Die Germanen sind zurück – im Gepäck die Krönung ihrer jahrelangen international ausgerichteten Absatzpolitik.

Provokative Texte und Bühnenshows an den Grenzen des guten Geschmacks – die dunkle Karrikatur des deutschen Stereotyps in Verbindung mit hervorragend produziertem brachialen Rock schlägt seit ihrer Grundsteinlegung Mitte der Neunziger ein wie eine Bombe. Schnell wird klar, dass es mit Rammstein ein lukratives Produkt zu pflegen und für den globalen Markt zu perfektionieren gilt.

Rammstein – Senior Trailer

Der Erfolg der Bemühungen von unzähligen Designern, Bühnentechnikern, Anwälten und PR-Mitarbeitern lässt nicht lange auf sich warten und mittlerweile fällt selbst in der hintersten Einöde im tiefsten Russland der jüngeren Generation sofort Rammstein ein, wenn nach Deutschland gefragt wird. Selbst Scooter kommen da nicht ganz mit.

Rammstein – Seniors Party Trailer

Nun erscheint nach zahlreichen Gold- und Platin-Alben “Liebe Ist Für Alle Da” und stellt die Krönung des Produktes Rammstein dar. Zumindest lässt der erste Auskopplung “Pussy” dies vermuten. Allein die Strategie, einen Pornoclip zum Song zu drehen und über adäquate Plattformen im Netz zu streuen, beweist, dass das Geschäft verstanden wird. Längst spielen MTV und Co. keine Rolle mehr, es sei denn man möchte sehen, wie C-Prominente peinlich ihre Karriere pimpen. Also einfach komplett auf den Online-Auftritt setzen und mit der uralten Weisheit “Sex sells” verbinden. Klingt platt, aber funktioniert: Video in aller Munde, Song in den Charts.

Rammstein – Bodybuilder Trailer

Rammstein führen somit konsequent ihre Produktverfeinerung fort und scheinen sogar zum Sturm auf die Top Ten in Großbritannien, den USA oder Japan zu “blasen” (da hat es bisher nur für die hinteren Plätze gereicht). Bereits auf der Völkerball-DVD sieht man ein Menschenmeer von Nichtmuttersprachlern von der ersten bis zur letzten Reihe unglaublich textsicher, fast sektenartig. Jetzt, wo es mit dem Holzhammer Deutschvokabeln von “Mercedes Benz und Autobahn” bis zu “Bratwurst” und “Sauerkraut” regnet, gießen Rammstein einfach nur weiter Benzin in die lodernden Flammen. Dass das Ganze wie üblich in sauberste Studioarbeit, einen monoton-treibenden Riffreigen mit der nötigen Portion Synthies und Schlagzeugsalven abgerundet, eingebettet wird, muss nicht diskutiert werden.

Dieses Album soll tatsächlich für alle da sein. Zumindest alle, die im Ausland auf den Sound und das Image der Germanen-Rocker abgehen oder hierzulande mit den “harten Jungs” ihren Alltag kurz hinter sich lassen. Ob man das Kalkül Rammsteins nun gutheißt, verurteilt oder mit einem Augenzwinkern betrachtet, sei dahin gestellt – der anhaltende Erfolg der Band ist sicher nicht gefährdet. Zuletzt bleibt nur die Frage, was danach noch kommen soll. Welche Tabus gibt es für Rammstein noch zu brechen, womit wird man künftig einen drauf setzen?