Nach der Auflösung von Death From Above 1979 schiebt Sebastien Grainger jetzt eine Solonummer. Sein Ex-Bandkollege Jesse F. Keeler gehört damit genauso der Vergangenheit an, wie der Dance-Punk, den das Duos so erfolgreich zelebrierte.
Kein Text über Sebastien Grainger und sein Debüt mit den Mountains kommt derzeit ohne Verweis auf Death From Above 1979 aus. Verständlich, denn schließlich war das Ex-Spielzeug des Kanadiers schon während seiner begrenzten Lebzeiten Kult! Zwei-Mann Bands und Dance-Punk gab es zwar schon vorher, aber die Verquickung von beidem und die Bass/Schlagzeug-Orchestrierung machte DFA1979 kurzzeitig zur Band der Stunde. Keine Frage, die Mountains müssen große Fußstapfen füllen.
Nach der scheinbar nicht ganz schmerzfrei verlaufenen Scheidung von Bass-Akrobat und Ex-Buddy Jesse F. Keeler, startete jener unter seinem a.k.a. Mstrkrft groß durch und darf sich mittlerweile zur Electro/Dance/Remix-Elite zählen, während sein drummender Gegenpart erstmal gehörig die Nase voll hatte vom Musikzirkus und beschloss dem Ganzen vorerst den Rücken zu kehren, um sich eine Auszeit zu nehmen.
“Es war nicht so, dass wir mit DFA am Ende unserer möglichen Entwicklung gewesen wären“, beginnt der schlaksige und heute mit traditionell kanadischer Baumfäller-Gesichtsbehaarung sowie einer knallpinken Wollmütze geschmückte Sänger und neuerdings Gitarrist Sebastien, “wir hätten wunderbar noch drei, vier tolle Platten in diesem Stil machen können. Wir hatten alle Freiheiten von der Plattenfirma, verdienten ordentliches Geld und hätten ununterbrochen Touren können. Aber man wird ganz schön einsam und zynisch, wenn man die ganze Zeit nur mit einem Typen abhängen kann. Ich brauchte schließlich einfach Zeit, um herauszufinden wer bin ich ohne diesen Anderen oder besser, um herauszufinden, ob ich die Person, die ich durch diese andere Person werde, mochte. Die Antwort war nein, es ging einfach nicht mehr!”
Sebastien Grainger & The Mountains – Niagara
So nahte schließlich das Ende von DFA und für Sebastien ergab sich endlich die Möglichkeit, den lang gehegten Wunsch eines eigenen Studios und eines musikalischen Neuanfangs zu verwirklichen. Zusammen mit Kumpel Jimmy, seines Zeichens Gitarrist der kanadischen Indie-Institution Metric, kaufte er sich ein Haus in Toronto und baute es zum Studio um, mit dem Ideal-Ziel eine gemeinsamen Platte herauszubringen. Zumindest Letzteres erwies sich laut Sebastien bald als Schnapsidee. “Wir haben ziemlich schnell gemerkt, dass wir zu verschiedene Vorstellungen haben und das ganze abgehakt. Zumindest hat es mir geholfen, herauszufinden, was ich will und was nicht. Das Großartige war, dass Jimmy mich trotzdem weiter gepusht und mir geholfen hat, diese Platte zu machen. Ich weiß auch nicht, wie lange ich noch damit hätte warten können, ich bin fast geplatzt vor kreativer Energie.”
Für Sebastien bedeutete das eine Rückkehr zu seinen Anfängen als Musikschaffender: “Ich und Jesse waren beide damals mehr oder weniger solo unterwegs als wir uns trafen. Zwar waren wir beide auch in diversen Bands aktiv, aber angefangen haben wir als Songwriter, die in ihren Schlafzimmern schlechte 4-Track-Demos aufnehmen. Ich und Jesse haben uns gegenseitig unsere Demo-Tapes zugesteckt und daraufhin beschlossen gemeinsame Sache zu machen. Für mich war die Situation, alleine Songs zu schreiben, also keineswegs neu. Unter anderem habe ich auch Teile von Songs übernommen die ich vor und während DFA geschrieben habe.”
Das Ergebnis ist “Sebastien Grainger & The Montains”, eine zeitgemäße und meistens saftig groovende Version klassischer Rockmusik irgendwo zwischen Queens Of The Stone Age, The Knack, Head Automatica oder T-Rex. Vorbei der radikale Minimalismus, die Katharsis und Machismo von DFA 1979. Hier wird Qualität weniger durch physisches Erleben, als durch Eingängigkeit und Stadiontauglichkeit gemessen, was für den ein oder anderen DFA Verehrer natürlich schon gewöhnungsbedürftig sein wird, zumal durch die komplette Bandbesetzung natürlich auch der Exotenbonus und vielleicht auch die Möglichkeit zur Selbstironie nicht mehr so gegeben sind.
Aber auch in diesem Punkt hat sich Sebastien seine Punk-Attitüde bewahrt: “Zu allererst denke ich beim Songschreiben an mich selbst. Mein Ziel ist es immer, mich bei Laune zu halten und etwas zu machen, das mich anturnt. Ich würde meine Musik nie irgendwelchen Erwartungen anpassen, schon gar nicht für eine bestimmte Klientel, etwa Fans meiner alten Band. Ich mache Musik für alle!“.
Nehmen wir das doch als Einladung, uns völlig unvoreingenommen an das Oevre von Sebastien Grainger & The Mountains zu wagen, es gibt viel zu entdecken, nicht nur die Erkenntnis, dass Monsieur Grainger neben seiner charismatisch souligen Stimme auch die Fähigkeit, gute Songs zu schreiben, nicht verloren hat. DFA waren gestern, den Mountains gehört die Zukunft. Amen!
Thomas Müller
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