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Categories: Kinokolumne

Präsident Schwarzenegger und nackte, gelbe Tatsachen

Itchy, die brutale blaue Maus, und Scratchy, die skrupellose schwarze Katze, treiben ihre blutigen Scherze dieses Mal auf dem Mond und im Weißen Haus, natürlich mit erwartungsgemäß tödlichem Ende. Doch sie flimmern ausnahmsweise nicht über den heimischen Bildschirm, sondern über die Kinoleinwand. „Ich begreife es nicht, warum wir Geld für etwas bezahlen, das wir zu Hause umsonst sehen können,“ beklagt sich Homer Simpsons, der mitsamt seiner Familie im Kino sitzt, um die Kinoversion des TV-Cartoons zu schauen.

Jawohl! Endlich ist er da, der „Simpsons“-Kinofilm, und schon allein sein sehr clevere und selbstironische Anfang wäre – anders als Homer befürchtet – den Eintritt in jedem Fall wert. Kollektives Aufatmen ist also angesagt, denn auch auf der Leinwand hat unsere gelbe Lieblingsfamilie nicht an Brillanz und Witz verloren, sondern fühlt sich dort sichtlich wohl.
Ohne dass ich also zu viel über die Handlung verraten will, sollen doch die wichtigsten Sorgen und Gedanken kurz ausgeräumt und kommentiert werden.
Also: nein, die Geschichte beschränkt sich nicht nur auf eine lose Aneinanderreihung von Gags und ist auch nicht „nur“ eine auf zwei Stunden aufgeblähte Folge. Trotzdem ist “Die Simpsons – Der Film“ auch nicht, wie der Trailer und die Musik von Hans Zimmer vermuten lassen, ein waschechter Katastrophenfilm. Zwar gibt’s reichlich Action, weil ein lesefauler Präsident Schwarzenegger ganz Springfield unter eine riesige Käseglocke setzt und so von der Außenwelt abschneidet, aber natürlich kommt das Zwischenmenschliche nicht zu kurz. Und damit ist durchaus auch Sex gemeint. Marge und Homer treiben jedenfalls einigen Disney-Waldtieren die Schamesröte ins Gesicht und Bart präsentiert nackt auf dem Skateboard sogar sein kleines gelbes Ding!
Außerdem interessant: es gibt zwar einige Anspielungen auf Filme wie „Eine unbequeme Wahrheit“, aber Gott sei Dank mutieren die Simpsons nicht zur bloßen Parodie-Nummer. Und auch die prominenten Gaststars sind nicht unbedingt zahlreich, denn nur Albert Brooks, Tom Hanks und Green Day geben sich die Ehre. Dafür kommen aber natürlich von Apu über Flanders bis zu Burns und Smithers alle wichtigen Nebenfiguren der Serie vor – wenn auch meist nur erstaunlich kurz, denn der Film konzentriert sich ganz auf Homer, Marge, Bart, Lisa und Maggie.
Lange Rede, kurzer Sinn: Matt Groening und sein Team haben die Erwartungen nicht erfüllt, sondern übertroffen. „Die Simpsons – Der Film“ gehört zum Witzigsten, Klügsten und Bösesten, was es in diesem Jahr im Kino bisher zu sehen gab. Deswegen ist die Ansage klar: rein gehen, freuen – und wenn ihr schon dabei seid, auch gleich das Interview mit Marge-Sprecherin Anke Engelke auf Motor.de lesen und in unserem Simpson-Special ein Fanpaket absahnen.

Das Alternativprogramm für alle, die mit gesellschaftskritischen Comicfiguren nicht viel anfangen können, ist in dieser Woche vergleichsweise mager. „Als der Wind den Sand berührte“ ist eine afrikanische Flüchtlingsgeschichte der französischen Regisseurin Marion Hänsel, die nicht annähernd so kitschig ist, wie der Titel klingt. Tatsächlich lässt sich das hoffnungslose Familiendrama wohl eher als existenzialistisch und sehr universell bezeichnen.

Gar nicht universell, sondern sehr provinziell kommt dagegen „Beste Zeit“ daher, der mittlerweile dritte Kinofilm von Marcus H. Rosenmüller innerhalb eines Jahres. Dieses Mal erzählt er von zwei besten jugendlichen Freundinnen in der bayerischen Provinz, und weil das für Nordlichter wohl wieder schwer zu verstehen sein soll, gibt’s den Film erst einmal nur in Süddeutschland zu sehen. Wenn’s dort dann mit der Mundpropaganda klappt, darf auch der Rest der Nation in den Genuss der bajuwarischen Mundart kommen, genau wie letztes Jahr bei „Wer früher stirbt ist länger tot“.

Zum Schluss sei übrigens noch auf zwei alte Kultklassiker verwiesen, die momentan in allerlei Open Air- und Sommerkinos noch einmal zum Einsatz kommen und eigentlich ein hübsches Begleitprogramm zu den „Simpsons“ darstellen. „Tanz der Vampire“ (erstmals auch in OmU) von Roman Polanski und das herrliche Drag-Musical „Rocky Horror Picture Show“ sind längst so legendär, dass die Fans auch 40 bzw. 30 Jahre später noch völlig aus dem Häuschen sind. Genau wie es später hoffentlich auch bei der Springfielder Chaostruppe der Fall sein wird.

Text: Patrick Heidmann

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