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(Foto: Uncle M)
Seahaven haben mit ihrem neuen Album einen ziemlich mutigen Move gewagt: war das Vorgängeralbum "Winter Forever" (2012) noch wesentlich punkiger angehaucht und hatte sogar Posthardcore Momente (so richtig mit Shouten und allem), kommt die aktuelle Platte wesentlich ruhiger daher. Schon der Titel lässt erahnen, hier geht es nicht mehr ganz so hart zur Sache: "Reverie Lagoon: Music for Escapism Only". Das träumerische Werk wurde vor kurzem veröffentlicht und im Zuge dessen gab es ein paar kleine Clubgigs in Deutschland.
Motor.de hat sich vor der Berlin Show der Kalifornier im Cassiopeia mit Sänger Kyle Soto und Gitarrist Michael Craver ein stilles Eckchen gesucht und 'ne Runde geschnackt. Dabei ist einiges ans Tageslicht gekommen, unter anderem, dass die Jungs auf dieselbe High School wie Buffy, die Vampirjägerin, gegangen sind. Kann auch nicht jeder von sich behaupten.
motor.de: Heute wart ihr ja schon bei Joiz. Wie wars?
Kyle: Komisch.
motor.de: Warum? War es euer erster Live-Auftritt im TV?
Kyle: Ja! Es war schon ziemlich cool.
Michael: Eine echt einmalige Erfahrung. Es wäre was anderes gewesen in unserer Heimat. Dadurch, dass alle deutsch gesprochen haben und wir nicht so richtig wussten, was abgeht, war es schon irgendwie ein bisschen seltsam.
motor.de: Joko Winterscheidt, ein deutscher Fernsehmoderator, war zu Gast und hat die ganze Sendung hochgehen lassen (Joko musste im Auftrag von Klaas so tun, als hätte er absolut keinen Bock auf die Show). Habt ihr das mitbekommen?
Kyle: Wir haben schon mitbekommen, dass da irgendwas in Gange war. Alle waren irgendwie verwirrt. Was war denn da los?
motor.de: Joko und Klaas, zwei deutsche Entertainer, die eine Show namens "Circus Halligalli" machen, haben sich einen ziemlich fiesen Scherz erlaubt und die Moderatorin der Sendung ganz schön gemein verarscht.
Michael: Was ist das für eine Show? Gibt es ein amerikanisches Pendant?
motor.de: Vielleicht Jackass. Aber nicht ganz so schlimm. Ihr seid aus Torrance, einer Stadt im County Los Angeles. Lebt ihr noch dort?
Kyle: Ich schon.
Michael. Ich nicht, aber ich bin viel dort, wegen der Band.
motor.de: Kyle, du bist dort aufgewachsen und zur Schule gegangen, nehme ich an. Hast du gewusst, dass Teile von "Buffy, the Vampire Slayer" (dt. Titel: "Buffy – Im Bann der Dämonen") in deiner High School gedreht wurden?
Kyle: Was echt?? Nein, das wusste ich nicht! Ich weiß, dass "American Beauty" in meiner High School gedreht wurde. Und Quentin Tarantino, mein absoluter Favourite, hat schon öfter in Torrance gefilmt, z.B. für "Jackie Brown" und "Pulp Fiction".
(Foto: Uncle M)
motor.de: Wie lange seid ihr jetzt schon auf Tour und was fehlt euch am meisten, wenn ihr unterwegs seid?
Kyle: Oh, das ist nicht so einfach zu sagen. Da muss man ein bisschen unterscheiden. Wenn wir in Europa sind, ist das schon was ganz anderes. Was ich dann am meisten vermisse, ist das heimische Essen und Trinken. Hier ist alles ein bisschen fremd. Und man vermisst natürlich Familie und Freunde, das ist klar.
motor.de: Habe ihr irgendwelche Rituale oder Gewohnheiten auf Tour oder bevor ihr eine Show spielt?
Kyle: Trinken, trinken, trinken.
motor.de: Natürlich;) Und sonst?
Kyle: Na ja, wir haben ja nicht so viele Klamotten dabei, deshalb sind wir eigentlich die ganze Zeit am Wäsche waschen. Und vor einem Gig machen wir natürlich Soundcheck und wärmen uns auf. Ich weiß auch nicht, ich mag einfach so Kleinigkeiten.
motor.de: Was läuft denn gerade im Tourbus?
Michael: Es gibt gerade so einiges, was ich gut finde. Ich steh im Moment voll auf diese Band aus Ohio – Saintseneca. Das neue Album von denen heißt "Dark Arc" und ist richtig, richtig gut. Die klingen ein bisschen wie Neutral Milk Hotel. Das ist so eine Shoegaze Band. Und die letzte Warpaint Platte war echt super.
Kyle: Ich höre die neue Platte von The National gerade sehr oft. Ich hab den alten I-Pod von einem Kumpel. Da sind unter anderem Songs von Lorde drauf. Die gefallen mir auch ganz gut.
motor.de: Ich würde gern über den Album Titel reden. Ich dachte "Reverie Lagoon" gibt es vielleicht wirklich, aber das habt ihr nur erfunden, oder? Was verbirgt sich dahinter?
Kyle: Das ist eine Metapher, die im Laufe des Albums auftaucht. Das ganze Album folgt diesem Thema. Es gibt ja auch dieses Meeresrauschen bei einigen Songs. Das spielt zusammen mit dem zweiten Teil des Titels – "Music For Escapism Only", wobei man 'Escapism' vielleicht auch als eine Personifizierung betrachten kann. Es ist einfach symbolhaft gemeint. Wenn man sich die Texte anschaut, wird man die Zusammenhänge erkennen.
motor.de: "Music For Escapism Only" – das klingt fast wie eine Auffforderung oder Anleitung. Was ist die beste Umgebung, um sich die Platte anzuhören?
Kyle: Also, wenn ich mir die perfekte Situation ausmale, in der man sie hören sollte, dann wäre das nachts, im Bett mit Kopfhörern auf und dann dazu einschlafen und träumen. Sich einfach darin verlieren… Viele Leute sagen auch, dass sie sich fühlen als lägen sie am Strand, wenn sie die Platte hören. Das funktioniert vermutlich auch ganz gut. Man sollte einfach relaxed irgendwo liegen und in Gedanken verloren sein.
motor.de: Witzig, dass du das sagst – ich hör eure Musik eigentlich lieber, wenn ich in Bewegung bin…
Michael: So sehe ich das eigentlich auch. Es passt großartig, wenn man nachts lange durch die Gegend fährt und dazu dann das Brummen des Motors…
Kyle: Ja, das ist halt unterschiedlich. Deshalb möchte ich beim Thema Lyrics auch nicht zu spezifisch werden, um die Wahrnehmung des Hörers nicht zu sehr zu beeinlussen. Es ist auch eigentlich egal, wie und wo man das Album hört, aber man sollte sich der Musik schon ganz und gar widmen und sie nicht nebenbei laufen lassen, während man seine E-Mails checkt oder so.
motor.de: Der Sound der neuen Platte unterscheidet sich sehr stark vom ersten Album. Wie kommt's?
Kyle: Weiß ich auch nicht (lacht). Das ist einfach die Platte, die ich selbst und auch die anderen immer machen wollten. Wir sind auch sehr stolz drauf und lieben das Ergebnis. Wenn ich zurück denke… in 2010 als "Ghost" (erste EP der Band, Anm.d.Red.) rauskam, waren wir an einem ganz anderen Punkt. Die Dinge haben sich halt so entwickelt. So fühlen wir uns zur Zeit. Das ist die Art Musik, die ich selber gerade gern höre. Die neuen Songs spiegeln einfach unsere persönliche Entwicklung wieder.
(Foto: Motor.de)
motor.de: Das Album wurde aufgenommen und gemixt von Ben Brodin, der schon mit Künstlern wie Bright Eyes oder Pete Yorn gearbeitet hat. Das ist ja mehr diese Singer-Songwriter Schiene. Würdet ihr sagen, dass ihr euch auch in diese Richtung bewegt?
Kyle: Wir haben lange überlegt, wo und mit wem wir die Platte aufnehmen. Und schlussendlich haben wir den passenden Ort und die perfekte Person gefunden. Unser Songwriting hat sich ziemlich verändert: die Songstrukturen sind dynamischer und komplexer geworden und wir verwenden viel mehr unerschiedliche Instrumente. Das war der Anspruch, den wir an uns selber gestellt haben. Wir haben uns vorgenommen, diesen Weg einzuschlagen und jetzt war einfach die Gelegenheit dafür da und wir haben sie ergriffen. Vor ein paar Jahren wären wir dafür noch nicht bereit gewesen. Es ist auch gar nicht so bewusst passiert, sondern war viel mehr ein natürlicher Prozess.
Michael: Es ist auch einfach eine positive Entwicklung für die Band, nicht mehr einfach nur laut zu spielen. Der Fokus liegt jetzt auf der Songdynamik, was für uns natürlich auch wesentlich spannender ist.
Kyle: Ganz genau! Als wir angefangen haben, waren wir noch etwas ängstlicher. Heute wissen wir, es muss nicht möglichst laut und verzerrt sein, um gut zu klingen.
Michael: Weniger ist halt manchmal mehr.
motor.de: Mir ist aufgefallen, dass es in den neuen Songs öfter um Selbstsüchtigkeit geht. Hältst du dich für selbstsüchtig, Kyle?
Kyle: Na ja, jetzt nicht im Sinne von 'ich geb dir nichts von meinem Drink ab', aber generell ist das schon jeder ein Stück weit, denke ich. Was die Platte angeht- die Songs handeln tatsächlich viel von Selbstsüchtigkeit oder allgemeiner gesagt Selbstreflexion. Es geht thematisch wirklich viel um egoistische Entscheidungen und sich nicht darum zu kümmern, wie es anderen dabei geht, sondern sich mehr um sich selbst zu sorgen.
motor.de: Ich hab das Gefühl, das ist so ein Generations-Ding. Wenn ich mich so umschaue, sind alle in unserem Alter (in den Zwanzigern) sehr Ich-bezogen, mich eingeschlossen.
Kyle: Ja, ich denke, ich weiß, was du meinst. Aber ich möchte das gar nicht so verallgemeinern. Es geht auf dem Album auch nicht um den Egoismus von anderen Menschen. Eigentlich geht es auch nicht um meinen eigenen, zumindest nicht im Sinne von Eitelkeit. Es geht mehr darum, dieses auf sich selbst konzentriert sein als eine Art Stütze zu verwenden. Aber es ist mit Sicherheit nicht der beste Weg, um mit Problemen umzugehen.
Michael: Ziemlich selbstsüchtige Antwort.
Juliane Haberichter
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