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Quadron-Sängerin Coco im motor.de-Interview

(Fotos: Sony)

 

Das Duo Quadron könnte ein neues Sternchen am Soulhimmel werden. Konnten Produzent Robin und Sängerin Coco mit ihren zurückliegenden Releases und steter Live-Präsenz zumindest auf sich aufmerksam machen, arbeiten sie inzwischen in L.A. mit Labeldeal und Rückenwind am Durchbruch. Wie sich die Chancen mit dem im Herbst anstehenden Album "Avalanche" verbessern werden, darüber haben wir mit Sängerin Coco gesprochen, die wir in Berlin trafen.

 

 

motor.de: Auf „Avalanche“ gibt es Tracks wie „LFT“ und „Favorite Star“, die sehr funky und flirrig eingespielt wurden, aber überraschender Weise sind gleichzeitig sehr viele langsame Nummern auf der Platte…

 

Coco: Für mich geht es nicht um das Tempo, sondern darum, welche Gesamterfahrung die Platte rüberbringt. Ein großer Teil der Musik, die wir für die Platte aufgenommen haben, ist tatsächlich eher im Midtempo-Bereich angesiedelt. Da dreht man nicht durch und tanzt verrückt dazu, aber du spürst den Groove, gehst mit dem Beat mit, hörst zu. Es ging uns eher darum, jeweils eine Geschichte zu erzählen, als wir die Songs für das Album geschrieben haben.

 

motor.de: Du und Robin arbeitet eng zusammen?

 

Coco: Wir legen sehr viel Wert darauf, dass wir zusammen sind, wenn die Songs entstehen, dann spart man sich nachträgliche Diskussionen. Außerdem macht es einfach viel mehr Spaß. Jedes Genie braucht seinen Partner, haha. Es ist oft einfacher, zu wissen, was man selbst will, wenn man es in jemandem reflektieren kann. Wir nutzen uns gegenseitig sehr stark.

 

motor.de: Dürfen Leute von außen mitreden?

 

Coco: Wir fangen in der Regel wirklich nur zu zweit an. Erst wenn wir die Struktur des Songs haben, laden wir uns Session-Musiker ein. Es hilft immer ein bisschen, noch Einfluss von außen zuzulassen. Außerdem sind es meist bessere Instrumentalisten als wir zwei. Wenn wir zum Beispiel in einem Song noch ein bisschen Fläche haben, ist es schön, wenn da noch ein paar Soli drüber improvisiert werden. Robin und ich haben schon klare Vorstellungen, was in dem Song passieren soll, aber hin und wieder kommt es halt doch dazu, dass man sagt, „oh, das ist aber eine gute Idee, auf die wären wir nicht gekommen“.

 

motor.de: Habt ihr eine feste Band um euch, die gleichen Musiker im Studio und auf der Bühne oder unterscheidet sich das stark?

 

Coco: Es unterscheidet sich sehr stark. Das hat den Grund, dass wir ursprünglich aus Kopenhagen kommen und jetzt in Los Angeles wohnen. Erst haben wir mit Leuten gespielt, mit denen ich schon früher in Dänemark gearbeitet hatte. Jetzt geht das nicht mehr immer, weil wir eben in L.A. sind. Dort gibt es viele Sessionmusiker und wir haben bereits ein gutes Netzwerk. Kopenhagen ist uns einfach ein bisschen zu eng geworden. Jeder kennt jeden. In L.A. sammeln wir eine Menge Kontakte, da kann es sogar mal passieren, dass du mit Leuten zusammenarbeitest, die auf Stevie- oder Michael-Alben drauf waren.

 

 

motor.de: Hat diese neue Umgebung denn einen krassen Einfluss auf eure Musik, ändert sich gerade viel?

 

Coco: Das ist schwer zu sagen, aber du hast schon Recht, der Einfluss ist wahrscheinlich stärker, als wir selbst mitbekommen. Die Türen sind uns gerade geöffnet. Da ist eine größere Aufmerksamkeit seitens des Publikums und von anderen Musikern. Wir haben Zugang zu besseren Studios, was sich natürlich auf den Sound des Albums ausgewirkt hat. Außerdem ist es etwas anderes, wenn du Musiker, die dir helfen, plötzlich bezahlen kannst…

 

motor.de: Hat denn das andere Publikum in den Staaten – ihr spielt ja viel live – Einfluss auf euren Sound?

 

Coco: Während des Album-Prozesses machen wir uns über das Publikum nicht so viele Gedanken. Aber ich fühle schon, dass etwas mit uns passiert. Der Grund, warum wir die Platte „Avalanche“ genannt haben, ist, dass es sich gerade manchmal wie eine Lawine anfühlt: überwältigend. Das war ein gewaltiger Sprung von Dänemark in die Staaten. Nicht nur die Aufmerksamkeit, die einem zuteil wird. Da sind auch die alltäglichen Dinge, wie einen Führerschein zu bekommen – ohne Auto bist du in L.A. aufgeschmissen – Studiotermine und  das alles. Es ist etwas mehr, als nur in der Kopenhagener Wohnung im Schlafzimmer zu hocken, Texte zu schreiben und dann mit dem Fahrrad in den Proberaum zu fahren.

 

motor.de: Wann und warum wusstest Du, dass du in die Staaten willst?

 

Coco: Unser Album kam 2009 in Kopenhagen raus. Wir hatten zwar ein bisschen Aufmerksamkeit. Aber es war in Wirklichkeit nur eine sehr kleine Gruppe von Leuten. Eben Leute, die sich sehr stark für Musik interessieren. Das hat uns zu dem Zeitpunkt zwar sehr gefreut, aber parallel merkten wir, dass man in den Staaten in Blogs und in allen Ecken online über uns schrieb. Viele Musikkritiker dort mochten uns. Es machte für uns sehr schnell Sinn, bei einem amerikanischen Label zu unterschreiben. Der Umzug machte alles einfacher.

 

 

motor.de: Und die kulturellen Unterschiede? Deine Texte sind ja sehr deep…

 

Coco: Haha, ja… Amerikaner denken oft, dass die USA das Zentrum des Universums ist und alles, was in der Welt zählt. Manchmal zumindest. Haha, für unser Label war es gar keine Frage, ob wir rüberkommen, sondern nur, wann. Da ich schon immer in verschiedenen Städten wohnen wollte, dachte ich mir, „warum nicht mit L.A. anfangen“ ?

 

motor.de: Schlägt sich das Auswandern auf deine Lyrics nieder, sind da Texte über das Reisen, das nie ankommen?

 

Coco: Das Gefühl, das erste Mal allein zu sein. Ja. Wenn du in Dänemark aufwächst, hast du deine feste, kleine Welt. Deine Clique. Jeder kennt dich und viel findet in der Gruppe statt. In L.A. ist das anders, alles ist sehr verstreut. Das trifft eben auch auf Menschen zu. Man muss sich verabreden, sitzt viel in Cafés. Dahin muss jeder mit dem eigenen Auto ewig fahren. Ich bin sehr damit beschäftigt, mich umzugewöhnen, auch was das Freundefinden betrifft. Ich war es immer gewohnt, zu einer Gruppe von Leuten zu gehören… und natürlich spielt das Fehlen eines festen Freundes eine Rolle in meinen Texten. Bis vor drei Monaten hatte ich noch nie einen Freund. Die Frage, warum es so schwer ist, jemanden zu finden, ist auf der Platte zentral.

 

 

motor.de: Welcher ist für dich der wichtigste Track auf der Platte?

 

Coco: Es gibt keinen speziellen Track, für mich funktionieren sie alle. Es ist ein sehr rundes Album, ein aktuelles Album, so wie man es früher gemacht hat, haha. Es ist nicht so, dass wir es, wie es heute so oft vorkommt, darauf angelegt hätten, nur ein, zwei gute Singles zu machen. Andererseits meiden wir das Auffächern in verschiedene Stile. Du weißt schon, manche Alben sind doch nach dem Motto konzipiert: „Hier haben wir einen Reggae-Song, da einen Dance-Song, dort R&B. Wir versuchen in jeden einzelnen Song, alles von uns reinzupacken.

 

motor.de: Du scheinst da eine sehr klare Meinung zu haben, gibt es darüber auch mal Streit im Studio?

 

Coco: Ähm, also das erste Album bestand genau aus den zwölf ersten Songs, die Robin und ich gemacht hatten. Wir mussten uns kennenlernen, lernen Respekt voreinander zu haben. Erst wenn man sich gegenseitig bewiesen hat, dass man seinen Teil des Jobs hinkriegt, läuft es. Als ich Robin bewiesen hatte, dass ich meinen Part hinbekomme, konnte ich auch viel in anderen Bereichen mitreden. Beim zweiten Album jetzt, haben wir schon herausgefunden, wer wo der Stärkste ist. Es war also bedeutend einfacher. So richtig viel haben wir aber nie gekämpft. Manchmal mache ich ein bisschen Drama… Aber ich weiß das, und arbeite daran.

 

motor.de: In der Vergangenheit hast du sehr oft deine Einflüsse aus den 60ern und 70ern erwähnt. Du bist sehr jung, da muss es doch noch was anderes geben!?

 

Coco: Robin ist der Musik-Nerd. Er ist der Plattensammler von uns. Prinzipiell sind wir aber beide von jedem Sound beeinflusst, den wir aufschnappen. Es ist nicht so, dass wir dasitzen und eine einzige Platte hören und sagen, „oh, so wollen wir klingen“, auch nicht so eklektizistisch, dass wir das und das und das nehmen und was draus basteln. Jeder Künstler ist von allem beeinflusst, was ihn umgibt, es ist schwer den Finger auf eine Stelle zu legen. Wir beide sind RIESIGE Micheal Jackson-Fans. Er ist immer noch eine große Inspiration für uns, allein die Art, wie er gearbeitet hat. Und ja: Soul-Sänger der 60er und 70er. Das ist sehr herznah und eher meine Richtung, mehr als aktuelle Musik. Heute kann doch jeder die Stimme mit Autotune so stark manipulieren, dass es jegliche Persönlichkeit verliert. Naja nicht alle der Acts sind autotuned, aber die meisten… Autotune ist nichts für mich, ich würde eher aufhören Musik zu machen, als mich autotunen zu lassen.

 

 

motor.de: Bist du ein lyrischer Workoholic?

 

Coco: Nein, haha. Ich gehe gern aus, und mir fällt es schwer, mich immer zu konzentrieren. Einfach aus dem Fenster schauen und einen Text schreiben, das wird bei mir nichts. Ich muss ins Studio, wo ich mich nicht ablenken kann. Robin hilft mir dann auch manchmal, gerade bei Sachen, die ich noch nicht so locker ins Englische übersetzen kann. Ich dachte, wie ich dir schon erzählt habe, das mit dem Ankommen geht schneller. Ich fliege rüber und bin dann Teil einer neuen Gang, haha, aber das mit den richtigen Freunden ist schwerer, als ich angenommen hatte. Oft ist es seicht, mehr dieses [mit hochgestellter Britney Spears-Stimme] „Hi, wie geht’s, ich mag dein Kleid“. Aber wenn ich darüber zu sprechen beginne, wie einsam ich mich fühle oder wie deprimiert ich manchmal war, heißt es „Äh, sorry, ich muss los“. Es kommt mir gelegentlich so vor, als ob viele Menschen dort nicht so recht wissen, wie sie mit Emotionen umgehen sollen. Das trifft nicht auf alle zu, ich habe inzwischen sehr, sehr gute Freunde, aber in der Kultur ist es schon auffällig, dass das Negative ausgeblendet wird – verglichen mit Skandinavien oder Europa. Hier ist es doch ok, wenn man darüber spricht, dass der Tag mal nicht so gut war. In den USA ist das alles viel privater. Sie behalten die Probleme zu Haus und setzen ein allgegenwärtiges Lächeln auf, wenn sie rausgehen.

 

motor.de: Hast du noch Kontakt zu deinen Freunden in Europa?

Coco: Ja. Sehr regelmäßig über Social-Media. Heute geht das ja sehr gut. Man hat nicht das Gefühl, jemanden zu verlieren, nur weil man nicht am gleichen Ort ist.

 

motor.de: Und deine Familie?

 

Coco: Ja, sie sind alle in Dänemark. Ich bin jetzt wieder öfter in Europa. Fliege hierher für Shows und Promo-Termine. Ich habe nicht wochenlang Zeit, sie zu besuchen, aber immerhin sehe ich sie hin und wieder.

 

motor.de: Wie sind denn die Reaktionen gerade in Dänemark auf die Musik von Robin und dir?

 

Coco: SEHR gut.

 

motor.de: Ist es nicht witzig, dass du erst in die USA gehen musstest, um jetzt hier in Europa Erfolg zu haben?

 

Coco: Äh, ja das ist schon lustig. Es hilft auch, dass wir jetzt ab und an einen sonnigen Track machen, und über ein paar Sonnenstrahlen freuen sich im verregneten Dänemark viele Leute. Ich finde auch, dass Dänemark erst bereit sein musste für Soulmusik. Das war damals nicht so. Aber die Zeiten ändern sich eben.

 

John Sauter

 

 

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