum-Strukturen für das im September erscheinende siebte Studiowerk der Band: „Auf dem neuen Album wollten Brian und Stefan allerdings vermehrt mit Loops und anderem technischem Zeugs arbeiten. Das ging mir ziemlich gegen den Strich“, verrät mir Steve. Es kam zum Showdown zwischen Erfahrung und Rebellentum, bei dem die alteingesessene Führung letztlich als Sieger vom Platz ging – für Steve jedoch kein Grund zum Schmollen. Ganz im Gegenteil: „Sie nahmen mich zur Seite und legten mir nahe, mein Ego für eine Weile im Keller zu parken und mich auf neue Sachen einzulassen. Das war gar nicht so einfach.  ich war einfach unzufrieden – bis ich an den Punkt gelangte, wo ich über meinen Schatten sprang. Ich weiß nicht mehr genau, wie ich dahin kam. Aber seitdem arbeite ich gerne mit Loops und Co.“

Neben elektronischen Rhythmen gibt es auf „Loud Like Love“ noch weitere Neuerungen zu entdecken. Vor allem die sich im Placebo-Universum seit geraumer Zeit in den Vordergrund drängenden Positiv-Vibes, erfreuen sich immer größer werdendem Spielraum. Steve weiß, woran das liegt: „Jede Produktion ist auch gleichzeitig ein Spiegel der Umstände, in denen ein Produkt entsteht. Wenn ein Autor schlechte Laune hat, dann liest man das auch zwischen den Zeilen. Und wenn ein Autohersteller Stress hat, dann sollte der Käufer auch lieber zweimal unter die Motorhaube gucken“, sagt Steve. Seit seinem Einstieg, ziehe jeder in der Band wieder am selben Strang. Das höre man auch dem neuen Album, so der Schlagzeuger – wobei er sich keineswegs als rettenden Messias sieht: „Ich denke, es lag weniger an mir als Person, sondern eher an der gesamten Neukonstellation, dass sich ab dem „Battle For The Sun“-Album wieder verstärkt positive Sounds breit machten.“

Das Leben kann so schön und einfach sein. Es muss halt nur alles passen. Bei Placebo passt momentan alles. Wie gesagt: Eine für alle – alle für einen: „Bei uns herrscht keine Diktatur. Was gefällt, wird gemacht. Und was nicht gefällt, landet auf dem Müll. Wir nehmen Brians Ideen auf und arbeiten gemeinsam an einem Endprodukt. Das funktioniert wunderbar und alle haben eine tolle Zeit dabei.“ Steve reicht mir zum Abschluss die Hand – im Gesicht ein breites Lächeln, während im Hintergrund Louis Armstrongs „What A Wonderful World“ läuft. 

Kai Butterweck

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