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Sivert Høyem über den Tod Madrugadas, sein neues Album “Moon Landing” und das Erwachsenwerden.
Mitte der 90er treten die Indie-Rocker Madrugada auf den Plan. Binnen kürzester Zeit heimsen sie die wichtigsten Musikpreise der norwegischen Heimat ein. Ihr 99er Debütalbum “Industrial Silence” macht sie anschließend auch über die Grenzen ihres Landes bekannt. Drei weitere Alben folgen bis 2007 Gitarrist Robert Buras plötzlich verstirbt. (Über die Todesumstände macht die Band keine Angaben.) Mit ihm stirbt auch Madrugada, das selbstbetiteltes Album, an dem sie zuletzt gemeinsam arbeiteten, wird zu Ehren Buras dennoch fertiggestellt. Danach gehen die Bandmitglieder getrennte Wege.
Jetzt steht “Moon Landing”, das neuen Album des Madrugada-Frontmannes Sivert Høyem, der sich bereits 2004 auf erste Solo-Pfade begab, in den Startlöchern. Schon im Vorfeld der neuen Scheibe sprach motor.de mit Høyem über die Zeit nach Madrugada, die Veränderungen durch Roberts Tod sowie seine neuen Songs, mit denen er demnächst durch Deutschland touren wird.
motor.de: “Moon Landing” ist anders als deine letzten Soloproduktionen. Es klingt mehr nach Madrugada. Was hast du dieses Mal anders gemacht?
Sivert: Das kann ich so genau gar nicht benennen. Es ist auf jeden Fall rockiger. Ein paar Songs könnten durchaus von Madrugada sein. Das liegt wahrscheinlich daran, dass ich dieses Mal die Songs auch mit einer Akustik-Gitarre geschrieben habe. Das nächste Mal mache ich das wahrscheinlich nicht mehr so. Vielleicht finde ich eine neue aufregendere Art Songs zu schreiben. Mit mehr Instrumenten oder zusammen mit der Band. Denn dadurch ändert sich tatsächlich das Songwriting.
motor.de: Deine neuen Titel wirken offener, nicht mehr so melancholisch…
Sivert: Ich denke nicht, dass es die Songs sind, die sich so optimistisch anhören. Es ist eher die Präsentation. Das Arrangement hat einen sehr erbaulichen Sound. Es ist halt wirklich klassischer Rock. Das Songwriting unterscheidet sich nicht wirklich von dem früheren, als auch viele Songs auf Akustik-Gitarren geschrieben wurden. Mit anderen Instrumenten wäre es auch ein komplett anderes Album.
motor.de: Hattest du irgendwelche Vorstellungen, bevor du ins Studio gingst?
Sivert: Ich wollte einfach ein Rockalbum machen. Das ist eigentlich die einzig wirkliche Idee, die ich hatte. Außerdem wollte ich eine feste Band haben und auch mit dieser weitermachen. Keine Gastspieler. Die Band sollte wie eine kleine Familie werden. Letztendlich waren wir dann auch recht Wenige. So spielte beispielsweise der Drummer den Bass und so weiter. Es war ein kleines Team, was ich sehr genoss.
motor.de: Fiel Dir der Neustart nach dem verfrühten Ende von Madrugada schwer?
Sivert: Es bereitete mir eigentlich nicht wirklich Probleme weiter Musik zu machen. Ich hatte nur keine Ahnung, welche Richtung ich einschlagen sollte. Wenn es so eine große Veränderung in deinem Leben gibt, dann gibt es viele Möglichkeiten. Man kann sich quasi neu erfinden. Ich könnte beispielsweise jetzt auch “Sivert der Rapper” oder so was sein. Ich musste darüber nachdenken, woher ich komme und in welche Richtung ich gehen wollte. Zuvor war ich glücklich, mit dem was ich war und musste mir nun darüber im Klaren sein, was ich als Soloartist anders oder gleich machen will. Es war mir auf jeden Fall wichtig, etwas von Madrugada mitzunehmen.
motor.de: Ist das Kapitel Madrugada für Dich endgültig beendet?
Sivert: Ja. Ich denke nicht, dass jemand nochmal unter diesem Namen auftreten wird. Aber wer weiß, was alles passiert. Zurzeit ist Madrugada für mich vorbei. Für mich ist es jetzt wichtig zu wissen, dass dieser Teil der Vergangenheit angehört. Madrugada bleibt ein großer Teil meiner Geschichte und es ist hart zu sagen Niemals! Aber Robert ist tot und es macht für mich jetzt gerade wenig Sinn weiterzumachen. Sein Gitarrenspiel war wahrscheinlich der wichtigste Teil unseres Sounds. Es gab und es gibt nicht viele Leute, die so spielen wie er. Er war einfach einzigartig…
motor.de: …und trotzdem habt ihr euch dazu entschieden, das selbstbetitelte Album fertigzustellen.
Sivert: Ja. Wir waren sehr stolz auf das, was wir aufgenommen hatten. Ich höre die Platte heute noch gern. Ich weiß zwar nicht warum, denn eigentlich macht das keinen Sinn, deine eigenen Sachen zu hören. Wenn du im Studio warst, die Geschichte rausgebracht hast und dann anhörst, stellst du dir immer wieder vor, wie es war, als man sie live spielte – und es hat sich viel verändert in der Zwischenzeit – es ist nicht mehr die gleiche Musik ohne Robert. Aber es ist trotzdem schön in Erinnerungen zu schwelgen – all die Ideen, Gedanken von damals… Manchmal denke ich darüber nach, wie großartig das Album geworden wäre, wenn Robert noch am Leben wäre. Jedenfalls machten das Beste daraus. Dadurch sind zwar mehr Keyboards und nur manchmal die ein oder andere Gitarre zu hören, wo Robert sicher mehr reingepackt hätte.
motor.de: Wie war es dann nach der ersten Trauer den Neuanfang zu wagen?
Sivert: Es fühlte sich gut an. Für mich zeigte sich sozusagen wieder Licht am Ende des Tunnels, als ich mit “Moon Landing” anfing. Das Album kommt aus einer sehr düsteren und traurigen Phase, als wir entschieden haben, Schluss mit Madrugada zu machen. Es war keine sehr glückliche Phase in meinem Leben. Aber es wurde besser, als ich an der Platte arbeitete. Es bereitete uns viel Spaß im Studio zu sein. Wir genossen es, zusammen zu musizieren. Es lief sehr relaxt ab, nicht so wie bei Madrugada. Da war viel mehr Gehirnarbeit. Dass so viele Egos in der Band waren, machte es sehr schwierig. Wahrscheinlich war das schon wichtig für die gute Musik, aber manchmal konnte es auch sehr frustrierend sein.
motor.de: Sind wirklich die Egos das zerstörende Element in einer Band?
Sivert: Puh…Es sind wahrscheinlich auch die äußeren Einflüsse. Am Anfang waren wir [Madrugada] ein zusammengeschweißtes Team. Wir hatten viel vor und ein klares Verständnis von dem, was wir taten. Damals versuchten wir einfach unseren eigenen Sound zu finden. Das erste Album war eigentlich nur eine Momentaufnahme. Sechs Monate davor hörten wir uns wahrscheinlich noch ganz anders an. Wir identifizierten uns damals ganz klar als „Band“. Dann hast du neue Freunde und bekommst eine gewisse Professionalität in dem, was du machst. Jedoch ist es auf Dauer recht schwierig, die Band zusammen und die Gruppenmentalität aufrecht zu erhalten. Wie eine Art Teenagergeist, der irgendwann verloren geht, wenn du erwachsen wirst. Ich nenne es Ego, aber wahrscheinlich hat es gar nichts damit zu tun. Vielleicht gehört das einfach zum Erwachsenwerden dazu.
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