Mit “Und Endlich Unendlich” feierten Selig im Mai Reunion und blicken nun auf Monate erfolgreichen Tourens und eine neu gewonnene Bandharmonie zurück.
Nach einem kometenhaften Aufstieg in den Neunzigern, verschwanden Selig abrupt mit dem alten Jahrtausend. Sprichwörtlich verglüht war die Hoffnung des deutschen Grunge-Rocks, die sich keine Atempause gönnte und schließlich zerbrach. Zehn Jahre später scheinen die Wogen geglättet und das alte Feuer neu entflammt. motor.de traf Sänger Jan und Keyboarder Malte in Berlin kurz vor ihrer Show im Huxleys zum “niedlichen” Resümee über das erste gemeinsame Jahr seit der Reunion.
motor.de: Eine monatelange, ausverkaufte Tour und einige Festival-Gigs liegen hinter euch. Welche Erfahrungen habt ihr in der Zeit gemacht?
Jan: Es war großartig! Unsere ersten großen Open Air Gigs waren gleich bei Rock am Ring und Rock im Park – es war sehr aufregend, wieder auf der Bühne zu stehen. Bei der Rheinkultur haben wir auch gespielt, vor 186.000 Leuten. Eine unglaubliche Energie, die wir da gespürt haben. Man hat nur noch Menschen gesehen, alle am feiern. Das war irre.
Und dann natürlich die Tour jetzt. Wir haben sogar einen eigenen Koch dabei, der kocht mit richtig viel Liebe und gesund und … wir werden in eine richtige Depression fallen, wenn die Tour vorbei ist.
motor.de: Gibt es für euch einen Unterschied zwischen den Festivals und den Konzerten während der Tour?
Jan: Ja…das eine ist draußen, das andere drinnen. Aber es geht ja um die Energie auf der Bühne, darum, dass es durch die Wände durchbrennt, dass es bei den Festivals weiter bis über die Zäune reicht und in den Clubs hinter die Wände. Und das ist uns dieses Jahr oft gelungen. Da ist es dann egal, ob man vor hundert Leuten spielt oder vor Millionen.
motor.de: Wie sieht euer Publikum heutzutage aus?
Malte: Bunt gemischt! Bei der Reunion-Tour in kleineren Clubs im Frühjahr waren viele Fans der ersten Stunde dabei, also schon etwas ältere. Und bei den Festivals war es gut verteilt. Da haben wir auch vor vielen Menschen gespielt, die uns noch gar nicht kannten.
motor.de: Wart ihr nervös, wenn ihr vor neuem Publikum gespielt habt?
Malte: Natürlich, aber das ist bei jedem Festival so. Und es war natürlich toll zu merken, dass man auch die begeistern kann.
motor.de. Kommen wir kurz auf “Und Endlich Unendlich” zu sprechen. Während ihr euer erstes Album gern als “apokalyptischen Reiter” beschreibt, das zweite als “psychedelisch durchgeknallt” und das dritte als “Anfang vom Ende”, wo steht da das jetzige?
Jan: Es ist das positivste Selig-Album, das wir gemacht haben, es ist sehr persönlich. Das Wiedersehen und der Prozess der Vergebung, des Friedens und die Bruderschaft, die da zwischen den Zeilen mitklingt, sind zu hören. Wenn man in dieser gebeutelten Welt ein bisschen Frieden abgeben kann, ist das ein erhellendes Gefühl. Wir hatten so lange einen richtigen Hass aufeinander und wenn wir jetzt zusammen auf der Bühne stehen, merkt man, dass wieder Frieden herrscht.
Malte: Jetzt sitzen wir auch nicht mehr die ganze Zeit aufeinander. Heute sind wir zum Beispiel getrennt her gefahren, jeder geht den Tag über seine eigenen Wege. Und dann trifft man sich eben zum Soundcheck oder trinkt noch ein Bier und hat dann einfach Spaß zusammen. Danach geht wieder jeder auf sein Hotelzimmer…
Jan: Und macht die Tür zu! (lacht)
Malte: Naja, man kann die Tür zu machen. Das muss man auch erst mal lernen, dass man nicht immer aufeinanderklebt.
Selig – Wir Werden Uns Wiedersehen (Festival Edition)
motor.de: Und das Gefühl gemeinsam auf der Bühne, ist das jetzt ein anderes?
Jan: Ja, auf jeden Fall. Man ist bewusster, man genießt das Konzert mehr. Man ist älter geworden. Früher haben wir immer versucht, der ganzen Welt zu beweisen, dass wir die coolsten Säue der Welt sind. Und jetzt wissen wir, dass wir es sind, jetzt müssen wir das niemandem mehr beweisen (beide lachen). Als junger Mann sucht man ja auch immer noch nach sich, und jetzt, zehn Jahre danach, ist man erwachsen geworden.
motor.de: Und wie geht es weiter?
Jan: Bis zur Unendlichkeit und noch viel weiter! Wir versuchen den Frieden zu erhalten. Wir sind alle lässiger geworden und Familienväter. Wir sind zu fünft und haben zusammen 12 Kinder. Da hat man Verantwortung, was ein bisschen ruhiger macht, die Exzesse sind nicht mehr so groß.
Wir wollen einfach gesund bleiben – persönlich und als Band.
motor.de: Eurem Sound bleibt ihr also treu oder gibt es neue Einflüsse?
Malte: Klar gibt es die. Da kommt oft einer von uns und sagt: „Hör dir das mal an, oder das“ und dann hört man sich das an und am Ende landet man doch wieder beim Alten.
motor.de: Was hört ihr privat derzeit an aktuellen Bands?
Jan: Zum Beispiel die Flaming Lips oder Kasabian, die haben wir beim Festival gesehen.
Malte: Ich gehe im November zum Phoenix-Konzert!
motor.de: Was ist eurer Traum bzw. Wunsch für die Zukunft von Selig?
Jan: Ich wünsche mir, dass wir in zehn Jahren zusammen als Band eine Skiwanderung machen, zwei Wochen von Hütte zu Hütte. Dass wir uns so gut verstehen, dass wir gern und harmonisch unsere Freizeit dafür opfern. Das wäre ein Traum.
motor.de: Das klingt echt…niedlich.
Malte: Wir sind niedlich!
Interview: Kai-Uwe Weser und Heiko Paulick
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