Mit dem Netz hat der Mensch eine vollkommen neue Dimension des Durcheinanders erschaffen – einen reichen, schöpferischen Humus. Der Eröffnungsvortrag von Peter Glaser zur re:publica, der Web2.0-Konferenz in Berlin.
“Ist ein Bildschirm nichts anderes als ein Ofenloch, in dem ein kaltes Feuer glüht”, fragt Bachmann-Preisträger Glaser gestern bei seiner Eröffnungsrede. (Foto: Daniel Seiffert/republica)
Ein paar Gedanken zu der Frage: Woher kommt eigentlich die Faszination an dieser ganzen digitalen Kommunikationstechnik? Woher kommt dieses Heimweh nach einem Ort, an dem wir noch nie waren, weil wir ihn nämlich nicht betreten können, außer in unserer Vorstellung? Was fasziniert uns so am Netz?
Der Kulturwissenschaftler Lewis Mumford wuchs Anfang des 20. Jahrhunderts in New York auf. “In meiner Jugend”, schreibt er, “las ich Modern Electrics, und die neuen Mittel der drahtlosen Kommunikation nahmen meine Jünglingsphantasie gefangen. Nachdem ich meinen ersten Radioapparat zusammengebastelt hatte, war ich hocherfreut, als ich tatsächlich Botschaften von nahe gelegenen Stationen empfing, und ich fuhr fort, mit neuen Geräten und Anschlüssen zu experimentieren, um noch lautere Botschaften von weiter entfernten Sendestationen zu empfangen. Aber ich machte mir nie die Mühe, das Morsealphabet zu lernen oder zu verstehen, was ich da hörte.”
Im Vorland des Kilimandscharo, an der Grenze zwischen Kenia und Tansania, liegt Amboseli, in der Sprache der Massai die “leere Weite”. Hier hat sich das Bewußtsein aus den Köpfen der ersten Menschen in die Welt ausgebreitet. Eine Schlüsselrolle dabei hat die Beherrschung des Feuers gespielt. Im Schutz des Feuers, das von allen anderen Lebewesen gefürchtet wird, konnte der Mensch zum ersten Mal die ununterbrochene Anspannung in einer lebensgefährlichen Umwelt ablegen. Hier haben unsere Urahnen einen mythischen Moment erlebt – das Paradies, den Frieden –, der dann seinen Weg durch die Jahrtausende angetreten hat.
Am Ende einer leuchtenden Spur durch die Geschichte steht der Computer als aktueller Höchststand unserer Fertigkeit, das Feuer zu beherrschen. Denn was ist ein Bildschirm anderes als ein Ofenloch, in dem ein kaltes Feuer glüht? Ein vernetzter Rechner ist quasi nichts weiter als ein weltweit wirksamer Schürhaken. Der Computer erlaubt uns nun die Kontrolle über jedes Funkenpixel am Bildschirm.
Heute sitzen die Nachfahren der alten Magier programmierend vor den modernisierten Kristallkugeln und lassen, wie seit Jahrtausenden in der Branche üblich, mit Hilfe eines undurchsichtigen Brimboriums aus codierten Beschwörungsformeln ihre Visionen auf den Monitoren erscheinen.
Es gibt keine weißen Flecken mehr auf der Landkarte. Wir besiedeln nun den achten Kontinent – das Netz. Zuvor waren Nachrichtenverbindungen von Boten abhängig gewesen, vom Marathonläufer bis zum Pony-Express. Als Mayer Amschel Nathan Mayer Rothschild im Juni 1815 per Brieftaube vom Ausgang der Schlacht bei Waterloo erfuhr, konnte er seinen Informationsvorsprung noch in eine Börsenspekulation ummünzen, die zur Grundlage seines legendären Vermögens wurde.
Mit der Erfindung des Buchdrucks wurden alte Manuskripte vervielfältigt und überfluteten die Renaissance mit der ganzen Vergangenheit des Altertums und des Mittelalters. In dieser Zeit wurde die Zukunft erfunden. Mit Hilfe von Büchern begann der menschliche Geist zum ersten Mal, sich frei in Vergangenheit und Zukunft zu bewegen.
Heute läßt die Vernetzung uns eintauchen in alle Kulturen, die je auf dieser Welt existiert haben. Die Bibliothek von Alexandria war ein Versuch, das Wissen der Menschheit an einem Ort zusammenzuführen, die aktuelle Version heißt Google. Bisweilen hat das Suchen bereits religiösen Charakter angenommen. Viele Leute wollen gar nicht mehr finden. Sie wollen nur suchen.
Es ist mit Google ein bißchen wie mit dem Hollywood-Produzenten, dem eine traumhafte Villa mit Swimmingpool gehörte. Er war damit nicht zufrieden und ließ sich einen Steg aus Plexiglas über den Pool bauen, genauer gesagt: knapp unter die Wasseroberfläche. Wer nicht wußte, dass da ein Steg ist, sah nichts. Manchmal ging der Produzent dann rüber zum Pool und wandelte über dem Wasser.
Ein Wunder.
Im August 2003 wurde Google-Mitgründer Sergej Brin auf einer Konferenz gefragt, wann ihm klargeworden sei, dass Google ein Wahrzeichen der Gegenwart geworden ist. Als Antwort erzählte Brin die Geschichte von jemandem, der angeblich einem Familienmitglied mit einem akuten Herzinfarkt das Leben gerettet hatte, indem er bei Google nachfragte, was zu tun sei und mit den gewonnenen Informationen medizinische Hilfe hinzuziehen konnte. Mit anderen Worten: auch Google vollbringt inzwischen Wunder. Die Vorstellung, dass jemand eine Suchmaschine konsultiert, statt den Notarzt zu rufen, ist absurd – jedenfalls in Deutschland. In einem Land wie den USA, in dem bis dato 46 Millionen Menschen ohne Krankenversicherung lebten, verheißt eine Suchmaschine kostenlosen medizinischen Rat.
Was Google mit seiner ebenso innovativen wie aggressiven Vorgehensweise immer wieder mühelos schafft ist, zu zeigen, wo die Gemeinschaft versagt – aus Bequemlichkeit, Geiz oder Unentschlossenheit. So hat erst die Provokation durch Google Books die EU dazu veranlaßt, endlich mehr als nur eine symbolische Summe für eine eigene Digitalisierungs-Initiative in die Hand zu nehmen. Auch zu Googles “Street View” gibt es Alternativen wie das Open Source-Projekt OpenStreetMap. Statt sich in Angstdebatten zu verlieren, wäre es konstruktiver, ein solches Projekt zu fördern und eine digitale Öffentlichkeit zu entwickeln, die es mit der Leistungsfähigkeit von Google aufnehmen kann. “Am Ende entschiede dann Qualität, und ein vielleicht sogar besseres Konzept, weil alle mitmachen”, sagt der Digital Business-Fachmann Christoph Kappes.
Sämtliche Medien, allen voran das Netz, sind inzwischen auf ein Ziel ausgerichtet: Permanenz. Online gibt es keinen Ladenschluss mehr, keine Sperrstunde, kein Programmende. Der digitale Medienfluss verwandelt sich in eine Umweltbedingung – etwas, das überall und immer da ist – und etwas, das uns an immer mehr Stellen einlädt, auffordert, verlockt, ihm unsere Zeit zu widmen. Früher öffnete sich einmal pro Abend das Nachrichtenfenster in die Welt. Heute fließen die Ströme an Meldungen, Unterhaltung, Information unausgesetzt. Sonderbare Dinge wie “Testbild” und “Sendeschluss” kennen junge Medienkonsumenten nicht mehr.
Das Netz ist zum Inbegriff der Permanenz geworden. Ständig geht es vor sich, es aktualisiert sich, es vibriert vor Mitteilsamkeit. Früher gab es einen Zustand, dann kam eine Veränderung, dann ein neuer Zustand. Jetzt ist Veränderung der Zustand. Früher hat der Große den Kleinen gefressen, dann fraß der Schnelle den Langsamen. Nun wird das Manchmal vom Immer verschluckt.
Echtzeit.
Und bald werden wir Maschinen nicht mehr mit einem Ein- und Aus-Knopf zu kaufen bekommen, sondern nur noch mit einer Reißleine, die zum Start gezogen wird, dann läuft der Apparat bis in alle Ewigkeit. Ich bin der Auffassung, dass der Ausschaltknopf als ein bedeutendes Menschenrecht gewahrt bleiben muß. Wie sehr uns dieser Knopf bereits ausgetrieben worden ist, zeigt das Mobiltelefon. Zwar verfügt es noch über einen regulären Ausschaltknopf. Aber die psychische Belastung, die das Ausschalten mit sich bringt angesichts der Möglichkeiten, was man alles versäumen könnte, ist immens. Das Nichtrangehen zu lernen ist so schwierig wie ein Morphiumentzug.
Manchmal gibt es Sternstunden, in denen die Ruhe der Unendlichkeit herabsinkt in all das Gequatsche. Als Alexander Graham Bell am 1. August 1922 starb, wurde ihm zu Ehren in den USA eine Minute lang der Telefonbetrieb unterbrochen.
Heute ist die digitale Technologie so weit fortgeschritten, dass sie uns nicht nur erlaubt, die alte Unordnung ohne Abstriche in den Computer zu übernehmen, sondern sie weit zu übertreffen. Mit dem Netz hat der Mensch eine vollkommen neue Dimension des Durcheinanders erschaffen – einen reichen, schöpferischen Humus. Das Netz ermöglicht es uns nun, nicht mehr nur Bücher und Zettel durcheinander zu schmeißen, sondern auch Bilder aller Art, Animationen, Videos und komplette Dikurse. Im gordischen Knoten der Hyperlinks ist inzwischen die ganze Welt in die Globalisierung der Unaufgeräumtheit eingebunden. Dazu gibt es nun Ent-Ordnungssysteme, in denen die Idee des Strukturierens überhaupt aufgegeben wird – Stichwort “Tagging”. An Stelle der Ordnung treten dynamische Wortwolken oder Konglomerate aus Online-Bekanntschaften. Das derzeitige Referenzsystem für computergestütztes Durcheinander ist Facebook. Ziel der Entwicklung ist es, die Unübersichtlichkeit zu universalisieren. Jeder soll alles von überall aus durcheinanderbringen können.
In Echtzeit.
Auch der Informationsvorsprung von Experten ist übrigens oft nur noch mit ziemlicher Anstrengung aufrechtzuerhalten. Jahrelang hat man sich mühevoll mit, sagen wir, einem komplexen Gebilde wie der Programmiersprache dem Betriebssystem Unix befasst. Dann die große narzisstische Kränkung: Marc Andreessen programmiert einen grafischen Browser, der es auch kleinen, älteren Damen in kürzester Zeit ermöglicht, sich durch’s Internet zu klicken. Ohne Unix. Der entwaffnete Experte muss also neue Methoden finden, seinen Status als Sondertier zu erhalten.
Die erfolgreichste Methode ist das britische Club-Prinzip: Aus einer profanisierten Welt, in der man nicht einmal mehr zu wissen braucht, was eine Unix-Shell ist, zieht der Experte sich in die jeweils nächstunverständlichere Region zurück. Aus dem Club-Prinzip ist inzwischen übrigens eines der erfolgreichsten Geschäftsmodelle im Netz geworden: Datenkäfige in allen Größen, die alle das Attribut “sozial” tragen – einer heißt iTunes – und die mich an den Bericht eines Afrikareisenden erinnern. Der erzählte mir, dass Musiker und Bands in ländlichen Regionen bei ihren Auftritten meist in Käfigen spielen. Die Musiker haben keine eigenen Instrumente und spielen mit den Instrumenten, die ihnen der Veranstalter zur Verfügung stellt. Nachdem immer wieder Instrumente gestohlen worden waren, hat sich nun die Käfighaltung von Musikern eingebürgert.
Das Netz ist nicht einfach ein großer Automat, aus dem man Texte und Bilder zieht oder in den man welche einfüllt. Das Netz lebt, wir sind es selbst. Und was seine Individuen von diesem bewegten Zustand zu berichten haben, fließt in den Nachrichtenstrom der Twitter-Telegramme und Facebook-Statusmeldungen. Ähnlich wie vor 7000 Jahren im Anbeginn der geschriebenen Geschichte läßt die Echtzeit-Ethnie sich heute am Ufer eines großen Flusses nieder, des Livestreams.
Die Sozialen Medien nur als Nachrichten-Umschagplatz zu betrachten, greift aber zu kurz. Im Netz sind Medien nicht mehr nur Dinge, die wir benutzen – wir leben heute in unseren Medien, auf Facebook, Twitter, in Foren und Blogs. “Sharism” nennt der chinesische Blogger Isaac Mao, was die sozialen Medien und Communities antreibt – die Lust daran, Dinge mit anderen zu teilen (to share). Oder wie Wilhelm Busch es einige Zeit früher ausgedrückt hat: “Doch guter Menschen Hauptbestreben / ist, andern auch was abzugeben”.
Guy Kawasaki hat beispielsweise eine Methode gefunden, mit der man durch eine Netzgemeinschaft einschätzen kann, ob man es mit einem guten oder einem schlechten Risikokapitalisten zu tun hat (Kawasaki hilft Firmengründern). Es gab einmal ein Meeting in seiner Firma, bei dem jemand zum Spaß die Website einer Online-Community an die Wand projiziert hat, die “Golf Handicap Information System” (GHIS) heißt. Diese Website gibt Auskunft über die Spielstärke von Golfspielern. Alle renommierten Golfclubs melden die Spielergebnisse ihrer Plätze inzwischen an dieses Forum. Die Teilnehmer des Meetings riefen dann ebenfalls aus Jux die Namen von Geldgebern, die im Verdacht standen, viel Zeit auf dem Golfplatz zu verbringen. Für Kawasaki ist das inzwischen mehr als nur ein Spaß. Er fragt seither regelmäßig die Namen von Konkurrenten oder potentiellen Geschäftspartnern in der Golf-Community ab. Wenn sich die Spielstärke eines golfenden Businessmanns ungewöhnlich schnell verbessert, kann man davon ausgehen, dass der sich lieber auf dem Rasen aufhält, als in den Unternehmen, an denen er sich beteiligt.
1993 war das Internet vom Himmel gefallen und lockte mit Verheißungen. Ein Ereignis in dieser Zeit setzte den Journalismus der Zukunft auf die Agenda: der Bombenanschlag in Oklahoma City am 19. April 1995 wurde nicht von herkömmlichen Nachrichtenmedien zuerst gemeldet, sondern von Augenzeugen, die, was sie vor ihren Fenstern sahen, sofort in ihre Computer tippten – in den Internet Relay Chat (IRC). In einem sofort eingerichteten IRC-Kanal #oklahoma sammelten sich Beobachtungen, Informationen und Kommentare. Und als CNN und die anderen zu berichten begannen, war dieser bemerkenswerte Chat bereits Teil der spektakulären Nachricht. Hier, so hieß es in der Zeit nach dem Ereignis immer wieder, beginne der Weg des Journalismus ins 21. Jahrhundert.
Heute interessiert sich kaum noch jemand für’s IRC – dafür aber für eine verkürzte und beschleunigte Form des Austauschs in ähnlicher Form namens Twitter. Und wieder ist der klassische Journalismus von Untergangsvisionen umwölkt. Soll man abwarten und Tee trinken, bis die Aufregung sich wieder gelegt hat und die nächste Sau durch’s globale Dorf getrieben wird?
Diesmal ist die Lage anders.
Der amerikanische Medienwissenschaftler Clay Shirky beschreibt, wie die von einer Zeitung angestellten Nachforschungen verliefen, als die populäre Kolumne des Humoristen und Pulitzer-Preisträgers Dave Barry unerlaubt im Internet verbreitet wurde. So fanden sich im Netz unter anderem eine eigene Dave Barry-Newsgroup und eine Mailingliste, die von ein paar tausend Leuten gelesen wurde. Und es fand sich ein Teenager aus dem mittleren Westen, der die Kolumnen von Hand im Internet verbreitete. Er liebte die Sachen von Barry so sehr, dass er dafür zu sorgen versuchte, dass möglichst jeder sie lesen konnte. Shirky erinnert sich an eine Bemerkung des damaligen Online-Chefs der New York Times, Gordy Thompson, zu diesem Phänomen: “Wenn ein 14-jähriger Junge dein Business in seiner Freizeit hochgehen lassen kann – und zwar nicht, weil er dich haßt, sondern weil er dich liebt –, dann hast du ein Problem.”
Journalismus ist die zivilisierteste Form von Widerstand, und sei es nur gegen die Langeweile. So groß kann keine Krise sein, dass er verschwände, davon bin ich überzeugt. Vor allem aber haben wir mit der Sprache eine bemerkenswerte Technologie und zugleich ein Urmuster der Demokratie an der Hand. Aus 26 Buchstaben lassen sich ganze Universen errichten. Jeder von uns hat mit seinem Namen seinen höchstpersönlichen Anteil an der Sprache. Und jeder kann neue Worte, Formulierungen und Gedanken vorschlagen, und wenn sie gut sind, werden sie bleiben und sich verbreiten. Die Sprache gehört uns allen, sie kostet nichts und wir alle arbeiten als Entwickler mit an dem großen Projekt.
Das weist für mich auf den rätselhaften Kern von Technologie. Denn Menschen interessieren sich nicht für Maschinen. Menschen interessieren sich für Menschen.
Und wir sollten sie alle einladen in diesen neuen Weltteil, der vielen von uns so wichtig ist. Wenn wir wollen, dass alle Menschen etwas vom technologischen Fortschritt haben, brauchen wir Brückentechnologien. Das heißt, Technologien, die nicht nur die Early Adopters und die technologisch Versierten ansprechen, sondern auch den Rest der Menschheit. Wobei dieser Rest nicht wirklich ein Rest ist. Es sind etwa 90 Prozent der Bewohner dieses Planeten. Die meisten Entwickler auf der Welt stecken ihre Energie in Produkte und Dienstleistungen, die exklusiv den wohlhabendsten 10 Prozent der Weltbevölkerung zugute kommen, so der Entwicklungshilfe-Experte Paul Polak. Wir brauchen einen Fortschritt, der auch die übrigen 90 Prozent erreicht.
Ein Beispiel für eine solche Brückentechnologie: Zwei Studenten am Interaction Design Institut in Mailand – die Inderin Aparna Rao und der Schwede Mathias Dahlström – haben eine mechanische Olivetti-Schreibmaschine so umgerüstet, dass man damit E-Mails verschicken kann. Angesichts der Sorge ihrer Mutter, ohne E-Mail zunehmend vom sozialen Austausch mit den jungen Familienmitgliedern, die in verschiedenen Weltgegenden leben, ausgeschlossen zu sein, entschloß sich die Inderin, etwas zu unternehmen. In Indien sind mechanische Schreibmaschinen nach wie vor weit verbreitet.
Also rüsteten die beiden unter der Projektbezeichnung “22 Pop” eine alte Olivetti “Lettera 22” mit etwas Elektronik, ein paar Sensoren und einem Modem so um, dass man damit wie gewohnt auf einem Blatt Papier tippen kann (das “Pop” steht für das verwendete E-Mail-Protokoll). Die Elektronik kann die getippte Anschrift und den übrigen Text erkennen. Und sobald das fertig beschriebene Blatt aus der Maschine gezogen wird, wird das ganze automatisch als E-Mail an den Adressaten geschickt.
In seinem Buch “Mythos der Maschine” – von dem ich glaube, dass die Welt besser wäre, wenn es ein Schulbuch wäre – schreibt Lewis Mumford: “Beim Menschen hat [das Nervensystem, speziell im Bereich der Großhirnrinde] in den letzten 5000 Jahren ein außerordentliches Wachstum erfahren. Dank diesem Nervensystem und den aus seinem Geist-Stoff geformten Produkten, den Zeichen und Symbolen, lebt der Mensch in einer an Möglichkeiten unvergleichlich reicheren Welt als jedes andere Lebewesen. Nur hier, im menschlichen Geist, hat die Fortschrittsidee Substanz. Nur hier bietet sie die Aussicht auf eine bessere Zukunft.”
Ethik
Peter Glaser ist Schriftsteller und Journalist. Er beschäftigt sich vor allem mit den Entwicklungen der digitalen Welt. Er hat diesen Vortrag am 14. April 2010 als Eröffnungsrede der re:publica 2010 gehalten. Er ist auch auf seinem Blog Glaserei erschienen.
Der Text ist im Original bei derFreitag erschienen.
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