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Categories: Konzertbericht

Rückblick aufs Haldern Pop 2009

Strahlende Sonne, freudige Menschen und ein Line-Up, was seines gleichen sucht: Erneut fanden sich beim Haldern Pop Festival in Rees am Niederrhein Freunde guter Indie-Musik zusammen.

Schon bei der Anfahrt zum Gelände wird man von Kühen am Straßenrand begrüßt. Doch nicht nur der ländliche Charme ist sympathisch, sondern auch das Herzblut, was in dieser Veranstaltung steckt und sich durch die Tage zieht. So liest man auf der Homepage des ausverkauften Festivals folgende Philosophie: „Qualität hat eben auch viel mit Zeit zu tun. Deshalb will Haldern nicht nur Euer Geld, sondern vielmehr auch eine Spanne Eurer Zeit, sprich “gespannte” Aufmerksamkeit. Weil überzeugte Haldernfreunde das begriffen haben, ist es genau diesem Publikum zu verdanken, dass sich immer mehr Musiker aus aller Welt für dieses Festival interessieren, weil sie gehört haben, dass man sich hier Zeit für sie und ihre Kunst nimmt.“

Haldern Pop – Donnerstag

Am ersten Tag des Festivals finden alle Konzerte zunächst im Spiegelzelt statt. Die Location beeindruckt durch seine schillernden Farben und Zirkusfeeling, dennoch ist die Kapazität zu begrenzt, als dass alle Besucher Platz darin fänden. Nach den Baddies und Broken Records trommeln und kreischen die Haldern-Label eigenen Künstler Wildbirds & Peacedrums ihr Set. Die niedrige Decke des Zelts wirkt sich negativ auf den Sound ihrer wilden Songs aus und so steht die Show hinter der vorausgegangenen bei der Warm Up Tour (motor.de berichtete) des Festivals zurück. Dass Österreicherin Soap&Skin an diesem Abend keine Klavierperlen zum Besten gibt, war bereits vorher bekannt. Aufgrund einer gebrochenen Hand konnte sie nicht anreisen.

Wintersleep

Überzeugend spielen sich die Karohemd-Kanadier von Wintersleep mit ihren kraftvollen Arrangements und Post-Rock-Anleihen in die Herzen ihrer Zuhörer. Ganz in ihre Musik vertieft, passen die vertonten Emotionen wunderbar ins gut gefüllte Zelt.

Haldern Pop – Freitag

Nach dem Auftritt von Port O´Brien, finden die australischen Newcomer The Temper Trap im Zelt breite Zustimmung. Wenig später betritt Owen Pallett alias Final Fantasy die Hauptbühne. Allein agiert er zwischen Synthesizer und Violine. Seine hohe Stimme tönt durch die Nachmittagssonne, während Seifenblasen durch den Himmel schweben. Leider klingt seine Geige viel zu oft schrill und auch der Gesang ist bei weitem nicht so herzerwärmend wie auf der Platte.

Final Fantasy

Eine eher ungünstige Zeit erwischen Woodpigeon aus Calgary, die noch im Hellen das halbvolle Spiegelzelt bespielen. Mark Hamilton, dessen sanfte Stimme an die von Kollege Sufjan Stevens erinnert, agiert mit folkiger Akustikgitarre und der Klang wird zunehmend voller, doch so richtig versteht die Indie-Rock-Band es nicht, ihr Publikum zu gewinnen.

Woodpigeon

Ihren ersten Deutschlandauftritt überhaupt haben die jungen Londoner Noah & the Whale. Die Band präsentiert große Teile ihres Albums „The First Days Of Spring“, was ab September in den Läden stehen wird. Dumpfes Trommeln und dramatische Gitarrenarrangements umspielen Sänger Charlie Finks voluminöse Stimme. In der Abendsonne erklingen eingängige melancholische Songs und die Engländer wirken selbstsicher und froh, auf der Bühne zu stehen.

Noah & The Whale

Für noch mehr Gänsehaut sorgt Songwriterin Anna Ternheim. Nach einem Einstieg mit „Shoreline“ bricht die Qualität der Setlist nicht ab – die Schwedin spielt sich durch ihre drei Alben und vereint ruhige Lieder mit experimentellen Versionen ihrer Songs. Unglaublich kräftig und klar ist ihre Stimme, die im Background unter anderem von The Tiny-Sängerin Ellekari Larsson unterstützt wird.

Anna Ternheim

Nach Sonnenuntergang und Performance von Jungstar Patrick Watson, betreten Loney Dear „and friends“ die Bühne. Die Übergänge zwischen den einzelnen Tracks wirken übereilt und gehetzt. Es scheint, als zwänge die begrenzte Zeit Sänger Emil Svanängen, sie möglichst kurz zu halten, um seine gesamte Setlist zu schaffen. Bei der Wahl seiner Lieder liegt der Fokus klar auf der aktuellen Platte „Dear John“. Ein Highlight im Programm entsteht durch die Zusammenarbeit von Band und Publikum bei „The Meter Marks Ok“, wo ein chorales „da da da da da da“ die Melodie vorgibt.

Loney Dear

Für den Ausfall von Jonathan Jeremiah springt derweil der Amerikaner Denison Witmer ein. Dieser erzählt, dass er sich nach einer Show auf einem Festival in Schweden nun eigentlich auf Hochzeitsreise befindet und nur als Gast auf das Haldern eingeladen wurde, um sich die Bands anzusehen. Kurzerhand stellte man ihn als Act auf und auch wenn er ohne eigene Gitarre spielen muss, gelingt es ihm seine Lieder ganz hinreißend zu präsentieren.
Während auf der Haupbühne die Briten von Athlete den kranken Paolo Nutini ersetzen, spielen im überfüllten Spiegelzelt Warp Records´Gravenhurst: Songwriter Nick Talbot performt ohne Band, während viele der Hörer ihre Augen geschlossen halten – sei es, weil der Tag lang war oder um den melancholischen Melodien zu lauschen.

Haldern Pop – Samstag

Gegen Mittag und in der prallen Sonne eröffnen am letzten Tag des Haldern unter anderem iLIKETRAINS sowie die südafrikanischen Dear Reader das Programm.

The Maccabees

Euphorisch und professionell überzeugen wenig später die Maccabees. Sie nehmen den Titel ihrer aktuellen Platte „Wall Of Arms“ wörtlich – im Hintergrund ranken goldene Riesenhände auf einer schwarzen Stoffwand. Mit der Kombi von „No Kind Words“ vom neuen und „X Ray“ vom Debütalbum liefern sie den perfekten Start. Ihre unaufdringliche und dennoch mitreißende Show findet neben Ed Droste von Grizzly Bear auch im Publikum begeisterte Zuhörer. Die gut gelaunten Briten überzeugen mit vollem Klang und guter Songauswahl.

Grizzly Bear

Weniger passend für die brennende Sonne ist die Musik von Grizzly Bear. Im sommerlichen Look aus kurzen Hosen und Sonnenbrillen spielen die New Yorker das erste Mal seit 2006, als „Yellow House“ erschien, wieder in Deutschland. Nicht nur die Position direkt nach den Maccabees, auch die grelle Sonne hemmt die Wirkung der tragenden Songs. Es dauert, ehe man den Einstieg findet – doch Songs wie „Ready, Able“ reißen einen endgültig mit und überzeugen.

Bon Iver
, der eigentlich erst um 21 Uhr spielen sollte, tauscht seinen Platz mit Andrew Bird. Frontmann Justin Vernon, der – so die Ankündigung – seine Wintermärchen aus dem kalten Wisconsin präsentieren soll, kommt ebenfalls in den Genuss der Texas-Hitze. Unglaublich sympathisch und warmherzig spielt er neben Hits wie „Skinny Love“ ein grandioses Finale: Auf „Re:Stacks“ folgt „Wolves (Act I And II)“, bei dem er das Publikum dazu auffordert „What Might Have Been Lost“ zu singen.  Schwelgend folgt man seiner Bitte und trällert.

Bon Iver – The Wolves (Act I and II)

Gefolgt von wieder schwungvolleren Tönen durch die Thermals und experimentellem Musizieren des isländischen Folk-Kollektivs Hjaltalín, betritt dann auch Pfeifenkönig Andrew Bird die Bühne. Vögel am dunklen Himmel untermalen die Show des Künstlers aus Chicago, der sogar einen Bachelor-Abschluss fürs Geigespielen hat. Dem Publikum bietet er vieles vom aktuellen „Noble Beast“.

Nach jeder Menge gutem nordamerikanischen Indie, beenden schließlich Pailletten-Königin Little Boots mit Electro, Fettes Brot mit Hip Hop und Headliner Health mit lauter, energiegeladener Show das 26. Haldern Pop Festival. Auch in diesem Jahr ist es den Veranstaltern gelungen, ein Forum für gute Musik zu bieten – nicht nur durch gute Organisation und liebevolle Dekoration, sondern vor allem durch Bands, die es genossen haben, auf der Bühne zu stehen.

Einen Live-Mitschnitt des Haldern Pop Festivals könnt ihr euch zu folgenden Terminen im WDR ansehen:
29./30. 08. ► 23.45 – 03.45 Uhr (Nacht von Sa auf So)
30./31. 08. ► 00.45 – 02.15 Uhr (Nacht von So auf Mo)
05./05. 09. ► 00.30 – 03.30 Uhr (Nacht von Sa auf So)
06./07. 09. ► 00.15 – 01.45 Uhr (Nacht von So auf Mo)

Text: Jasmin Hollatz
Fotos: Jasmin Hollatz

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