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Satyricon

Vor knapp 1800 Jahren schrieb Titus Petronius Arbiter sein legendäres „Satyricon“. Er legte sich in satirischer Form mit dem damaligen Kaiser Nero an und gab die namentliche Inspiration für eine der einflussreichsten Black Metal Bands der Gegenwart.

1990 schließen sich der Norweger Sigurd „Satyr“ Wongraven und drei seiner engsten Freunde zu der Band Eczema zusammen. Innerhalb kürzester Zeit verschwindet nicht nur der Name, aus Eczema wird Satyricon, sondern auch seine Mitstreiter. Obwohl mit Kjetil „Frost“ Haraldstad ein neuer Drummer ins Boot geholt wird, reißen die Probleme nicht ab. Während der Aufnahmen zu ihrem ersten Album, platzt der Deal mit der Plattenfirma No Fashion Records. Tatra Records lassen sich nicht zweimal bitten, gründen mit Moonfog Records ein Sub-Label, und nehmen Satyricon unter Vertrag.

1993 erscheint mit „Dark Medievil Times“ das im norwegischen Underground viel beachtete Debüt. Während viele Black Metal Bands der Zeit, sich permanent mit den üblichen Satanismus-Themen beschäftigen und sich hinter bitterbösen, aber monotonen Soundstrukturen verstecken, gelingt es den Norweger, mit der textlichen als auch musikalischen Hinwendung zum Mittelalter, einen eigenen Sound zu kreieren. Flöte und akustische Gitarren treffen erstmalig auf düstere Gitarrenwände und Satyrs unverkennbaren keifenden Gesang.

Bereits 1994 wird mit „The Shadowthrone“ der Nachfolger präsentiert. Die mittelalterlichen Einflüsse werden etwas zurückgeschraubt, pechschwarze Atmosphäre prägt das Bild. Neben Satyr und Frost, die bis zum heutigen Tag, die einzigen festen Bandmitglieder sind, spielt Samoth vom Emperor auf dieser Scheibe den Sechssaiter. Jedoch wird dies ein kurzes Gastspiel bleiben. Die Regeln eines guten Gitarristen hat er begriffen –  die des Gesetzes offenbar nicht. So sucht man weiter und findet mit Nocturno Culto einen mehr als ebenbürtigen Ersatz. Der Frontmann von Darkthrone erweist sich als verlässlicher und spielt 1996 das dritte Studioalbum „Nemesis Divina“ mit ein. Wiederum hagelt es positive Resonanzen. Mit „Mother North“ beinhaltet die Scheibe den bislang größten Hit der Norweger. Bis zum heutigen Tag stellt diese Hymne den obligatorischen Rausschmeißer bei jedem Konzert der Norweger.

Beflügelt von Lobeshymnen beschließen Satyr und Frost auszubrechen. 1997 erscheint mit „Megiddo“ ein 4-Track-EP, die für Ohrenreiben in der Black Metal Szene sorgt. Nicht nur, dass mit „Orgasmatron“ ein Motörhead-Klassiker in neues Gewand packt wird, man überlässt den Elektro-Poppern von Apoptygma Berzerk den Song „The Dawn Of A New Age“. Der Remix wird für viele Die-Hard-Fans ein Schlag ins Gesicht.

Doch für Kompromisse stehen Satyricon in keiner ihrer Schaffensperioden. Satyr macht seinem Namen alle Ehre und rasiert sich die heiligen Haare ab – für Black Metaller fast schon Blasphemie. Mit dem 1999 erscheinenden EP „Intermezzo II“ werden neue Töne angespielt. Wo vorher noch atmosphärische Keyboards und akustische Instrumente für warme Klangfarben sorgten, überziehen Industrialsounds die Songs mit klinischer Kälte. Die Faszination für die Einfachheit teilen jedoch nicht alle ihrer Fans und so kehren sie der Band den Rücken zu. Das progressive „Rebel Extravaganza“ erscheint im gleichen Jahr und spaltet die konservative Black Metal Szene. Satyr selbst findet für diese mutige Veröffentlichung die passenden Worte, wenn er fragt, wie etwas erwartbares noch extrem sein kann. Das Album zeichnet sich durch einen sterilen, dichten und gefühllosen Sound aus. Aggression und Reduktion auf einem ganz neuen Niveau. Trotz aller Kritik wird „Rebel Extravaganza“ der kommerzielle Durchbruch und beschert ihnen die Möglichkeit für längere Zeit auf Welttournee zu gehen. Als Resultat der gemeinsamen Europatour mit Pantera, wird mit „Roadrage Extravaganza“ 2000 die erste DVD/VHS veröffentlicht. Ein Blick hinter die Kulissen, ein Blick in das Innere einer Band, die keine Lust hat, ausgetrampelte Pfade zu begehen und sich sogar in einem Ferrari interviewen lässt.

Doch der nächste Schock für den Underground lässt nicht lange auf sich warten. 2002 unterschreiben Satyr und Frost, als erste Black Metal Band überhaupt, beim Major-Label Virgin. Vom Verrat und Ausverkauf des Genres ist die Rede. Wer jedoch ein Anbiedern an den Mainstream erwartet, wird schwer überrascht. „Volcano“ entpuppt sich als ihr Meisterwerk. Zusammen mit Elementen des traditionellen Rock, brauen Satyricon einen ungeheuer giftigen, schwarzmetallischen Todesbrei, dem sich weder die Presse noch die Fans entziehen können. Songs wie das rockige „Fuel For Hatred“ oder „Repined Bastard Nation“ setzen neue Maßstäbe. Das abschließende, 15-minütige „Black Lava“ wird für Viele zum Inbegriff der „neuen“ Satyricon. Ein überlanges und zähes Ungetüm, gezüchtet aus Asche, Feuer und Schwefel, welches die Erhabenheit zurück in die Black Metal bringt.

Die Haare sind mittlerweile auch wieder gewachsen, so dass einer triumphalen Rückkehr auf die Bühnen nichts im Wege steht. Höhepunkt wird der im Jahre 2004 stattfindende Auftritt beim Wacken Open Air, bei dem Satyricon einen Headliner-Posten innehaben und mehrere zehntausend Metal-Fans vor die Black Stage locken können. Selbst das Norwegische Fernsehen ist vor Ort, um die Geschehnisse rund um diesen Auftritt zu dokumentieren.

2005 geht es zurück ins Studio, diesmal mit einem Vertrag mit Roadrunner Records in der Tasche. Im Frühjahr 2006 entschlüpft „Now, Diabolical“ und damit das erdigste und kompromissloseste Werk der Norweger. Noch direkter, noch dreckiger und mit viel Black N’ Roll Attitüde gekennzeichnet, werden Songs wie „K.I.N.G“, „The Pentagram Burns“ oder „To The Mountains“ europaweit in der Szene-Presse, wie auch bei den Fans gefeiert. In ihrem Heimatland steigt „Now, Diabolical“ auf einen nicht für möglich gehaltenen zweiten Platz der Albumcharts. Es folgt eine umjubelte Welttournee, sowie Ende 2006 eine musikalische Zusammenarbeit mit dem Norwegian Broadcasting Orchestra sowie dem Oslo Philharmonic Orchestra.

Satyricon sind:
Satyr – Gesang
Frost – Schlagzeug

Enrico Ahlig

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