Ob Drummer-Rauswurf oder die Eigenheiten des neuen Albums “Battle For The Sun” – im nicht durchweg enstpannten Interview stehen Placebo motor.de Rede und Antwort.

Eine Band ist eine Firma. Ein kleiner Betrieb. Ein Team, das sehr eng zusammenarbeitet, etwas produziert und versucht es zu verkaufen. Wenn man eine Band fragt, wie sie selbst sich sieht, kommt der Vergleich mit einer Firma aber nur selten. Das riecht zu sehr nach Geld – zu wenig nach Leidenschaft. Eher sieht man sich miteinander verheiratet, aneinander gebunden wie in einer Ehe. Aber egal, ob Ehe oder GmbH, wenn einer das Team oder den einst Geliebten mit Füßen tritt, wird zurückgetreten!

Im Falle der Eheleute Placebo wurde nicht nur reingetreten, sondern gleich rausgekickt. Drummer Steve Hewitt wurde gegangen! Fristlose Kündigung, Scheidung, Schluss, Aus, Feierabend. Ob Steve eher Mobbing-Opfer ist oder ER die Scheiße in die Küche getragen hat, erzählen uns Brian Molko, Stefan Olsdal und “der Neue” Steve Forrest.

motor.de: “Battle For The Sun” ist ein sehr positives Album. Es hört sich für eure Verhältnisse nach Spaß an.

Brian: Unser “Daddy Cool”-Cover von Boney M. war doch auch schon ganz lustig. Wir haben dieses dunkelblaue Monster-Image. Placebo, schwarze Wände, ein Leben im Schmerz. Natürlich bedeutet Leben, Trauer und Unglück, aber auch Lachen und Spaß. Die Leute nehmen uns einfach manchmal zu ernst.

motor.de: Würdet ihr zustimmen, dass dies euer straightestes Album ist?

Stefan: Keine Ahnung. Es ist härter. Es ist leidenschaftlicher und größer. Es ist ein sehr starkes Album, wenn du das meinst.

Brian: Die Musik hat sich verändert. Jemand neues ist in der Band. Steve spielt anders Schlagzeug. Nach so etwas haben wir gesucht. Er ist das neue Blut. Bevor wir uns von Steve Hewitt trennten, waren wir eine funktionsgestörte Familie reisender Zigeuner, die um die Welt fuhr, ohne miteinander zu sprechen. Wir waren gefangen in einer Falle, die wir selbst gebaut hatten. Jetzt kommt hier wieder Leben und Enthusiasmus in die Familie. Steve ist eh sehr enthusiastisch. Dann ist er auch noch viel jünger als wir Beiden. Und er spielt von Heute auf Morgen plötzlich in einer erfolgreichen Band. Das beflügelt ihn natürlich und diese Frische landet dann am Ende wieder bei uns. Wir haben unsere persönlichen Probleme gelöst und dadurch ist alles besser geworden. Die Proben, Musik zu machen, Zeit miteinender zu verbringen, zu komponieren, einfach ALLES ist jetzt besser und macht Spaß wie seit Jahren nicht.

motor.de: Wenn es so schlimm um euch bestellt war, warum habt ihr dann nicht einfach aufgehört?

Brian:
Wir haben zu viel in diese Band investiert, um sie aufzugeben. Wenn du einen faulen Apfel im Korb hast, fängt auch der Rest an zu schimmeln. Ich konnte nicht zulassen, dass jemand das alles nicht achtet, sich nicht darum sorgt, es nicht pflegt und darauf scheißt.

Placebo – Battle For The Sun

motor.de: Es gibt immer wieder Stellen auf dem Album, die “herausblitzen”. Ungewöhnliche Chöre. Elektronische Gimmicks. Streitet ihr über so etwas?

Stefan: Nein. Der Aufnahme-Prozess ist bei uns eine enorm Drama-freie Zone.

motor.de: Es gibt eine Stelle bei “For What It’s Worth”, die klingt wie ein Sample aus einem Eighties-Computerspiel…

Brian: Fast! Das ist ein Kinderkeyboard, ein Preset aus einem Spielzeug-Klavier.

motor.de: “Battle For The Sun” beschreibt dein Bedürfnis “aufzuräumen” und Licht ins Dunkel zu bringen. Welche Art von Dunkelheit ist da gemeint?

Brian: Was immer es für dich bedeutet. Es ist abstrakt.

motor.de: Keine spezielle Situation?

Brian: Nein. Es geht um die Dämonen, die jeder von uns zu bekämpfen hat. Und jeder hat andere Dämonen.

motor.de: In “For What It’s Worth” singst du “I had a slow disease. That sucked me dry, for what it’s worth.” Was für eine Krankheit war das?

Brian: Ist das wichtig?

motor.de: Interessant vielleicht.

Brian: Warum?

motor.de: Es könnte etwas über dich erzählen.

Brian: Und was ist daran interessant?

motor.de: Ich finde es ehrlich gesagt spannender, über DEINE Dunkelheit, als über die “allgemeine” Dunkelheit zu reden. Menschen interessieren eventuell EURE Dämonen und EURE Probleme mehr als die “allgemeinen” Dämonen.

Stefan: Aber sind die denn nicht all unsere Ängste aus der selben Materie gemacht?

Brian: Was ist an meinen Ängsten so speziell?

Stefan: Und an seinen Krankheiten?

Brian: Was macht mich so beschissen speziell, das meine Ängste dramatischer sein könnten als die der Anderen? Das ich darüber schreibe?

Stefan: Glaubst du, die Menschen denken immer noch, dass Rockstars morgens nicht scheißen?

motor.de: Ich persönlich denke nicht, dass Rockstars nicht scheißen. Aber ich denke, dass sie aus irgendwelchen Gründen Interviews geben.

Stefan: Ich bin froh, dass wir die Musik haben, um mit Dingen klarzukommen, die unser Leben kompliziert machen. Das macht mich glücklich. Wir sind gesegnet. Aber wir sind normale Menschen.


motor.de: Haben sich die alten Stücke verändert, jetzt wo der neue Steve sie spielt?

Brian: Ein wenig. Aber sie verändern sich eh von Tour zu Tour. Wir arrangieren sie IMMER ein bisschen um, um sie für uns am Leben zu halten. Wir können keine Konzerte spielen, wenn wir zu der Musik keinen emotionalen Bezug haben und dafür müssen wir sie uns frisch halten. Im Grunde spielen wir Cover-Versionen von unseren eigenen Stücken. Gäbe es diese Technik nicht, würden wir uns sehr schnell schrecklich langweilen, uns ankotzen und dann etwas anderes machen. Dann würden wir Taxi fahren.

motor.de: Hast du ein Lieblingsstück Steve?

Steve: Im Moment mag ich “Black Eyed”. Das spiele ich am liebsten. Ich erinnere mich dann immer genau an die Zeit vor 1 1/2 Jahren, als das alles noch nicht passiert war und ich in meinem Auto saß und diese Nummer hörte. Cool.

motor.de: Brian und Stefan kennen sich schon ewig. Sprechen die nicht mittlerweile eine fremde, eigene geheime Sprache?

Steve: Die Beiden sprechen fünf oder sechs mir völlig fremde Sprachen (alle lachen).

Brian: Immer wenn wir etwas besprechen, was mein kleiner tätowierter Freund hier nicht mitbekommen soll, reden wir französisch (lacht).

motor.de: Seid ihr eine britische Band?

Brian: Ich weiß nicht was wir sind. Ich sage immer, wir sind eine europäische Band. Aber wen interessiert das? Ich habe die Idee, Musik irgendeine Art von Nationalität anzuheften nie gemocht. Es ist nur Musik. Ich finde es komisch wenn beispielsweise bei Mogwai die schottische Fahne über der Bühne weht.

Stefan: Nur weil du in einem Land geboren bist, heißt das ja nicht, dass du anders bist als andere, die in anderen Ländern geboren sind.

Brian: Es gibt nur gute und schlechte Bands. Wir sind eine gute!

motor.de: Findest du es schade, dass du immer nur als Sänger, nie als Gitarrist wahrgenommen wirst?

Brian: Ich bin Rhythmus-Gitarrist. Ich suche nicht nach Anerkennung für meine technischen Fähigkeiten oder ähnliches. An meiner Art, Gitarre zu spielen ist nichts besonders. Worin ich aber glaube einzigartig zu sein, das ist meine Stimme. Die unterscheidet mich von allen Anderen. Das ist mein wahres Instrument. Dieses Instrument beherrsche ich technisch und instinktiv. Man sagt, die Augen seien die Fenster zur Seele. Bei mir ist es die Stimme.

motor.de: Deine Art Gitarre zu spielen ist besonders. Glaubst du nicht, man könnte einen Placebo-Song nicht auch OHNE Stimme sofort erkennen?

Brian: Keine Ahnung.

Stefan: Wir haben sechs Alben mit sehr unterschiedlicher Musik draußen. Was auf allen gleich ist, ist Brians Stimme.

Brian: Wir haben unsere besten Ideen von Sonic Youth geklaut. Und wir sind ZWEI Gitarristen in der Band. Ich glaube, diese besondere Gitarre die du hörst, ist die von Stefan. Er ist der technisch begabte.

motor.de: Dann ist Stefan der Musiker in der Band? Und Steve?

Brian: Der ist Schlagzeuger. Schlagzeuger sind Typen die gerne mit Musikern rumhängen.

motor.de: Als Musiker verbringt man viel Zeit mit warten. Was macht ihr wenn ihr wartet?

Brian:
Wichsen.

Steve: Ein Bild malen. Einen Song schreiben.

Stefan: Mit Freunden telefonieren.

Steve: Ein schlechtes Buch lesen.

Stefan: Wir müssen echt viel warten. Aber was machst du wenn du wartest? Wir machen das Selbe!

Interview: Yessica Yeti