James Knights von Scarlet Soho über die Ähnlichkeit von Konzerten und Schlachten, die Unechtheit von La Roux und die deutsche Musikszene.

Die 80er Jahre sind weiterhin schwer angesagt. Auch das britische Trio Scarlet Soho spielt geschickt mit den Synthie-Sounds und coolen Beats des vorletzten Jahrzehnts. Das heißt aber nicht, dass sich die Band als Retro-Gruppe versteht, wie Sänger und Gitarrist James Knights im Interview betont – und anderen Bands Unechtheit vorwirft.

motor.de: Was ist dein tägliches überlebenswichtiges Ritual auf Tour?

Knights: Ich bin mir nicht sicher, ob ich überhaupt irgendwelche Rituale habe. Als Band sprechen wir oft über das Konzert am Abend vorher, wenn wir auf dem Weg zur nächsten Show sind. Die anderen Beiden lachen dann oft über mich, weil ich auf meinen Arsch gefallen bin oder so was… Ich esse gerne viel Obst und trinke viel Wasser, nichts zu Verrücktes!

motor.de: War es eigentlich eine demokratische Entscheidung, die Band nach deiner Kollegin Scarlet zu benennen? Oder ist sie eine kleine Autokratin?

Knights: Darüber musst du mit ihr sprechen. Ich sage dazu gar nichts!

motor.de: Ihr habt für euer aktuelles Album “Warpaint” zum ersten Mal ein richtiges Vertriebs-Netzwerk und es ist eure erste Platte, die in ganz Europa erhältlich ist. Fühlt es sich deshalb wie ein Debüt an?

Knights: In gewisser Weise fühlt es sich wie ein Debüt an, ja. Wir konnten uns bei der IAMX-Tour vor ein paar Jahren in Deutschland kurz “vorstellen”. Obwohl wir jedes einzelne Exemplar des ersten Albums bei diesen Konzerten verkauften, hatten wir weder Label noch Vertrieb zur Unterstützung. Dennoch ist es schön eine CD zu haben, die so selten in Europa ist, fast wie eine Geheimveröffentlichung.

motor.de: Legt ihr selbst eine Art Kriegsbemalung an, bevor ihr auf die Bühne geht?

Knights: Ich denke schon. Sich auf einen Gig vorzubereiten, ist ein bisschen wie die Vorbereitung auf einen Kampf oder eine Schlacht, weil man nie genau weiß, was dein Publikum/Gegenüber als nächstes tut!

motor.de: Ich finde, das Cover von “Warpaint” hat einen einfachen, aber stylishen Look. Wie wichtig ist euch das Artwork und Style im Algemeinen?

Knights: Das Artwork unseres ersten Albums war aus heutiger Sicht vielleicht ein Fehler. Es war ein wenig zu dunkel und man hielt uns oft für eine Gothic-Rock-Band. Ich denke, unsere Band ist viel energetischer und lebhafter als die meisten Goth-Bands, die ich kenne – besonders live. Das Artwork von “Warpaint” sollte in gewisser Weise unseren Live-Sound abbilden und außerdem die Unberechenbarkeit unserer Songs zeigen. Unsere Musik ist zwar ziemlich tanzbar, aber wir arbeiten trotzdem gerne mit verschiedenen Musikstilen auf jedem Album. Indem wir das Artwork so auffällig und mutig wie möglich gestaltet haben, begannen wir uns ungezwungener zu fühlen, was die Kombination zwischen dem Sound und der visuellen Seite der Band betrifft.

motor.de: Euer Album hat einen “klassischen” Sound wie ältere New-Order– oder Depeche-Mode-Sachen. Wolltet ihr “retro” klingen?

Knights: Nein, wir wollen nur gute Songs schreiben. Ich denke, gute Songs werden immer gute Songs sein, egal welchen Ansatz ein Produzent für sie wählt. Wir mögen “synthetische” Sounds und das Programmieren von Drummachines, weil es Spaß macht. Ich halte das nicht für mehr retro als mit Stöcken auf leere Holzkisten einzudreschen wie es Dummer tun. Aber ich mag New Order!

motor.de: Einige Bands haben in den letzten Monaten 80er-Synthiepop-Alben veröffentlicht, wie La Roux oder Zoot Woman. Fühlt ihr euch als Teil einer Szene?

Knights: Ich wäre gerne Teil einer Szene, wir sind es aber leider nicht. Unsere musikalischen Wurzeln sind völlig unterschiedlich im Vergleich zu La Roux, deshalb bezweifle ich, ob wir viele Gemeinsamkeiten hätten, wenn wir uns träfen. Wir hatten von Anfang an einen Punk-Ansatz bei dem, was wir tun – es ist zwar Pop, aber nicht in einer Sylvia-Young-Stage-School-Form wie bei La Roux. Wenn unsere Existenz genauso unecht wäre, würde ich sagen “Scheiß’ auf die Musik” und mir einen anderen Job suchen. Mir hat das Touren mit The Faint viel Spaß gemacht und ich denke sie sind eine der wenigen Bands mit denen wir zusammen gespielt haben, die einen guten Ansatz bezüglich des ganzen Zeugs haben, no bullshit.

motor.de: Ich habe gelesen, dass ihr mit einem alten Londoner Taxi auf Tour seid. Wie kam das zustande?

Knights:
Es gehört unserem Keyboarder Stu. Es ist eine alte Karre und ziemlich langsam, aber es macht Spaß angeschaut zu werden, wenn wir unterwegs sind. Bei einem Konzert in Brüssel hat uns sogar eine Polizeieskorte zum Club gebracht, weil gerade ein autofreier Tag in der Stadt war.
motor.de: Habt ihr schon neue Songs aufgenommen?

Knights: Wir schreiben eigentlich immer weil man nie weiß, wann einen der nächste tolle Song “trifft”. Im Moment experimentieren wir ein wenig mehr als üblich, wir wollen ein Album ohne Regeln machen, die uns zurückhalten – fast sollen sich die Songs selbst schreiben, um es einmal so auszudrücken. Es gibt einen neuen Track mit dem Arbeitstitel “Murderlands”, der glaube ich ziemlich großartig wird, wenn er fertig ist.

motor.de: Wenn du eine Coverversion machen müsstest, welchen Song würdest du wählen und wie würde er in deiner Version klingen?

Knights: Ich würde gerne einen Fleetwood-Mac-Song covern, oder ein frühes Bangles-Stück wie “Different Light”. Es wäre hervorragend, wenn wir das durchziehen könnten… Ich müsste ihn natürlich ein bisschen “aufsynthesizern”.

motor.de: Im Moment scheint es für britische Bands ziemlich angesagt zu sein, in Berlin aufzunehmen – siehe Snow Patrol oder The Rakes. Könntest du dir das auch vorstellen?

Knights: Alles ist möglich was die Aufnahmen angeht. Es wäre ziemlich cool mit einem deutschen Produzenten zu arbeiten, der einen anderen Ansatz für unseren Sound hat. Ich finde die Musikszene in Deutschland um einiges inspirierender als die in England.

Eric Bauer