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Schon die beiden zum Interview geladenen Bandmitstreiter deuten in ihrem Auftreten das an, was bei Architecture in Helsinki Manifest zu sein scheint: Vielfalt. Der rothaarige, bärtig verzottelte Jamie Mildren, der sich für alte Pink Floyd-Platten interessiert und von seinen jüngsten Schnäppchen auf einem Pariser Second Hand-Markt schwärmt. Oder James Cecil, der sich – wie er gesteht – gerade in die Musik der globalen Indie-Lieblinge Clap Your Hands Say Yeah! verliebt hat, Interesse für die Berliner Kunstszene zeigt und sich dabei frohlockend den Indie-Seitenscheitel zurechtlegt.
Gefunden haben sich Jamie und James und der Rest der achtköpfigen Architecture In Helsinki in Melbourne – jener Stadt Australiens, die Down Under als der kulturelle Gegenentwurf zum high-glossy and extra-funky Sydney gilt und in den vergangenen Jahren immer wieder zahlreiche Bands und Subkulturwichtigkeiten von Dead Can Dance bis The Birthday Party und den daraus resultierenden Nick Cave & The Bad Seeds (und, ähem, Kylie Minogue) hervorgebracht hat. Auf dem zweiten Album ‘In Case We Die’ tobt sich das Kollektiv auf den 41 im Booklet fein säuberlich aufgelisteten Instrumenten so aus, als müsse es die musikalischen Programme oben stehender Melbourner Stadtmusikanten geradezu als Super-Konzentrat wiedergeben: der DIY-Appeal von The Birthday Party, die programmatische Ernsthaftigkeit der Bad Seeds, die Abstraktheit von Dead Can Dance und ja! – die seichte Cheesyness in Kylies Pop-Camp.
Architecture In Helsinki strotzen nur so vor Ideenfreude, lassen zunächst einen überforderten Hörer zurück, dessen Verwunderung schnell in Gewissheit um die Einzigartigkeit der Band im leider sehr vorhersehbar gewordenen Allerwelts-Indie dieser Tage umschlägt. Es ist – wenn man Architektur-Bezüge herstellen will, die sich angesichts des Bandnamens mehr als nur aufdrängen – so, als gäben Tocotronic einen Geheim-Gig im Schloss Neuschwanstein mit Hella von Sinnen als Special Guest. Oder als spielten Rammstein in einer Kinderhüpfburg am Fuße der Sphinx auf: ein völlig wirrer Knoten Musik. Doch James löst das Rätsel: “Es ist vor allem diese Idee, die über allem ragt, dass unsere Band organisch funktioniert, daher auch der DIY-Gedanke – jeder kann jedes Instrument spielen.” Keinesfalls soll jedoch der falsche Eindruck entstehen, dass es sich bei Architecture In Helsinki um Aussie-Reibeisen in moonwashed Jeans mit instrumentaler Hau-Druff-Mentalität handeln könnte. Denn dafür klingen die Kompositionen – übrigens auch Live sehr zu empfehlen! – doch zu pop- und stilsicher. Die Australier erinnern darüber hinaus ein bisschen an die Spielfertigkeit Helge Schneiders, der in seinem weit draußen liegenden Universum agiert und dabei doch sehr sinnigen Unsinn produziert.
Es ist denn auch genau diese Eigenwelt von Architecture In Helsinki, die einen so sehr in Bann zieht: dieses musizierende Kollektiv – jenseits einer profitabeln Bandstruktur – das musikalisch sexy dilettantisch und mit ironischem Augenzwinkern auf das vermeintlich musikalisch höchste Gut des jetzigen musikalischen Spätkapitalismus – Indie – zu- und eingeht. Doch im Gegensatz zu Art Brut, die den goldenen Schriftzug “Indie” einfach nur verarschen (was auch unbedingt mal notwendig war), ist es bei Architecture In Helsinki dann doch wieder genau das, was sich schon zu Beginn des Interviews herausstellte: die bandeigene Vielfalt, die alles überstrahlt, wie James schmunzelnd erklärt: “Acht Köpfe! Da ist es per se schwer, eine musikalische Schnittmenge zu finden, die irgendwie in eine formulierbare Kategorie passt. Da tun sich dann doch auch ziemliche Abgründe auf.” Und stammelt hinterher: “Jenseits vom Indie-Begriff dieser Tage.”
Text: Heiko Reusch
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