Nach 10 Jahren kehren Rage Against The Machine nach L.A. zurück und bringen das ausverkaufte „Hollywood Palladium“ mit einem Charity-Konzert zum kochen – motor.de war live dabei.

Rage Against The Machine – Hollywood Palladium, LA, 23.07.2010

Wenn große Bands in ihrer Heimatstadt spielen, sind Begeisterungsstürme nichts Ungewöhnliches. Handelt es sich dabei gar um Rage Against The Machine, die nach langer Live-Abstinenz wieder in Los Angeles auftreten und das im Rahmen eines Charity-Events, bei dem über 300.000 Dollar für den Kampf gegen das umstrittene Immigrationsgesetz in Arizona eingespielt werden, so neigt man dazu, ausschließlich in Superlativen davon zu sprechen – jeglichen Wucherpreisen für Tickets und dessen Beigeschmack zum Trotz. motor.de war Zeuge der explosiven Performance, die die zweitgrößte Stadt der Vereinigten Staaten zum beben brachte.

Charity vs. Wuchertickets

Es ist kein Geheimnis, dass die Motivation hinter Re-Unions grundsätzlich vorrangig finanzieller Natur ist. Die digitale Revolution und der zunehmende Bedeutungsverfall von Tonträgerverkäufen haben zu einem fundamentalen Wandel in der Musikindustrie geführt, der Konzerte zur lebensnotwendigen Haupteinnahmequelle für Künstler werden lässt. Besonders die Preisspirale um die Eintrittsgelder für die musikalischen Helden vergangener Tage dreht sich unaufhaltsam in immer skrupellosere Dimensionen der Profitmaximierung. Drastisch verschlimmert wird diese Entwicklung durch den Kartenschwarzmarkt, der auch vor Rage Against The Machine nicht halt macht: Nachdem die Show innerhalb weniger Minuten komplett ausverkauft war, wurden bei einer allseits bekannten Internetverkaufsplattform schon bald darauf Tickets für das Zehnfache des Originalpreises angeboten. Derartige Geldmacherei scheint nicht mit dem linkspolitischen ‘Spirit’ der Band vereinbar und ist – zumal es sich bei dem Konzert zusätzlich um eine Charity-Veranstaltung handelte – mehr als paradox.


Rage Against The Machine für 2000 Dollar?

So lehnte ein Teil der Fans die Wucherpreise auch aus idealistischen Gründen ab, formte Widerstand über das Internet und berief sich auf die eigentliche Philosophie der Musikikonen. (Kritiker der Formation stellen diese sowieso als Vorwand für ökonomische Interessen nicht erst seit diesem Event in Frage.) Dass es jedoch tatsächlich der wahre Antrieb für die Musik der Kalifornier ist, die sich den Mechanismen des Ticketmarktes nicht entziehen können, werden die Gäste der Veranstaltung bezeugen können. Der Abend mit der amerikanischen Kultband stand eindeutig nicht nur im Zeichen eines Best Of-RATM-Konzertes und setzte sich über die allgemeine Politikverdrossenheit der jungen Party-Generation hinweg.

Der Hintergrund:

Profit war also sicher nicht die Triebfeder hinter der Charity-Veranstaltung, die unter dem Motto der von Zack De La Rocha ins Leben gerufenen „Sound Strike“-Organisation stand. Letztere ist eine Zusammenkunft von Künstlern und Musikern, die von Größen wie Nine Inch Nails, Massive Attack über Kanye West bishin zu Michael Moore reicht und einen Boykott des US-Bundesstaates Arizona verfolgt, der Ende dieses Monats das ebenso umstrittene, wie höchst fragwürdige Immigrationsgesetz „SB 1070“ verabschieden will. Hinter dem scheinheiligen Titel „Support Our Law Enforcement and Safe Neighborhoods Act“ verbirgt sich die Gefahr polizeilicher Willkür im Umgang mit bestimmten ethnischen Gruppierungen, sodass eine einfache Geschwindigkeitsüberschreitung Anlass genug wäre den Immigrantenstatus zu überprüfen und im Falle illegaler Einwanderung in Abschiebung und inhumanen Gefängnisaufenthalten resultieren kann.

Rage Against The Machine live @ Palladium Hollywood

Selbst das Nichtmitführen von Papieren wird als Straftat eingestuft. Eine Vorgehensweise, die das sogenannte ‘racial profiling’, die Fahndung nach rassistischen Kriterien, zwangsläufig heraufbeschwört und von den Kritikern mit den totalitären Strukturen vergangener Tage verglichen wird.
In einer vorangegangenen Pressekonferenz machte Frontmann Zack De La Rocha klar, dass es sich nicht um eine Problematik handele, die Latinos und Immigranten betreffe, sondern einen Kampf zur Verteidigung grundlegender Menschenwürde erfordere. Die politische Brisanz der Veranstaltung wurde nicht nur im massiven Polizeiaufgebot vor den Toren des „Palladiums“ deutlich.

Der Konzertbericht:

Mit ihrer unbändigen Energie fesselte das Quartett unmittelbar mit dem Opener „Testify“, um den höchst explosiven Start gleich darauf mit „Bombtrack“ fortzusetzen. Einige Male bricht der energische Auftritt zugunsten ruhigerer Passagen auf, in denen die Band in den Hintergrund rückt, und das gesprochene Wort des Frontermanns eine enorme Intensität erreicht. Die Thematik ist jederzeit präsent und der Abend erreicht einen weiteren emotionalen Höhepunkt, als eine Vertreterin der „immigrant social-justice community“ das Mikrofon ergreift und ein Gefühl ehrlicher Solidarität entstehen lässt. Bishin zur letzten Zugabe „Killing In The Name Of“ befindet sich das Publikum völlig im Bann der ganz besonderen Magie aus Aggression, Energiefluss und Botschaft. Wenn Zack De La Rocha Zeilen wie „Anger is a gift“ ausbrüllt oder Schlüsselsätze wie im zum finalen Ausbruch von „Guerilla Radio“ fallen, spürt man gänsehautartig, welche Kraft dieser Musik innewohnt.

“It has to start somewhere!/It has to start sometime!/What better place than here?/What better time than now?”

Commerfords treibende Bassgrooves und Morellos trickreiches Gitarrenspiel haben ein Niveau höchster Perfektion erreicht und verwandeln die Zuschauerreihen in einen einzigen “Circle Pit”. Mit hypnotischer Eindringlichkeit transportiert Zack im gleißenden Rot der Scheinwerfer jedes Wort direkt ins Bewusstsein der Zuschauer und wird in der Berichterstattung des örtlichen Fernsehsenders KTTV (Fox11) absolut trefflich als „Sprachrohr der Menschen“ bezeichnet. Zurück bleibt die Gewissheit, dass dieser Auftritt tatsächlich etwas bewegt haben könnte.

Text: Matthias Ziegenhain

Besonderen Dank an den Fotografen Christopher Smith (www.csvisions.com), für die Bereitstellung von ergänzendem Bildmaterial.